ifs jahresbericht 2015

19 ifs Sozialpsychiatrische Individualbetreuung Wie kann es gelingen, sich im Verlauf des Lebens in einer Gemeinschaft (Familie, Beruf, Gesellschaft) zu- rechtzufinden, wenn einem zu Be- ginn des Lebens die elementarsten Erfahrungen – Bindung und Ent- wicklung – verwehrt blieben, um sich als deren Mitglied zu fühlen? Mit die- ser schwierigen Frage setzen sich die MitarbeiterInnen der Sozialpsychi- atrischen Individualbetreuung (SIB) auseinander. Denn Menschen, die in ihrer frühen Kindheit in diesen na- türlichen und existentiellen Entwick- lungsschritten stark gestört wurden, ringen im weiteren Leben mit Ent- wicklungsthemen der Kindheit. Wer- den diese in der Jugendzeit oder beim Übergang ins Erwachsenenalter von den Verantwortlichen nicht erkannt und/oder es wird versäumt, diesen Entwicklungsstillstand aufzuheben, so können Lebenskrisen nur noch mit Symptombildung beantwortet werden. Daher benötigen diese Men- schen eine besondere Unterstützung. Um dem jeweiligen entwicklungs- psychologischen Bedarf gerecht zu werden, wird für jeden Klienten und jede Klientin ein individueller und komplexer Behandlungsplan erarbeitet. Es gilt, die KlientInnen in Bezug auf die tatsächlich wirkenden Entwicklungsniveaus individuell zu verstehen und dabei zu erkennen, welche Motivation ihrem aktuellen Verhalten zugrunde liegt. Erlebt ein Mensch seine Umwelt auf dem Ent- wicklungsniveau eines 5-Jährigen, wird er diese dementsprechend mit seinen Empfindungen, Emotionen und Gedanken einordnen und verste- hen. Die daraus folgenden Konflikte, die ein junger Mensch im biologi- schen Alter von 16 oder 25 Jahren hat, sind vorprogrammiert. Im vergangenen Jahr begleitete das SIB 13 KlientInnen und deren Bezugs- personen intensiv. Aufnahmen erfol- gen ausschließlich über die Abteilung Gesellschaft, Soziales und Integra- tion (IVa) der Vorarlberger Landesre- gierung bzw. über das Land Tirol. ifs SIB Einzelbetreuung Die ifs SIB Einzelbetreuung er- möglicht in einem zweijährigen Behandlungsprogramm vorhandene Entwicklungsstörungen zu erkennen und entsprechende Behandlungs- schritte/Vorgehensweisen einzulei- ten, damit das Ziel der Nachreifung in den betroffenen entwicklungs- psychologischen Bereichen für die KlientInnen erreicht werden kann. Es wird eine Rahmen- und Bezie- hungsqualität zur Verfügung gestellt, die die natürliche Entwicklungsdy- namik wieder in Gang setzt, und die KlientInnen werden in ihrem indivi- duellen Erkenntnisprozess begleitet. Durch diese Vorgehensweise wird im weiteren Verlauf der Betreuung er- kennbar, dass sich die Persönlichkeit der KlientInnen festigt und die dest- ruktive Symptomatik zurückgeht. Der zweijährige Behandlungsrahmen setzt sich aus verschiedenen Betreu- ungsphasen zusammen, die sowohl die entwicklungspsychologischen Bedürfnisse nach Bindung wie auch nach Autonomie berücksichtigen. ifs SIB Integrative therapeutische Tagesgestaltung (ITT) Die Integrative Therapeutische Ta- gesgestaltung arbeitet eingebunden in das Gesamtkonzept der Sozialpsy- chiatrischen Individualbetreuung. Ziel ist es, die KlientInnen in ein für sie bewältigbares, individuelles, aktives, selbstbestimmtes Leben zu begleiten. Der therapeutischen Grundhaltung kommt auch in die- sem ambulanten Setting als Basis aller fachlichen Arbeit die größte Bedeutung zu. Die Kenntnis ver- schiedenster psychiatrischer Krank- heitsbilder und deren Symptomatik, aber auch die kontinuierliche Refle- xion des aktuellen emotionalen und strukturellen Entwicklungsstandes des Klienten/der Klientin bestimmen den konkreten Handlungsplan und Einsatz einzelner Methoden. Die Schaffung individueller Bedingun- gen macht ein fähigkeitsadäquates Lernen – und dadurch sukzessive – soziale Integration möglich. Die Handlungskonzepte richten sich am lebenspraktischen und sozialraumo- rientierten Lernen aus. Zwischen Bregenzerwald und Montafon beglei- ten MitarbeiterInnen die KlientInnen auf diesem intensiven Entwicklungs- weg – ein Suchen und Finden von Interessen und Ressourcen, neuen Perspektiven und Erfahrungen. ○ ifs Sozialpsychiatrische Individualbetreuung Erst die Bindung – dann die Leistung

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