Wie wirkt sich das auf Kinder aus? Das ist ganz unterschiedlich. Aber generell lässt sich sagen: Je länger die Phasen dauern, in denen es einem Elternteil nicht gut geht, desto größer sind die Auswirkungen. Eine depressive Mama kann z. B. dem Kind viel weniger Emotionen spiegeln. Das Kind lächelt, die Mutter lächelt nicht zurück. Das Kind bekommt viel weniger Anregung und damit weniger Orientierung. Vielfach fehlt es an Struktur. Ein Beispiel: Das Kind kommt mittags von der Schule nach Hause und weiß nicht, wie es der Mama heute geht. Liegt sie im Bett oder ist sie aufgestanden und hat Essen gekocht? Oft führt das zu einer Parentifizierung. Das heißt, es kommt zu einer Rollenumkehr? Ja, genau. Kinder übernehmen elterliche Aufgaben. Sie gehen einkaufen, kochen, kümmern sich um jüngere Geschwister. Das kann auch zu sozialer Isolation führen. Zum einen, weil es quasi ein Kommunikationsverbot gibt, die Kinder nicht erzählen dürfen, was zu Hause passiert. Zum anderen schämen sich Kinder für ihre Eltern, wollen niemanden mit nach Hause bringen. Oft haben Kinder auch Schuldgefühle, beziehen das Verhalten der Eltern auf sich selbst und mitunter kommt es zu einer Traumatisierung. Was brauchen diese Kinder? Im besten Fall Eltern, die eine Krankheitseinsicht haben und sich behandeln lassen. Und sie brauchen Sicherheit und Stabilität, jemanden der ihnen hilft, Emotionen zu regulieren. Denn das fehlt ihnen beim kranken Elternteil. Es gilt, die Belastungsfaktoren und vorhandenen Ressourcen herauszuarbeiten. Oft entwickeln Kinder Symptome, da die Balance zwischen diesen Faktoren nicht mehr gegeben ist. Doch je mehr Ressourcen ein Kind hat, z. B. einen stabilisierenden zweiten Elternteil, Großeltern, eine Lehrerin, der man sich anvertrauen kann, Anschluss in einem Verein, desto besser sind die Entwicklungschancen. Können Kinder damit umgehen, wenn es Mama oder Papa einmal nicht so gut geht? Es ist ganz normal, dass Eltern auch einmal eine schlechte Phase haben, genervt oder gestresst sind. Das ist für Kinder nachvollziehbar und auch einschätzbar. Sie wissen, dass der Papa z. B. gerade Stress bei der Arbeit hat und deshalb gereizt reagiert. Auch weil er sich erklärt und entschuldigt. Solche Phasen gehen vorbei, sind völlig normal. Kinder brauchen keine perfekten Eltern, um sich gut zu entwickeln. Schwierig wird es aber, wenn ein Elternteil psychisch krank ist, an einer klinischen Depression, einer Suchterkrankung, einer Angst- oder bipolaren Störung leidet. Inwiefern? Die eingangs beschriebenen Kompetenzen sind bei psychisch kranken Eltern eingeschränkt. Sie sind weniger verlässlich und haben häufiger unberechenbare Stimmungsschwankungen. Es fehlt ihnen oftmals an Einfühlungsvermögen und sie bieten den Kindern im Alltag weniger Struktur. Sie sind z. B. zu erschöpft, um regelmäßig zu kochen oder das Kind zum Sport zu bringen. Oder es fehlt ihnen die Energie, um Grenzen zu setzen und das Einhalten der Regeln einzufordern. Alexandra Ghetta Leiterin der ifs Kinder- und Jugendberatung Jahresbericht 2023 | Fachberatung 17
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