jahresbericht verein 2017

23 ifs Bewohnervertretung ter Bewohner einem anderen Bewoh- ner Kleidungsstücke auf den Kopf gelegt hatte, als dieser im Bett lag. Mit dem Versperren der Türen sollte eine mögliche Gefährdung für die Bewoh- ner verhindert werden. Das Gericht erklärte diese Form des „Schutzes“ für unzulässig, mit demArgument, dass damit der unschuldige Bewohner für fremdes Verhalten mit einer Frei- heitsbeschränkung „bestraft“ würde. Freiheitsbeschränkungen könnten nur gegen den Gefährder ausgespro- chen werden, nicht gegen das Opfer. Letztlich wurden die Türen allesamt wieder aufgesperrt, der verwirrte Bewohner erhielt eine höhere Dosis an beruhigenden Medikamenten und stellte somit für andere keine Gefahr mehr dar. Und noch einmal beschäftigte sich das Gericht mit verschlossenen Tü- ren: mit einer versperrten Haustür und einer zugesperrten Gartentür bei einem Pflegeheim. Das Gericht erklärte die Maßnahmen für unzu- lässig, weil sie wochenlang durch- geführt worden waren, ohne die ifs Bewohnervertretung darüber zu ver- ständigen. Das stellt einen schweren Verstoß gegen Verfahrensregeln dar und macht eine Freiheitsbeschrän- kung schon aus formalen Gründen unzulässig. Ein 75-jähriger Patient eines Kran- kenhauses ist dement und hat eine Muskelatrophie. Trotz Kreislaufpro- blemen versuchte er immer wieder vom Bett aufzustehen und hätte sich dabei den Harnkatheter und den zen- tralen Venenkatheter herausgezogen. Der Oberarzt ordnete Bettgitter und eine Fixierung im Bett mit Bauchgurt und an allen Extremitäten an, die je nach Unruhezustand ganz oder teil- weise durchgeführt wurden. Im Roll- stuhl wurde ein Sitzgurt angeordnet. Die Freiheitsbeschränkung dauerte etwa 6 Wochen an. Das Gericht er- klärte alle Freiheitsbeschränkungen wegen der hohen Gesundheitsgefahr für ca. 5 Wochen für zulässig, die letzte Woche der Durchführung für unzulässig, weil nach Einschätzung des Sachverständigen ab diesem Zeitpunkt andere Maßnahmen ohne Freiheitsbeschränkung (Alarmmatte neben dem Bett, Kontrollbesuche im Zimmer) ausgereicht hätten, um ihn vor Verletzungen zu schützen. In einem ähnlichen Fall entschied das Gericht für eine Zulässigkeit aller Freiheitsbeschränkungen: Ein 81-jähriger Patient hatte bei einem Verkehrsunfall ein schwe- res Schädel-Hirn-Trauma und eine Halswirbelverletzung erlitten, war vor allem in der Nacht über mehrere Wochen stark verwirrt und kletterte einmal nachts über das Bettgitter und fiel zu Boden – glücklicherweise ohne weitere Verletzungen. Weil die Verletzungsgefahr extrem hoch war (mögliche Todesfolge aufgrund der Halswirbelverletzung) ordnete der behandelnde Arzt eine 3-Punkt- Fixierung und einen Sitzgurt im Rollstuhl an. Nach 10 Wochen nahezu ununterbrochener Fixierung konnte zumindest tagsüber davon abgese- hen werden, weil er dann nicht so verwirrt war. Eine Alarmmatte war untertags ausreichend. Nachts aber traten immer noch Verwirrtheits- und Angstzustände auf. Er litt sehr unter den für ihn entwürdigenden und beim Liegen auch schmerzhaf- ten Fixierungsmaßnahmen. Dass das Gericht diese Tortur auch noch für zulässig erklärte, konnte er gar nicht verstehen und er war zutiefst enttäuscht vom Rechtsstaat. Der ifs Bewohnervertreter unterstützte ihn bei der Rekurserhebung, aber auch das Landesgericht bestätigte die Erstentscheidung. Ein 73-jähriger Mann mit Parkinson- Demenz wurde für einige Wochen als Urlaubsgast in einem Pflegeheim aufgenommen. Seine Gattin – eine diplomierte Krankenschwester in Pension – bestand gegenüber der Pflegeleitung darauf, Bettgitter am Pflegebett hochzuziehen und ihn mit Gurt im Rollstuhl zu fixieren, weil er sich vor 9 Monaten bei einem Sturz zu Hause den Oberschenkelhals ge- brochen hatte. Die Pflegeleitung ord- nete die Freiheitsbeschränkung we- gen Sturzverletzungsgefahr an und meldete sie der ifs Bewohnervertre- tung. Wenn das Pflegepersonal den Mann unter Aufsicht hatte, wurde die Sitzgurtfixierung nicht durchge- führt – so wurde diese Maßnahme vom Gericht letztlich für zulässig erklärt. Im Niedrigpflegebett wur- den Halbgitter so hochgezogen, dass er sich selbständig an den Bettrand setzen konnte und eine Alarmmatte so platziert, dass das Pflegepersonal rechtzeitig im Zimmer sein konnte, bevor er Aufstehversuche machte, die ohne Hilfestellung mit Sicherheit zu einem Sturz mit Verletzungs- folgen geführt hätten. Diese Form wurde als geeignet und gleichzeitig schonendste Maßnahme vom Sach- verständigen anerkannt und daher vom Gericht für zulässig erklärt.

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