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Jahresbericht 2018 32 antreiben kann. Eine alternative Sitz- gelegenheit ohne Fixierung würde sie ihrer Freiheit berauben, sich an einen anderen Ort zu bewegen. Das Gericht hat wie folgt entschieden: Der Brust- gurt wird nur für ca. 1 Woche für zulässig erklärt. Bis dahin muss die Einrichtung einen neuen Beckengurt anschaffen, den die Betroffene nicht selbständig lösen kann. Dadurch hat sie mehr Bewegungsfreiheit im Oberkörper, gefährdet sich nicht selbst durch einen unbeobachtet ge- öffneten Beckengurt und kann sich weiterhin selbständig mit dem Roll- stuhl fortbewegen. Bei geplanter und entsprechend dokumentierter 1:1-Be- treuung muss die Fixierung immer wieder vorübergehend unterbrochen werden. Ein 82-jähriger schwer desorientier- ter Pflegeheimbewohner versucht immer wieder vom Bett und vom Rollstuhl aufzustehen. Ohne am Rollstuhl montierten Therapietisch würde er mit Sicherheit erhebliche Sturzverletzungen erleiden. Er hat bereits ein Niedrigpflegebett mit vorgelegter Sturzmatte und Alarm- einrichtung, daher ist keine schwere Verletzungsgefahr bei Stürzen aus dem Bett gegeben. Das Gericht hat die angeordneten Seitenteile am Bett für unzulässig erklärt, den Therapie­ tisch dagegen für zulässig mit der Auflage, dass er bei 1:1-Beaufsichti- gung durch Pflegepersonal, Zivildie- ner oder Angehörige entfernt wird. Der 71-jährige Bewohner eines Pflegeheims mit Wesensänderung, Impulskontrollstörung und Raptus- zuständen wird mit Medikamenten behandelt, die ihn müde machen, was ihn sehr stört. Er möchte, dass diese Freiheitsbeschränkung über- prüft wird. Der psychiatrische Sach- verständige führt aus, dass bereits andere Medikamente, die weniger Nebenwirkungen haben, in der Ver- gangenheit ausprobiert worden sind, aber nicht den gewünschten Effekt der psychischen Beruhigung erzielt hätten. Er habe sich und andere Be- wohnerInnen bzw. Pflegepersonen bei Raptuszuständen gefährdet (er hat einmal einen Tisch umgeworfen, ist mit dem Rollstuhl ungebremst auf eine Glastür zugefahren). Das Gericht hat die Freiheitsbeschränkung durch die Medikamente Cisordinol und Te- mesta für die Dauer von sechs Mona- ten für zulässig erklärt. Einen Monat später ist der Bewohner verstorben. Der 18-jährige Bewohner mit au- tistischen Zügen soll in der Behin- dertenwohngemeinschaft in einem Bett mit erhöhter Seitenbarriere in einem Schlafsack schlafen. Es wird befürchtet, dass er nachts ins Stie- genhaus kriechen, über die Treppe fallen und sich dabei schwer verlet- zen könnte. Das Gericht erklärt die Freiheitsbeschränkung durch die Seitenbarriere aus formalen Grün- den für unzulässig: Die Einrichtung hat keine ärztliche Bestätigung zu geistiger Beeinträchtigung und Ge- fährdung beigebracht. Auch inhalt- lich sei sie nicht zulässig, weil der Sachverständige ein „Bodennest“ als geeignete Alternative beurteilt hat. Die Gefahr, dass der Bewohner in das Stiegenhaus gelangen könnte, sei durch eine Alarmmatte an der Zim- mertür verlässlich zu verhindern. Den Antrag des Bewohnervertreters, auch den Schlafsack als solches als Freiheitsbeschränkung zu beurtei- len und auf seine Notwendigkeit zu überprüfen, hat das Gericht abgewie- sen. Der Schlafsack sei unten offen, der Betroffene könne somit gefahrlos damit stehen oder sogar gehen, daher sei die Verwendung des Schlafsa- ckes alleine nicht als Bewegungsbe- schränkung zu qualifizieren. Der erste – und bislang einzige – Antrag auf Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung in einer Einrichtung für Minderjährige hat einen 10-jährigen Burschen mit autistischen Zügen und geistiger Beeinträchtigung betroffen. Die Ein- richtung hat die Fixierung mittels Sitzgurt an einer Sitzgelegenheit an- geordnet, da er sich und andere Per- sonen ansonsten u. a. durch Schlagen mit dem Kopf an die Wand bzw. das Herumwerfen von Gegenständen er- heblich gefährde. Der Bewohner hat eine permanente 1:1-Betreuung, die Fixierung dauert mehrmals täglich zwischen 10 und 20 Minuten beim Unterricht oder beimMittagessen, wird auch immer wieder gelöst und die Betreuungsperson beschäftigt sich dann anderweitig mit ihm. Der Sachverständige hat darin die scho- nendste Maßnahme gesehen, andere pädagogische Maßnahmen oder den Einsatz alternativer Hilfsmittel als nicht ausreichend betrachtet, um erhebliche Gefahrensituationen zu verhindern. Das Gericht hat die Freiheitsbeschränkung ab 01.07.2018 bis 19.09.2018 wegen verspäteter Meldung an die Bewohnervertretung für unzulässig, ab 20.09.2018 für die Dauer von sechs Monaten für zuläs- sig erklärt. Ein 80-jähriger Bewohner eines Pflegeheims wird mit sedierenden Medikamenten in seiner Bewegungs-

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