jb_verein_ev_pa_bv_18

Jahresbericht 2018 34 den Volksanwaltschaften immer wie- der kritisiert worden: Ihre Kommissi- onen haben bei Besuchen menschen- rechtlich nicht akzeptable Missstände imUmgang mit der persönlichen Freiheit von Kindern und Jugendli- chen in Betreuungseinrichtungen aufgezeigt. Am 30.03.2017 ist im Zuge des 2. Erwachsenenschutzgesetzes die Ausnahmeregelung gestrichen und vomNationalrat ein Inkrafttreten für den 01.07.2018 beschlossen worden. Nach den Erläuterungen zumMinis- terialentwurf sind von der Novelle beispielsweise „Landesjugendheime, Heime privater Träger, sonder-, heil- und sozialpädagogische Wohnge- meinschaften, SOS-Kinderdörfer und Sonderschulen“ betroffen. Für die ifs Bewohnervertretung be- deutet das, dass ca. 80 neue Einrich- tungen für Kinder und Jugendliche zu den bisher 180 Pflegeheimen, Be- hinderteneinrichtungen und Kran- kenanstalten dazu gekommen sind: - 30 sozialpädagogische Wohnge- meinschaften privater Träger - 12 sozialpädagogische Tageseinrich- tungen privater Träger - 21 Sonderschulen - (derzeit) 17 „Inklusionsschulen“, das sind Volks- oder Mittelschulen, „in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig betreut oder gepflegt werden können“ (§ 2 Abs. 1 HeimAufG). Inhaltlich stellen Kinder und Jugend- liche ein völlig neues Klientel der Dienstleistung der ifs Bewohnerver- tretung dar, die bisherige Zielgruppe waren Erwachsene und Senioren. Zur Vorbereitung haben im April und Mai jeweils einwöchige Fortbildungs- veranstaltungen für alle rund 60 Be- wohnervertreterInnen Österreichs in Wien stattgefunden. In der Folge gestaltete sich das Jahr 2018 für die ifs Bewohnervertretung als sehr aufwändig: - Mehr als 100 Erstkontakte bei Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen - Kennenlernen der Strukturen und pädagogischen Konzepte der Einrichtungen, um beurteilen zu können, ob die inhaltlichen Voraussetzungen für Freiheitsbe- schränkungen gegeben sind und sie tatsächlich die schonendste Maß- nahme im Einzelfall darstellen - Die Rechtsfrage, welches denn „alterstypische Freiheitsbeschrän- kungen“ im pädagogischen Alltag sein könnten, wurde nicht an uns herangetragen. Diese sind ausdrück- lich vomHeimaufenthaltsgesetz ausgenommen worden, weil hier das „Recht auf Familienautonomie“ Vorrang haben soll. Neben den ganz klassischen Maßnahmen bei Klein- kindern, wie z. B. Gitterbettchen bei Säuglingen, das Angurten von Kleinkindern im Kinderwagen oder die „Fixierung“ eines Kleinkindes im Hochstuhl beim Essen, die bereits in den Erläuterungen zumHeimAufG als alterstypisch beschrieben wur- den, ist uns nur der Themenbereich „an der Hand halten von Kinder- gartenkindern im Straßenverkehr“ begegnet, den wir als alterstypisch einschätzen würden. - Altersuntypische Freiheitsbe- schränkungen, die uns gemeldet worden sind, in der Häufigkeit ih- rer Nennungen: Häufig gemeldet wurden Fixierungen im (Roll-)Stuhl bei Verletzungsgefahr durch Sturz, körperliches Festhalten bei Selbst- gefährdung im Straßenverkehr oder Selbst- und/oder Fremdgefährdung bei Aggressionsausbrüchen, das Schließen von Rollstuhlbremsen bei Gefahr des Wegschiebens durch andere Kinder. Selten gemeldet wurden Bettgitter an Pflegebetten oder Therapieliegen bei Selbstge- fährdung durch Sturz. Sehr selten gemeldet wurden verschlossene Zimmertüren bzw. das Versperren des Ausgangs durch Betreuungsper- sonen bei Selbst- oder Fremdgefähr- dung bei Aggressionsdurchbrüchen, körperliche Beruhigung durch Einzelfallmedikation - Entscheidungsfähige Minderjährige (wird ab dem 14. Lebensjahr vermu- tet) können einer Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit selbst zu- stimmen, es braucht dafür keine Zu- stimmung der Obsorgeberechtigten: bislang keine Meldung. - Inhaltlich nachvollziehbare Frei- heitsbeschränkungen ohne oder gegen den Willen der Betroffenen sind häufig aus formellen Gründen unzulässig, weil kein/e oder ein/e verspätete Meldung/Anordnung/ ärztliches Dokument vorliegt. - Wir haben lediglich eine einzige für uns zweifelhafte Freiheitsbeschrän- kung gerichtlich überprüfen lassen, die für zulässig erklärt worden ist, da der Sachverständige Selbst- und Fremdgefährdung bescheinigt hat und keine geeignete schonendere Maßnahme erkennbar gewesen ist. ○ Dr. Herbert Spiess Leiter ifs Bewohnervertretung

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ2MDY0