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Jahresbericht 2020 34 durch gestört fühlen und inadäquat reagieren könnte. In dieser Situation konnte das Ge- richt keinerlei Selbst- oder Fremdge- fährdung erkennen und erklärte das Versperren der Zimmertür für un- zulässig. Mögliche Störungen seien auch durch Sensormatten vor den Zimmertüren oder ein nachzurüsten- des elektronisches Türschließsystem beherrschbar. Auch in einer Wohngemeinschaft für Minderjährige wurden die Maßnah- men „Zusperren der Zimmertür und körperliches Festhalten“ an einem 11-Jährigen überprüft. Der Bub hat eine Störung des Sozialverhaltens, die sich u. a. darin zeigt, dass er bei Wutausbrüchen andere Kinder kör- perlich attackiert. Nach einer Eska- lation mit heftigen Schlägen gegen einen Betreuer und Bedrohung mit einer Schere wurde von der pädago- gischen Leitung angeordnet, ihn fest- zuhalten und ins Zimmer zu sperren, bis er sich beruhigt hat. Das wollte der Bub nicht akzeptie- ren und wünschte eine gerichtliche Überprüfung dieses Vorfalls („Es hat mir wehgetan, der Betreuer soll be- straft werden.“). Diesen Wunsch konnte das Heimauf- enthaltsgericht nicht erfüllen – es überprüft nämlich nur die grund- sätzliche Zulässigkeit von Freiheits- beschränkungen. Wegen der unzwei- felhaften Fremdgefährdung erklärte es die Maßnahmen für zulässig, trug der Einrichtung aber über Vorschlag der pädagogischen Sachverständigen gleichzeitig auf, rasch einen individu- ellen Handlungsplan zu entwickeln, wie die Betreuungspersonen bei Wut- anfällen zu reagieren hätten. Erst im Fall einer Eskalation der Gewalt seien die Freiheitsbeschränkungen zulässig und auch dann nur bis zur Beruhigung der Situation. Als besonders komplex erwies sich die Freiheitsbeschränkung „ver- schlossene Gruppenraumtür“ in einer Werkstätte für Menschen mit schwe- rer Beeinträchtigung: Bis auf drei Betreute konnten alle einen bereitge- legten Schlüssel verwenden, um den Gruppenraum zu verlassen. Der Bewohnervertreter stellte für alle drei Betreuten einen Antrag auf Überprüfung dieser Freiheits- beschränkung. Bei einem Klienten wurde eine derart hohe Verletzungs- gefahr für andere Menschen festge- stellt, dass das Versperren der Tür gerechtfertigt sei. Bei den zwei weiteren Betreuten wurde zwar ebenfalls eine Selbstge- fährdung festgestellt, der Einrich- tung aber die Auflage erteilt, binnen eines Monats eine elektronische Türschließanlage anzuschaffen. Das Gericht ging dabei von der Annahme aus, dass diese beiden Betreuten den Umgang mit einem bereitgelegten Türtransponder (einer Art elektroni- schem Schlüssel) erlernen könnten, was aber bezweifelt werden muss. Sie hatten nämlich zuvor schon den Umgang mit dem normalen Schlüssel nicht erlernt. Um diese „juristische Zwickmühle“ aufzulösen, bemüht sich der Bewoh- nervertreter darum, dass diesen beiden Betreuten letztlich ein Trans- ponder umgehängt wird. Es handelt sich nämlich um ein sogenanntes Annäherungssystem, bei dem die Tür entsperrt wird, sobald der*die Träger*in des Transponders die Tür- schnalle drückt. Die letzte Überprüfung im Jahr 2020 hing wieder mit Corona zusammen: Seit Beginn der COVID-19-Pandemie blieb die elektrische Schiebe- Eingangstür eines Pflegeheims als COVID-19-Präventionsmaßnahme versperrt. Man konnte das Heim nur verlassen, wenn man den etwas versteckten Türschalter betätigte. Menschen mit Demenz gelingt das nicht mehr. Eine 81-jährige Bewohnerin mit starker Demenz wollte mehrmals am Tag nach Hause laufen, war aber nicht verkehrstauglich und zudem sturzgefährdet. An der Eingangstür war meistens Schluss, manchmal entschlüpfte sie aber durch einen Notausgang. Wegen ihrer Weglauf- tendenz hatte sie schon von Anfang an eine Armbanduhr mit Überwa- chungsfunktion erhalten. Diese Frei- heitsbeschränkung (elektronische Überwachung und Zurückbringen durch Pflegepersonal) erklärte das Gericht dann auch als gelindestes Mittel für zulässig. Das Versperren der Eingangstür erkannte es dagegen für unzulässig und zwar, weil diese Maßnahme weder angeordnet noch der ifs Bewohnervertretung gemel- det worden war. Wäre der Bewohnervertreter nicht darauf aufmerksam gemacht wor- den, wäre diese Tür vermutlich heute noch versperrt. Auch in Corona- Zeiten gilt: Bewohner*innen dürfen die Einrichtung jederzeit verlassen, was in Zeiten von Besuchsbeschrän- kungen auch notwendig ist, damit sie wenigstens Spaziergänge mit ihren Angehörigen machen können. Und im betreuerischen Alltag gibt es viele gelindere Möglichkeiten als jeman- den einzusperren! ○ Mag. Regina Anhaus Leiterin ifs Bewohnervertretung Dr. Herbert Spiess Ehemaliger Leiter ifs Bewohnervertretung
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