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Jahresbericht 2021 30 31 ausreichend Zeit für jeden einzelnen Erstkontakt zur Verfügung steht (keine „Massenabfertigung“). Da in diesen Einrichtungen schnelle Auf- hebungen von Freiheitsbeschrän- kungen eher selten sind, ist dies mit dem Anspruch auf möglichst rasche Kontaktaufnahme vertretbar. Gerichtliche Vertretungen bei Freiheitsbeschränkungen Die ifs Bewohnervertretung stellte in Pflegeheimen 3 Anträge auf gericht- liche Überprüfung von Freiheitsbe- schränkungen, in Behindertenein- richtungen 2 Anträge und in einer Einrichtung für Minderjährige einen Antrag. Damit nahm die Zahl der Anträge gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent ab. Aus formellen Gründen wären in allen Einrichtungskategorien viele Freiheitsbeschränkungen für unzu- lässig erklärt worden, hätte die ifs Bewohnervertretung aus folgenden Gründen einen Überprüfungsantrag gestellt: Freiheitsbeschränkungen wurden zu spät gemeldet und es fehlten Anordnungen und ärztliche Bestätigungen oder diese wurden zu spät ausgestellt. Das HeimAufG stellt im Interesse der Bewohner:innen ei- nen hohen Anspruch an die Einrich- tungen, formelle Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen. Ergebnisse gerichtlicher Vertretungen In Pflegeheimen wurden Freiheits- beschränkungen in keinem Fall für uneingeschränkt zulässig erklärt. In drei Fällen wurde die Beschränkung für unzulässig befunden. Bei zwei Anträgen auf gerichtliche Überprü- fung von vermuteten freiheitsbe- schränkenden Maßnahmen durch die Bewohnervertretung kam es zu einer Abweisung des Antrags. Bei den Anträgen in Behinderten- einrichtungen wurde die gerichtlich überprüfte Maßnahme in einem Fall unter Einhaltung von Auflagen für zulässig erklärt, in einem Fall war die freiheitsbeschränkende Maßnahme unzulässig. Ein Antrag auf gerichtli- che Überprüfung einer Maßnahme durch die Bewohnervertretung wurde vom Gericht abgewiesen. Bei den Einrichtungen für Minder- jährige lautete der Beschluss zur überprüften Maßnahme auf zulässig mit Auflage. Inhaltliche Details zu den Gerichts- entscheidungen sind unter „Interes- sante Entscheidungen Vorarlberger Gerichte“ (S. 32) zu finden. ifs Bewohnervertretung Jahresschwerpunkte Folgende Schwerpunkte wurden im vergangenen Jahr gesetzt: Vorträge Aufgrund der COVID-19-Pandemie konnten auch im Jahr 2021 nur 13 Vorträge zumHeimaufenthalts- gesetz vor Mitarbeiter:innen von Pflegeheimen und in Einrichtungen der Vorarlberger Krankenhaus- Betriebsgesellschaft m.b.H. sowie der FH Dornbirn abgehalten werden. Erstmalig wurden das HeimAufG und die Tätigkeit der Bewohnervertretung auch unter Einsatz von Videokonfe- renz-Software präsentiert. Weitere bereits vereinbarte Termine Ende des Jahres wurden verschoben, Gründe waren der erneute Lockdown ab 22. November und das Bekanntwerden von Erstinfektionenmit der neuen Virusvariante imDezember 2021. Fachlicher Austausch Die ifs Bewohnervertreter:innen nahmen – soweit möglich persönlich, ansonsten per ZOOM – an Bespre- chungenmit Ärzt:innen, Pflegeperso- nen, pädagogischen Fachleuten und anderen Kooperationspartner:innen teil. Die Teile 2 und 3 der öster- reichweiten Einschulung für Bewohnervertreter:innenmussten noch per ZOOM stattfinden, Teil 4 konnte imHerbst in Präsenzform be- sucht werden. Zwei Bewohnervertre- terinnen nahmen an vomVertretungs- netz angebotenen Fachseminaren mit Schwerpunkt Einrichtungen für Kinder und Jugendliche teil. Zudem fanden alle sechs Wochen Fallbespre- chungenmit einemFacharzt für Psy- chiatrie statt, in deren Rahmen intern geklärt wurde, ob eine Behandlung mit sedierendenMedikamenten als medikamentöse Freiheitsbeschrän- kung zu qualifizieren ist. Oft gibt es bezüglich dieses Themenbereichs bei allen Beteiligten Unklarheiten. Durch Corona-Maßnahmen eingeschränkte Tätigkeit der Bewohnervertretung auch 2021 ein Schwerpunkt Im zweiten Jahr der Pandemie war es den Bewohnervertreter:innen ganzjährig möglich, die Klient:innen unter Einhaltung der Maßnahmen der jeweils in Geltung stehenden COVID-19-Schutz-/Maßnahmenver- ordnung in den Einrichtungen zu besuchen. Durch die Präsenz in meh- reren Einrichtungen pro Tag bestand die Gefahr, dass die Bewohnervertre- tung ungewollt zu einer Ausbreitung des Virus beitragen könnte. Deshalb fanden sich ab Ende des Jahres 2020 in den Verordnungen spezielle Rege- lungen für Bewohnervertreter:innen. In den ersten Monaten waren für den Besuch der Klient:innen vorab Tes- tungen erforderlich. Dank der rasch installierten Testzentren in Vorarl- berg konnte dieser Vorgabe problem- los nachgekommen werden. Ab Ende Februar stand die Möglichkeit einer Impfung zur Verfügung, um somit besonders vulnerable Gruppen vor dem Virus zu schützen. Abstandsregeln und Masken erschwer(t)en das persönliche Ge- spräch mit den Klient:innen aber weiterhin. Schon bei der Begrüßung musste nicht selten eine entgegen- gestreckte Hand unter Hinweis auf Corona und Abstandsregeln dankend abgelehnt werden. Von der Bewohnervertretung vertretene Bewohner:innen sind oftmals stark auf Berührungen aus ihrem Umfeld angewiesen, da ihre Sinne einge- schränkt sind. Bewohner:innen in den Pflegeheimen hören oft nicht mehr gut und sind es gewohnt, dass Menschen in ihrer Umgebung diesem Umstand Rechnung tragen, indem sie nahe an ihrem Ohr sprechen, damit ein Austausch besser möglich ist. Auch der Wunsch, die Maske abzu- nehmen, wurde immer wieder an die Bewohnervertretung herangetragen. Leider konnte diesem 2021 ganzjährig nicht nachgekommen werden. Die durch die Maske gedämpfte Stimme und die fehlende Mimik führten dazu, dass es den Klient:innen noch schwerer fiel, dem Gespräch zu folgen. In den ersten Monaten des Jahres erhielt die ifs Bewohnervertretung keine durch Corona ausgelösten Mel- dungen von zusätzlich notwendigen freiheitsbeschränkenden Maßnah- men. Diese Zeit und auch die in dieser Hinsicht ebenfalls ruhigen Sommer- monate dienten dazu, die rechtliche Entwicklung zu diesem Thema in Österreich zu verfolgen, da es doch vielerorts zu Freiheitsbeschränkun- gen kam, die in Zusammenhang mit Corona standen. Mit der wachsenden Zahl an vorliegenden Entscheidun- gen der gesamtösterreichischen Gerichte entstand Rechtssicherheit, ob und unter welchen Vorausset- zungen eine freiheitsbeschränkende Maßnahme an mit Corona infizier- ten Bewohner:innen oder bei Ver- dacht vorgenommen werden darf. Durch die gute Zusammenarbeit mit den Einrichtungen wurden die Bewohnervertreter:innen vielfach im Vorfeld kontaktiert und konn- ten somit beratend dazu beitragen, dass eine freiheitsbeschränkende Maßnahme vermieden werden konnte. Gerade ab Herbst und in der sogenannten „Deltawelle“ waren die Einrichtungen aufs Neue gefor- dert, die Ausbreitung des Virus auf Bewohner:innen und Personal zu vermeiden und die Aufrechterhal- tung des Betriebs zu gewährleisten. Kam es trotzdem zur Meldung einer freiheitsbeschränkenden Maß- nahme, wurden die Klient:innen wei- terhin vor Ort besucht, vorausgesetzt die erforderlichen Schutzmaßnah- men – beispielsweise Schutzkleidung – konnten eingehalten werden. Das Team der ifs Bewohnervertre- tung selbst war 2021 zudem damit

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