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Jahresbericht 2022 38 Bei einem Patienten eines dritten Krankenhauses, der neben Medika- menten mit Bettseitenteilen in sei- ner Freiheit beschränkt wurde und versuchte, diese zu überklettern, be- stand zum Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus der Verdacht auf Demenz und im häuslichen Setting Betreuungs- und Pflegbedürftigkeit. Die Meldung an die Bewohnervertre- tung erfolgte nicht unverzüglich und zudem wurde die Anordnung nicht dokumentiert. Der Primar der Ein- richtung gab an, dass unverzüglich eine Meldung der Freiheitsbeschrän- kungen erfolge, wenn bekannt sei, dass eine Demenz vorliege, anderen- falls werde die Meldung erst nach einem Zeitraum von 24 Stunden bis zwei Wochen vorgenommen. Das Gericht führte aus, dass es sich bei „psychischer Erkrankung“ und „geis- tiger Behinderung“ um unbestimmte Rechtsbegriffe handle, die sich zwar an medizinischen Definitionen orien- tieren, aber nicht zwingendermaßen deckungsgleich mit diesen inter- pretiert oder anhand medizinischer Schemata ermittelt werden können. Im konkreten Fall ergab sich aus den Feststellungen, dass der Patient an einer „subcorticalen arterioskle- rotsichen Enzephalopathie“ litt und diese einer psychischen Erkrankung gleichzusetzen ist. Aufgrund dieser war er auf ständige Pflege und Be- treuung angewiesen und fiel in den besonderen Schutzbereich des Heim- AufG. Die Maßnahmen wurden für den Zeitraum, in welchem sie nicht gemeldet waren, die Maßnahme Bett- seitenteile aufgrund von Dokumen- tationsmängeln auch nach diesem Zeitpunkt für unzulässig erklärt, in materieller Hinsicht wären sie zuläs- sig gewesen. Im selben Krankenhaus wurde ein Patient nach einem Schlaganfall über mehrere Wochen mit einem Bauchgurt sowie an einem Arm und einem Bein im Bett fixiert, hatte Bettseitenteile und erhielt sedierende Medikamente. Auch ein Sitzgurt im Rollstuhl wurde ver- wendet, aber keine der Maßnahmen der Bewohnervertretung gemeldet. Nach seiner Entlassung in ein Pfle- geheim wurde die Bettfixierung fortgeführt und in der Folge von der Bewohnervertretung ein Antrag auf Überprüfung beim BG gestellt, da gelindere Maßnahmen als ausrei- chend erachtet wurden. Für die Zeit im Krankenhaus wurde ein Antrag auf nachträgliche Überprüfung beim BG gestellt, da sich im Verfahren im Pflegeheim herausstellte, dass neben dem erlittenen Schlaganfall und an- deren Erkrankungen offenbar schon zuvor eine Demenz bestanden hatte und insgesamt eine psychische Er- krankung iSd HeimAufG vorlag. Im Beschluss des BG, das für das Kran- kenhaus zuständig war, wurde dem Patienten der besondere Schutz des HeimAufG nach den gutachterlichen Erläuterungen ebenfalls zuerkannt und ausgeführt, dass die freiheitsbe- schränkenden Maßnahmen notwen- dig und geeignet waren, die Gefahr für das Leben und die Gesundheit des Patienten hintanzuhalten. Sie wurden aber als unzulässig erklärt, da eine Verständigung an die Bewoh- nervertretung nicht erfolgt war. Die Einrichtung brachte das Rechtsmit- tel des Rekurses ein und wendete ein, dass die Behandlung des Schlagan- falls diese Maßnahmen erforderlich gemacht und nicht endgültig festge- standen hätte, ob der Patient pflege- und betreuungsbedürftig bleiben würde. Auch die Ausführungen des Gutachters wurden kritisiert. Das LG Feldkirch als Rekursgericht än- derte den Beschluss des Erstgerichts dahingehend ab, dass es den Antrag der Bewohnervertretung abwies, da keine Freiheitsbeschränkung iSd HeimAufG vorliege. Die Bewohner- vertretung brachte beim OGH einen außerordentlichen Revisionsrekurs ein. Der Beschluss des LG wurde aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das LG zurückverwiesen, da das LG den Be- schluss des BG ohne Ergänzung oder Neudurchführung des Verfahrens nicht hätte ändern dürfen. In einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche erhielt ein 10-jähriger Bewohner zwei sedierende Medika- mente. Ein Einzelfallmedikament wurde bei Impulsdurchbrüchen mit körperlichen Attacken gegeben, ein weiteres vor Blutabnahmen, da der Bewohner diese ablehnte. Die Bewohnervertretung stellte einen Antrag auf Überprüfung, da das Me- dikament, das bei Impulsdurchbrü- chen verabreicht wurde, gemäß der Dokumentation der Einrichtung vom behandelnden Arzt schon Wochen zuvor abgesetzt worden war, ebenso weil Alternativen und damit gelin- dere Mittel für die erforderlichen und vom Kind ungewollten Blutabnah- men gar nicht erst versucht worden waren. Das BG erklärte die Freiheits- beschränkung mit sedierenden Medi- kamenten bei Impulsdurchbrüchen aufgrund fehlender Dokumentation als unzulässig. Die Medikamente für die Blutabnahme wurden mit der Auflage, schonendere Maßnahmen zu finden, für zulässig erklärt. Dies ist inzwischen auch gelungen. ○ Mag. Regina Anhaus Leiterin ifs Bewohnervertretung

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