35 ifs Bewohnervertretung Pflegerechttagung in Innsbruck und den Veranstaltungen der Richterfortbildung zum Erwachsenschutzrecht in Kitzbühel teil. Einschlägiges Wissen erhält das Team auch durch das psychotherapeutische Propädeutikum, das eine Bewohnervertreterin derzeit absolviert. Steigende Zahlen bei Freiheitsbeschränkungen und Einsatz länger nicht mehr benötigter Maßnahmen Der Umgang mit Menschen, die Pflege und Betreuung brauchen, ist sowohl für pflegende Angehörige als auch für professionelle Betreuungskräfte mit einer hohen Verantwortung verbunden. Damit einher geht die Sorge, dass die Betroffenen stürzen, sich verletzen oder – im Fall von demenzkranken Menschen – verirren könnten. Emotionale Diskussionen mit Angehörigen über – manchmal überzogene – Erwartungen an die Sicherheit der Bewohner:innen gehören oftmals zum Alltag der Pflegekräfte. Persönliche Freiheit ist ein Menschenrecht. Für die Klient:innen der Bewohnervertretung bedeutet das, ernst genommen zu werden, auch wenn sie nicht mehr handlungsfähig sind. Freiheit, Würde, Sicherheit – diese drei Worte drücken das Spannungsfeld, in dem die Bewohnervertretung tätig ist, aus. Die Einrichtungen, die im Vorjahr von den ifs Bewohnervertreterinnen besucht wurden, sehen sich mit besonders herausfordernden Zeiten konfrontiert. Der generelle Personalmangel und die Mitarbeiterfluktuation belasten zusätzlich. In der Folge wurden im Jahr 2023 Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf vermehrt in ihrer Freiheit beschränkt, auch wenn ein Mangel an Ressourcen oder Personal eine Freiheitsbeschränkung nicht rechtfertigt. Zudem war eine steigende Tendenz bezüglich der Fixiermaßnahmen in Pflegeheimen – überwiegend im Rollstuhl, aber auch wieder im Bett – zu beobachten. Orientierung auf Fragen, inwieweit Einrichtungen den Klient:innenwünschen nach Freiheit entgegenkommen können und wo aus Gründen der Sicherheit Grenzen gezogen werden müssen, bieten das Heimaufenthaltsgesetz und die ifs Bewohnervertretung. So wurde im vergangenen Jahr den Neumeldungen schwerpunktmäßig Priorität eingeräumt. Trotzdem gelang es wie bereits in den beiden Jahren zuvor, Einrichtungen, die keine Meldungen an die ifs Bewohnervertretung übermittelten, regelmäßig zu besuchen. Interessante Entscheidungen Vorarlberger Gerichte In Relation zu den insgesamt vertretenen 1.023 Klient:innen ist die Zahl der bei den Bezirksgerichten eingebrachten acht Anträge auf Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen sehr gering. In einem Fall wurde ein 9-Jähriger an einer Schule, die seit 2018 in den Anwendungsbereich des HeimAufG fällt, bei Impulsdurchbrüchen festgehalten. Auf Anraten der Kinder- und Jugendanwaltschaft kontaktierte die Mutter die ifs Bewohnervertretung. Alterstypische Zwangsmaßnahmen an Minderjährigen sind jedoch keine Freiheitsbeschränkungen im Sinn des HeimAufG. Als Orientierungshilfe ist darauf abzustellen, ob ein psychisch gesundes Kind von sorgsamen, verständigen Eltern in derselben Situation denselben Freiheitsbeschränkungen unterworfen würde. Falls ja, liegt tendenziell eine alterstypische Maßnahme vor, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. In Zweifelsfällen wird empfohlen, diese Frage in einem Gerichtsverfahren unter Beiziehung entsprechender Sachverständiger zu klären. Deshalb begutachtete ein Sachverständiger den Fall. Auf Basis dieses Gutachtens kam das Gericht zu dem Ergebnis, das Festhalten stelle bei den Impulsdurchbrüchen mit verbalen Ausfälligkeiten, Schlagen, Beißen, Treten und der Attacke mit einer Gabel im Speisesaal – wie auch das Festhalten eines gesunden 9-Jährigen durch seine Eltern in einer vergleichbaren Situation – eine alterstypische Erziehungsmaßnahme dar. Dieses Festhalten in hocheskalierenden Situationen sei als notwendige Maßnahme zur Abwendung von Gefahr und Vermeidung schwerwiegender Konsequenzen für den Minderjährigen (aufgrund seines Verhaltens) sowie Gefährdung Dritter notwendig. Die Intervention durch ein Festhalten im Sinne des Deeskalationsprogramms ProDeMa werde zur Beruhigung und zum Wohle des Minderjährigen sowie zur Abwehr ernstlicher und erheblicher Gefahr von gesundheitlichen Schäden Dritter durchgeführt und sei in der Dauer von zwei bis vier Minuten im Verhältnis zur Abwendung der Gefährdung angemessen.1 1 Besprechung der Entscheidung: Ehgartner in iFamZ 2023, 334; Ganner in ÖZPR 2023, 149.
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