Jahresbericht 2023 38 che nach Auskunft der Einrichtung gar nicht, den Raum zu verlassen. Der andere würde sich selbst durch übermäßiges Essen und Trinken, auch von ungeeigneten Substanzen, gefährden und brauche außerhalb des Gruppenraums ohnehin ständige Einzelbetreuung. Zusätzlich gelinge es ihm, die Einrichtung blitzschnell zu verlassen, wobei eine Bienenstichallergie zu berücksichtigen sei. Die Maßnahme der verschlossenen Tür wurde erneut als unzulässig erklärt. Nach Auskunft der Einrichtung werde die Tür derzeit offengehalten, was den dritten aus dem Jahr 2020 Betroffenen gefährde. Nun solle eine Gesichtserkennung an der Tür installiert werden. Eine Änderung der Zusammensetzung der Gruppen sei nicht möglich. Im Jahr 2023 lebten in Vorarlberg 51 Menschen zwischen 18 und 64 Jahren (davon drei zwischen 18 und 34 Jahren) mit gemeldeter Bewegungsbeschränkung in Pflegeheimen. In einem Pflegeheim leben zwei jüngere Wachkoma-Patienten. Der jüngere der beiden hat zuvor mehrere Jahre in einer Krankenanstalt verbracht. Der Bewohner wird von der ifs Bewohnervertretung stets freundlich und zugewandt angetroffen, meist in seinem Bett. Im TV läuft oft lautes Kinderprogramm, da er laut Auskunft der Angehörigen Leben um sich brauche. Wiederholt wurde der Mann mit vollständig hochgezogenen Bettgittern angetroffen. Diese wurden jedes Mal, wenn die Bewohnervertretung nach dem Grund fragte, herabgelassen, da er sie nicht brauche. Schließlich wurden sie der Bewohnervertretung aber doch als freiheitbeschränkende Maßnahme gemeldet. Zudem stellte sich die Frage, ob eine jeweils amMontag, Mittwoch und Freitag geplante Mobilisierung in den Rollstuhl, auf die bei jedem Besuch der Bewohnervertretung „vergessen“ worden war, eine Freiheitsbeschränkung durch Unterlassung der Mobilisierung darstellt und dies dem pflegefachlichen Standard nach § 5 Abs 3 HeimAufG entspricht. Der Bewohner ist schließlich auf Dritte angewiesen, wenn er nicht im Bett sein möchte. Die Mutter erwähnte im Gespräch, dass sie ihn gerne öfter zu Spaziergängen im Rollstuhl außer Haus mitnehmen würde. In den vergangenen Jahren war es ihmmöglich, Ja-Nein-Fragen mit Zwinkern oder Kopfschütteln und Nicken zu beantworten. Auf diese Fähigkeit sei nach Auskunft der Mutter aktuell kein Verlass mehr. Der Einrichtungsleiter erklärte, der Bewohner werde auch regelmäßig mit dem Bett aus dem Zimmer geschoben, Einträge im Pflegebericht fanden sich dazu nicht. Das Erstgericht wies den Antrag der Bewohnervertretung auf Prüfung der Zulässigkeit der Maßnahmen ab. Die Begründung hierfür lautete, dass am Bewohner keine freiheitsbeschränkende Maßnahme vorgenommen werden könne, da er nicht zu willkürlichen körperlichen Bewegungen fähig sei. Es fehle ihm an der willkürlichen Bewegungssteuerung und er könne keinen Fortbewegungswillen mehr bilden oder sich entsprechend mitteilen und artikulieren. Nach einem Rekurs der Bewohnervertretung änderte das Landesgericht den Beschluss ab und erklärte das HeimAufG für anwendbar und das Bettgitter für unzulässig. Eine Freiheitsbeschränkung durch unterlassenen Mobilisierung sah das Gericht nicht und wies den diesbezüglichen Antrag ab. Beim Bewohner liege kein zielgerichteter Bewegungsdrang vor. Er werde zwar nicht wie von der Sachverständigen angeregt nach tagesaktueller Überprüfung, sondern nur an bestimmten Wochentagen in den Rollstuhl gebracht, aber auf andere Art und Weise, nämlich mit dem Pflegebett, in den Gemeinschaftsraum geschoben. Es liege daher keine Freiheitsbeschränkung im Sinne des § 3 HeimAufG durch das Unterlassen der täglichen Mobilisierung in den Rollstuhl vor. Der angerufene Oberste Gerichtshof löste zwar den Widerspruch der Anwendbarkeit des HeimAufG auf, indem er darauf verwies, dass die Bewegungsfreiheit nicht selbständig, sondern auch mit fremder Hilfe (z. B. durch Schieben eines Rollstuhls) in Anspruch genommen werden könne und eine Freiheitsentziehung daher gegenüber jedem und jeder, der:die – sei es durch die Hilfe Dritter – die Möglichkeit körperlicher Bewegung und Ortsveränderung habe. Für den OGH stand aber unstrittig fest, dass der Bewohner dreimal in der Woche in den Rollstuhl mobilisiert und zusätzlich mit dem Bett in den Gemeinschaftsraum geschoben werde. Die von der Bewohnervertretung beanstandeten Pflegemaßnahmen stellten laut OGH lediglich genehmere Pflegemaßnahmen dar, die im Rahmen des HeimAufG nicht zu prüfen seien. Es bräuchte aus Sicht der Bewohnervertretung mehr Einrichtungen bzw. Abteilung der Langzeitpflege, in denen auf die Bedürfnisse jüngerer Menschen mit hohem Pflegebedarf eingegangen werden kann. In einzelnen Vorarlberger Pflegeheimen ist dies bereits möglich. ○ Mag. Regina Anhaus Leiterin ifs Bewohnervertretung
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