Jahresbericht 2023 Erwachsenenvertretung Patientenanwaltschaft Bewohnervertretung ifs Vorarlberg Institut für Sozialdienste
Jahresbericht 2023 des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung 2 Verein ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung Fakten Mitglieder 8 natürliche Personen Andrea Bachmayr-Heyda Dominik Denifl, MA Julia Pritzi, MA Mag. Dr. Martina Gasser, MBA Mag. Elisabeth Kern Mag. Susanne Wallner Sabine Pfefferkorn Martin Vaplon Zusammensetzung des Vereinsvorstands Mag. Dr. Martina Gasser, MBA, Obfrau Mag. Elisabeth Kern, Obfraustellvertreterin Dominik Denifl, MA, Finanzreferent Sabine Pfefferkorn, Schriftführerin Leitung Mag. Günter Nägele Mag. Christian Fehr, MSc Mag. Regina Anhaus Sitz des Vereins Interpark Focus 40, 6832 Röthis Geschäftsstellen der ifs Erwachsenenvertretung Poststraße 2 / 4, 6850 Dornbirn für die Gerichtsbezirke Bregenz, Dornbirn und Bezau Johannitergasse 6 / 3, 6800 Feldkirch für die Gerichtsbezirke Feldkirch und Bludenz Öffnungszeiten 08:00–12:00 Uhr Termine nach Vereinbarung Außenstellen ifs Beratungsstelle Bludenz Klarenbrunnstr. 12, 6700 Bludenz ifs Beratungsstelle Bregenz St.-Anna-Straße 2, 6900 Bregenz Geschäftsstelle der ifs Patientenanwaltschaft Valdunastraße 16, 6830 Rankweil Öffnungszeiten 08:00–16:00 Uhr Termine nach Vereinbarung Geschäftsstelle der ifs Bewohnervertretung Poststraße 2 / 4, 6850 Dornbirn Öffnungszeiten Termine nach Vereinbarung 2 Der Verein Fakten 3 Im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit Vorwort der Vereinsobfrau 4 ifs Erwachsenenvertretung In Sachen Mensch 14 ifs Patientenanwaltschaft AufRecht durch die Krise 26 ifs Bewohnervertretung Freiheit. Würde. Sicherheit. 39 Wissenswertes Ein Verein – drei Fachbereiche Impressum: Herausgeber, Verleger und Eigentümer: Verein ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung Interpark Focus 40, 6832 Röthis Redaktion: Mag. Regina Anhaus, Mag. Christian Fehr, MSc, Mag. Günter Nägele, lic.phil. Alexandra Breuß Tel.: 05 1755-500, E-Mail: ifs@ifs.at, www.ifs.at Fotos: Lukas Alton, photocase, Adobe Stock, iStock Grundlayout: atelier stecher Grafische Gestaltung: Mag. Jan Koller April 2024 Inhalt wir helfen weiter
3 Der Verein | Vorwort Im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit Vorwort der Vereinsobfrau Es ist immer wieder eine Herausforderung, die Balance zwischen Freiheit, Würde und Sicherheit zu wahren. Das grundlegende Recht auf Selbstbestimmung, ein zentraler Aspekt der Freiheit, lässt sich nicht immer mit demAnspruch auf höchstmögliche Sicherheit vereinbaren. Um größtmögliche Freiheit zu erreichen, die gleichzeitig Sicherheit gewährleistet und die Würde jedes Einzelnen respektiert, bedarf es großer Sensibilität und anhaltenden Engagements. Menschen und deren Rechte zu vertreten ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Insbesondere die Arbeit von Erwachsenenvertreter:innen, Patientenanwält:innen und Bewohnervertreter:innen erfordert umfangreiche fachliche Kenntnisse sowie Empathie. Tagtäglich agieren sie im Spannungsfeld zwischen Freiheit, Würde und Sicherheit. Dabei setzen sie sich für die Rechte von Menschen ein, die aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen oder psychischer Erkrankungen ihre Angelegenheiten nicht eigenständig regeln können, ohne Gefahr zu laufen, benachteiligt zu werden. Zudem vertreten sie Personen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden oder Zwangsmaßnahmen unterliegen. Der hier vorliegende Jahresbericht 2023 dokumentiert die Arbeit des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung, die damit einhergehenden Herausforderungen und erzielten Erfolge. In der Erwachsenenvertretung stellte die Durchführung der Erneuerungs-Clearings für alle „alten Sachwalterschaften“ bis Ende des Jahres 2023 eine außergewöhnliche Hürde dar, die erfolgreich gemeistert werden konnte. In der Patientenanwaltschaft war die Novelle des Unterbringungsgesetzes, die mit Juli 2023 in Kraft trat, von großer Bedeutung. Diese zielt darauf ab, die Rechte von Patient:innen im psychiatrischen Krankenhaus – besonders jene von Kindern und Jugendlichen – zu stärken und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Die ifs Bewohnervertretung wiederum sah sich mit einer tendenziellen Zunahme an freiheitsbeschränkenden Maßnahmen bei Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf konfrontiert. Gerade in schnelllebigen, komplexen Gesellschaften braucht es Menschen, die sich für andere Zeit nehmen, diese unterstützen, für sie einstehen und deren Rechte geltend machen. Deshalb möchte ich mich als Vereinsobfrau herzlich bei allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung bedanken. Ihr persönlicher und unermüdlicher Einsatz sorgt dafür, dass die Klient:innen gesehen, gehört und in ihrer Würde geachtet werden. Unsere Arbeit wäre nicht möglich ohne die Unterstützung unserer Auftraggeber:innen. Deshalb gilt mein Dank dem Bundesministerium für Justiz, dem Land Vorarlberg und dem Vorarlberger Sozialfonds. Zudem danke ich unseren Kooperationspartner:innen, den Gerichten, dem Landeskrankenhaus Rankweil, den Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen und Einrichtungen zur Pflege und Erziehung von Minderjährigen, für die wertschätzende Zusammenarbeit. ○ Mag.Dr. Martina Gasser, MBA Obfrau des Vereins ifs Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung
Jahresbericht 2023 4 ifs Erwachsenenvertretung In Sachen Mensch Allgemeines Für die ifs Erwachsenenvertretung stand das Jahr 2023 ganz im Zeichen des Erneuerungs-Clearings. Bei Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes wurde bestimmt, dass alle zuvor bestehenden Sachwalterschaften am 1. Juli 2018 von Gesetzes wegen – also sozusagen automatisch – in „gerichtliche Erwachsenenvertretungen“ umgewandelt werden. Für die Erneuerung dieser übergeleiteten „alten Sachwalterschaften“ räumte der Gesetzgeber in den Übergangsbestimmungen eine Frist bis 31. Dezember 2023 ein. Bis zu diesem Zeitpunkt musste das Gericht bei allen bis dahin noch nicht erneuerten „alten Sachwalterschaften“ das Erneuerungsverfahren eröffnen, wobei die Erwachsenenschutz-Vereine jeweils ein Erneuerungs-Clearing durchzuführen hatten. Somit stand die ifs Erwachsenenvertretung vor der umfangreichen Aufgabe, neben den laufend anfallenden Clearingverfahren auch in allen „alten Sachwalterschaften“, von denen in Vorarlberg per 1. Juli 2018 insgesamt 1.980 bestanden, ein Erneuerungs-Clearing durchzuführen. Die möglichst bedarfsgerechte Übernahme der Vertretung von Menschen, für die sonst niemand als Erwachsenenvertreter:in zur Verfügung steht (ErwachsenenvertretungClassic), stellt die Kernaufgabe der ifs Erwachsenenvertretung dar. Da es gilt, die Bedarfsdeckung möglichst lange aufrechtzuerhalten, wurde in Absprache mit den Gerichten bewusst folgender Weg gewählt: Die ifs Erwachsenenvertretung startete erst im Jahr 2021 im großen Umfang mit den Erneuerungsverfahren und steigerte diese in der Folge jährlich: Während im Jahre 2021 insgesamt 183 Erneuerungs-Clearingberichte erstattet wurden, waren es im Jahre 2022 bereits 326 und im Jahre 2023 schließlich 589. So konnte bis 31.12.2023 der überwiegende Teil der Clearingberichte in diesen Erneuerungsverfahren erstattet werden. Dementsprechend stieg die Anzahl an Clearingberichten insgesamt signifikant an: von 728 Clearingberichten im Jahre 2022 auf 1.009 im Jahre 2023. Damit ist die gesetzlich eingeräumte Übergangsphase (überwiegend) abgeschlossen. Statt der früheren (ausschließlich bei Gericht begründeten) Sachwalterschaften bestehen nun einerseits die außergerichtlich begründeten „gewählten“ und „gesetzlichen Erwachsenenvertretungen“, andererseits – soweit es unvermeidlich ist – die bei Gericht begründeten „gerichtlichen Erwachsenenvertretungen“. Ein Ziel des gerichtlichen Erneuerungsverfahrens und damit auch des Erneuerungsclearings war und ist es zu prüfen, ob eine Vertretung tatsächlich notwendig ist und in welcher Vertretungsform diese künftig erfolgen soll. Um der betroffenen Person das höchste Maß an Selbstbestimmung zu ermöglichen, gilt es, bei Vorliegen der Voraussetzungen möglichst die (außergerichtliche) Registrierung einer „gewählten Erwachsenenvertretung“ anzustreben. Aufgrund der Bewältigung dieser außergewöhnlichen Herausforderung im Clearing und dabei insbesondere im „Erneuerungs-Clearing“ musste die ifs Erwachsenenvertretung im Jahr 2023 leider bei der bedarfsgerechten Übernahme von Erwachsenenvertretungen Abstriche machen. In der „Erwachsenenvertretung Classic“ wird der Verein ifs Erwachsenenvertretung selbst als gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt. Bislang war es möglich, diese Aufgabe für alle Personen zu übernehmen, denen keine nahestehende Person zur Verfügung steht oder bei denen nicht überwiegend rechtliche Angelegenheiten (Rechtsanwaltszuständigkeit) zu erledigen sind, und damit für eine Bedarfsdeckung zu sorgen. Leider konnte diese Bedarfsdeckung im Jahr 2023 nicht umfassend gewährleistet werden. Entgegen der langjährigen Praxis musste die ifs Erwachsenenvertretung aus Kapazitätsgründen die Übernahme von Erwachsenenvertretungen ablehnen.
5 ifs Erwachsenenvertretung Daten und Fakten – Auswertung der Dokumentation – Überblick zu allen Tätigkeitsbereichen Im vergangenen Jahr vertraten die ifs Erwachsenenvertreter:innen im Bereich „ErwachsenenvertretungClassic“ insgesamt 713 Klient:innen und erhielten von den Gerichten 1.045 (anzunehmende) Clearingaufträge, wobei insgesamt 1.009 Clearings abgeschlossen wurden. Des Weiteren registrierte die ifs Erwachsenenvertretung die Errichtung von vier Vorsorgevollmachten, 74 gewählten und 167 gesetzlichen Erwachsenenvertretungen. Zudem führte die ifs Erwachsenenvertretung im Rahmen von Beratungen, Schulungen und Vorträgen zu den Themen gewählte/gesetzliche/gerichtliche Erwachsenenvertretung und Vorsorgevollmacht insgesamt 1.009 Beratungen durch und vermittelte in zwei Informationsveranstaltungen Wissen. Gerichtliche Erwachsenenvertretung Zahlenmäßige Veränderungen Die ifs Erwachsenenvertretung übernahm im Rahmen der „Erwachsenenvertretung-Classic“ im Jahr 2023 die Vertretung von insgesamt 713 Personen, was im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang um 4,68 Prozent entspricht. Auch im Hinblick auf die Zahl der Neuzugänge – insgesamt 51 – ist verglichen mit dem Jahr 2022 ein deutlicher Rückgang um 45,16 Prozent zu verzeichnen. Um die hauptberuflichen VereinsErwachsenenvertreter:innen zu entlasten, wurden insgesamt 35 Klient:innen an ehrenamtliche ifs Erwachsenenvertreter:innen, 6 Klient:innen an Angehörige und 7 Personen an Rechtsanwält:innen übergeben. Im Rahmen dieser kapazitätserhaltenden Maßnahmen fanden im Vergleich zum vorangegangenen Jahr deutlich weniger Übergaben an ehrenamt-
Jahresbericht 2023 6 liche Erwachsenenvertreter:innen statt, während deutlich mehr Übergaben an Angehörige und Rechtsanwält:innen erfolgten. In 13 Fällen konnte eine Einstellung des Verfahrens oder eine Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung erreicht werden. Dies entspricht einem Rückgang um 50 Prozent. Mit Stichtag 31.12.2023 wurden insgesamt 635 Klient:innen vertreten, davon 262 durch ehrenamtliche Mitarbeiter:innen. Im Jahr 2023 musste die ifs Erwachsenenvertretung – wie bereits berichtet – bei der bedarfsgerechten Übernahme von Erwachsenenvertretungen leider Abstriche machen. So konnte die Bedarfsdeckung nicht umfassend gewährleistet werden und die ifs Erwachsenenvertretung musste entgegen ihrer langjährigen Praxis die Übernahme von Erwachsenenvertretungen in manchen Fällen aus Kapazitätsgründen ablehnen. Mit 45,08 Prozent (zuletzt erhoben per 01.07.2023) an allen (ständigen) gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Vorarlberg hat die ifs Erwachsenenvertretung im österreichischen Vergleich aber weiterhin einen besonders hohen Anteil. Im vergangenen Jahr erfolgte im Rahmen der „Erwachsenenvertretung-Classic“ in 237 Fällen eine Erneuerung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung. Dies stellt im Vergleich zu 2022 (124 Erneuerungen) eine beachtliche Steigerung um 91 Prozent dar. In 10 Prozent aller von der ifs Erwachsenenvertretung wahrgenommenen Erwachsenenvertretungen (einschließlich Verfahren) musste von den Gerichten ein die Selbstbestimmung am weitesten einschränkender Genehmigungsvorbehalt angeordnet werden. Bezogen auf alle (ständigen) gerichtlichen Erwachsenenvertretungen in Vorarlberg gibt es in 8,77 Prozent der Fälle einen Genehmigungsvorbehalt (zuletzt erhoben per 01.07.2023). Gerichtliche EV Bezirksgericht 2022 2023 Bezau 20 24 Bludenz 119 120 Bregenz 169 164 Dornbirn 148 135 Feldkirch 203 191 anderes Gericht 3 1 662 635 * jeweils per 31.12. Erwachsenenvertretung-Classic 2022 2023 Klient:innen insgesamt (01.01. – 31.12.) 748 713 -4,68% gerichtliche Bestellungen (Neuzugänge) 93 51 -45,16% übergeben an Ehrenamtliche 52 35 -32,69% übergeben an Externe 7 17 +142,86% Einstellung/Beendigung 26 13 -50,00% Tod 51 48 -5,88% Betreuungsstellen (Ø) 13,99* 14,97* +7,01% Klient:innen pro Arbeitskapazität (Ø) 53,47 47,63 -10,92% Klient:innen per 31.12. 662 635 -4,08% davon Rechtsbeistandschaft im Verfahren 23 15 -34,78% davon Erwachsenenvertretungen hauptberuflich 385 358 -7,01% davon Erwachsenenvertretungen ehrenamtlich 277 262 -5,42% Klient:innen pro bestelltem EA-EV (Ø) 1,91 1,86 -2,62% Betreuungsstellen 14,24* 15,10* +6,04% Klient:innen pro Betreuungsstelle (Ø) 46,49 42,05 -9,55% *kurzfristige Erhöhung durch vorgezogene Nachbesetzung, Prozentzahlen gerundet
7 ifs Erwachsenenvertretung Gerichtliche Anfragen auf Übernahme (oder Clearing) Im Jahr 2023 übermittelten die fünf Vorarlberger Bezirksgerichte insgesamt 1.061 Fälle an die ifs Erwachsenenvertretung und ersuchten diese, entweder direkt die gerichtliche Erwachsenenvertretung zu übernehmen oder ein Clearing durchzuführen. Eine direkte Übernahme ohne vorherige Durchführung eines Clearings erfolgte in 2 Fällen. In 14 Fällen war der Clearingauftrag nicht anzunehmen (z. B. wegen Ablebens der betroffenen Person). Es verblieben daher im Berichtsjahr insgesamt 1.045 (anzunehmende) Clearingaufträge. Klient:innenbezogene Auswertung der Dokumentation der gerichtlichen Erwachsenenvertretung Die Dokumentation umfasst alle Fälle, für die 2023 die ifs Erwachsenenvertretung als gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt war (ErwachsenenvertretungClassic). Die Prozentangaben beziehen sich jeweils auf die Anzahl der betreuten Klient:innen im Berichtsjahr (Gesamtzahl 2023: 713 Klient:innen, Neubestellungen 2023: 51 Klient:innen). Altersstruktur in gerichtlicher Erwachsenenvertretung Entgegen häufiger Annahmen betrug der Anteil an hochbetagten Klient:innen lediglich 21 Prozent, weitere 16 Prozent waren zwischen 65 und 74 Jahre alt. Der größte Teil der Klient:innen – insgesamt 63 Prozent – war unter 65 Jahre alt. Bei gesonderter Betrachtung der Neuzugänge wird deutlich, dass der Anteil an hochbetagten Klient:innen (ab 75 Jahren) mit 33 Prozent deutlich höher war. Geschlechterverteilung Im Berichtsjahr vertrat die ifs Erwachsenenvertretung im Bereich Erwachsenenvertretung-Classic 47 Prozent weibliche und 53 Prozent männliche Klient:innen. Initiative für Bestellung In 78 Prozent aller Neuzugänge ging die Initiative für die Bestellung einer von der ifs Erwachsenenvertretung Gerichtliche Anfragen 2022 2023 Anfragen insgesamt 771 1.061 +37,61% Direkte Übernahmen 6 2 -66,67% Direkte Ablehnungen 28 14 -50,00% bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , bis Jahre , und darüber , Altersstruktur Gesamtzahl 2023 Zugänge 2023 bis 24 Jahre 27 3,78% 6 11,76% 25 bis 34 Jahre 68 9,54% 4 7,84% 35 bis 44 Jahre 96 13,46% 6 11,76% 45 bis 54 Jahre 108 15,15% 4 7,84% 55 bis 64 Jahre 152 21,32% 9 17,66% 65 bis 74 Jahre 112 15,71% 5 9,80% 75 und darüber 150 21,04% 17 33,34%
Jahresbericht 2023 8 wahrgenommenen gerichtlichen Erwachsenenvertretung von einer Institution wie einem Pflegeheim, Krankenhaus, Amt (z. B. Bezirkshauptmannschaft, Gemeinde, Gericht), einem Notariat oder einer professionellen psychosozialen Betreuungseinrichtung aus. Angehörige regten nur mehr bei 20 Prozent der Neuzugänge eine gerichtliche Erwachsenenvertretung an. Gründe für Bestellung Grund für die Einrichtung einer von der ifs Erwachsenenvertretung wahrgenommenen Erwachsenenvertretung war in 57 Prozent der Fälle eine psychische Erkrankung oder eine Mehrfacherkrankung. In 31 Prozent lag eine intellektuell-kognitive Beeinträchtigung der Klient:innen vor, eine diagnostizierte Demenzerkrankung bei 12 Prozent. Aufgabenbereiche der gerichtlichen Erwachsenenvertretung Der jeweilige Aufgabenbereich für jede einzelne (ständige) gerichtliche Erwachsenenvertretung wird in einem Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts bestimmt. Eine Erwachsenenvertretung für „alle Angelegenheiten“ gab es im Vorjahr nur noch in 0,72 Prozent aller Fälle, denn dem Gericht ist es seit Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes nicht mehr erlaubt, diese Art der Vertretung neu zu beschließen. Aus diesem Grund wird es die Erwachsenenvertretung für „alle Angelegenheiten“ spätestens nach Abschluss der entsprechenden Erneuerungsverfahren nicht mehr geben. Ehrenamtliche oder hauptberufliche Vertretung (einschließlich Verfahren) Die hauptberuflichen Erwachsenenvertreter:innen vertraten per 31.12.2023 rund 59 Prozent der Klient:innen und die ehrenamtlichen 41 Prozent. Somit stellen die (per 31.12.2023) 141 ehrenamtlichen Erwachsenenvertreter:innen eine ganz wesentliche Stütze der ifs Erwachsenenvertretung dar und gewährleisten eine ganz persönliche Betreuung ihrer Klient:innen. Gründe für Bestellung Gesamtzahl 2023 Zugänge 2023 Demenz 80 11,98% 8 29,63% Kognitive Beeinträchtigung 209 31,29% 11 40,74% Psychische Erkrankung 379 56,73% 8 29,63% Prozentzahlen gerundet Initiative für Bestellung Gesamtzahl 2023 Zugänge 2023 Anregung Institution 516 72,37% 40 78,43% Anregung nahestehende Person 146 20,48% 10 19,61% Eigene Antragstellung 51 7,15% 1 1,96% Prozentzahlen gerundet
9 ifs Erwachsenenvertretung Clearing/Abklärung Die fünf Vorarlberger Bezirksgerichte übermittelten im Berichtsjahr insgesamt 1.061 Fälle zur Durchführung eines Clearings (oder mit der Anfrage auf direkte Übernahme) an die ifs Erwachsenenvertretung. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer beachtlichen Steigerung um 38 Prozent. In zwei Fällen erfolgte eine direkte Übernahme ohne Durchführung eines Clearings. Direkt abgelehnt bzw. zurückgelegt wurde der Clearingauftrag in 14 Fällen, vor allem da die betroffenen Personen zwischenzeitlich verstorben waren. 1.009 der im Jahr 2023 insgesamt 1.045 durchgeführten Clearingverfahren konnten mit einem Clearingbericht abgeschlossen werden. Somit wurden 2023 um 39 Prozent mehr Clearingberichte erstattet als 2022. In 80 Fällen bzw. in 7,9 Prozent aller erledigten Clearingaufträge konnte die ifs Erwachsenenvertretung selbst die Registrierung einer gewählten oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) vornehmen. In diesen Fällen bedurfte es in der Regel keines ausführlichen Clearingberichtes (in Langform), ein Clearingbericht in Kurzform war ausreichend. In 24 Prozent der abgeschlossenen Clearings – mit ausführlichem Clearingbericht oder gekürztem Clearingbericht (bei unmittelbar anschließender Registrierung durch die ifs Erwachsenenvertretung) – wurde die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens empfohlen. Dies bestätigt Auswertung der Dokumentation Clearing 2022 2023 Anfragen 771 1.061 nach Gerichten Bregenz 222 282 Bezau 32 92 Bludenz 152 102 Dornbirn 153 184 Feldkirch 211 397 anderes Gericht 1 2 Erstellte Clearingberichte 728 1.009 davon im Erneuerungsclearing 326 589 Registrierung aus Clearing 60 80 Beendigung / kein Verfahren 201 244 keine Krankheit 15 16 Vorsorgevollmacht möglich 4 1 keine Angelegenheiten 35 35 andere Hilfen 61 73 gesetzliche EV möglich 36 56 gewählte EV möglich 39 48 Tod 3 5 Sonstiges 8 10 Erwachsenenvertretungs-Verfahren nur Verfahren 53 56 einstweilige Erwachsenenvertretung 136 135 bestehende EV fortsetzen 305 515 Vorgeschlagene Erwachsenenvertreter:in nahestehende Person 131 273 Rechtsanwalt:anwältin/Notar:in 115 168 ifs Erwachsenenvertretung 225 246 kein Vorschlag 3 3
Jahresbericht 2023 10 deutlich, dass die Durchführung von Clearings (allenfalls mit gleich anschließender Registrierung im ÖZVV) wesentlich zu einer Reduktion der Zahl an gerichtlichen Erwachsenenvertretungen beiträgt. Die Fortsetzung des Verfahrens oder die Weiterführung einer bereits bestehenden gerichtlichen Erwachsenenvertretung wurde in den restlichen 76 Prozent der Fälle empfohlen. Da weder eine tragfähige „Alternative“ zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestand noch eine andere als Erwachsenenvertreter:in geeignete Person aus dem Kreis der Angehörigen oder Nahestehenden verfügbar war, wurde in 246 Clearing-Fällen (einschließlich Erneuerungsclearings) angeregt, die ifs Erwachsenenvertretung als Rechtsbeistand im Verfahren oder als gerichtliche Erwachsenenvertreterin zu bestellen. Aus Kapazitätsgründen achtete die ifs Erwachsenenvertretung weiterhin auf die Abgrenzung gegenüber Angehörigen und Nahestehenden sowie gegenüber Rechtsanwält:innen und Notar:innen. Der Anteil der als gerichtliche Erwachsenenvertreter:innen empfohlenen Angehörigen/Nahestehenden erhöhte sich dabei im Vergleich zum Vorjahr deutlich auf 40 Prozent. Unverändert zeigte sich der Anteil der Rechtsanwält:innen/Notar:innen mit 24 Prozent, während sich jener der ifs Erwachsenenvertretung auf 36 Prozent verringerte. In 628 Fällen wurde eine Abklärung bereits bestehender gerichtlicher Erwachsenenvertretungen vorgenommen, davon 589 im Erneuerungsverfahren. Damit stiegen die Erneuerungsclearings um beachtliche 81 Prozent an. Dabei wird im Erneuerungsverfahren insbesondere geprüft, ob die jeweilige gerichtliche Erwachsenenvertretung tatsächlich noch notwendig ist, ob stattdessen eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung registriert werden kann oder wer allenfalls die jeweilige gerichtliche Erwachsenenvertretung übernehmen könnte. Nach dem Erneuerungsclearing wurde in 15 Prozent dieser Fälle die Beendigung einer (bestehenden) gerichtlichen Erwachsenenvertretung angeregt. Die Entscheidungen der Pflegschaftsrichter:innen der fünf Vorarlberger Bezirksgerichte stimmten erfreulicherweise in hohemMaße mit den Empfehlungen der ifs Erwachsenenvertretung in den Clearingberichten überein. Registrierung im ÖZVV Die ifs Erwachsenenvertretung als Erwachsenenschutzverein für Vorarlberg stellt eine jener Institutionen dar, die zur Registrierung im Österreichischen Zentralen VertreÜbersicht der Registrierungen im ÖZVV 2022 2023 Errichtung gewählte EV 73 27,97% 74 30,71% Errichtung gesetzliche EV 188 72,03% 167 69,29% positive EV-Verfügung 1 - 0 - negative EV-Verfügung 0 - 0 - Errichtung Vorsorgevollmacht 19 - 4 - Registrierungen insgesamt 315 - 284 - Prozentzahlen gerundet . Erneuerungsclearing Clearing gesamt Clearing 2018 bis 2023
11 ifs Erwachsenenvertretung tungsverzeichnis (ÖZVV) berechtigt sind. Insgesamt 284 Registrierungen – um 9,84 Prozent weniger als im Jahr zuvor – wurden 2023 vorgenommen. So wurde die Errichtung von vier Vorsorgevollmachten, 74 gewählten und 167 gesetzlichen Erwachsenenvertretungen registriert. Die im Sinne der Selbstbestimmung besonders wünschenswerte Registrierung einer gewählten Erwachsenenvertretung war somit in 31 Prozent aller bei der ifs Erwachsenenvertretung errichteten Erwachsenenvertretungen möglich. Beratungen und Vorträge Mit Beratung und gezielter Öffentlichkeitsarbeit werden psychosoziale Einrichtungen und Angehörige über die Erwachsenenvertretung sowie deren Alternativen aufgeklärt; dies unter anderem auch mit dem Ziel, dass die Einrichtung einer Erwachsenenvertretung nur in unbedingt notwendigen Fällen erfolgt. In den Besprechungen mit Institutionen und im Rahmen von Informationsveranstaltungen galt es auch, das geltende Erwachsenenschutzgesetz vorzustellen und Kenntnisse zu den vier Vertretungsformen des Erwachsenenschutzgesetzes zu vermitteln. Errichtung gewählte EV Errichtung gesetzliche EV . . Übersicht Beratungen 2013 bis 2023
Jahresbericht 2023 12 Beratungen Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 1.009 Beratungen dokumentiert. Damit konnte die Anzahl im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gesteigert werden. Diese beachtliche Menge an Beratungen lässt sich mit der Funktion der ifs Erwachsenenvertretung im obligatorischen Bestellungsclearing und als Registrierungsstelle erklären. Dank dieser beiden Aufgaben erreicht die ifs Erwachsenenvertretung eine sehr hohe Anzahl künftiger Erwachsenenvertreter:innen aus dem Kreis der Angehörigen und Nahestehenden. Stellen sich diesen im Rahmen der anschließenden Führung von Erwachsenenvertretungen Fragen, wenden sie sich wieder an die ihnen bereits bekannten Mitarbeiter:innen der ifs Erwachsenenvertretung. Vorträge Im Berichtsjahr fanden zwei Informationsveranstaltungen statt, in denen die ifs Erwachsenenvertretung über die Themen Vorsorgevollmacht, gewählte/gesetzliche/gerichtliche Erwachsenenvertretung sowie ganz allgemein über das Erwachsenenschutzgesetz informierte. Fachaufsicht/Regionalleitung Die ifs-interne Kontrolle der Pflegschaftsberichte im Sinne eines qualifizierten Vier-Augen-Prinzips ist ein wesentliches Instrument, um die Fachlichkeit im Fachbereich „Erwachsenenvertretung-Classic“ sicherzustellen. Die zuständige Regionalleitung kontrolliert die Pflegschaftsberichte und damit die interne Rechnungslegung der hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Aktuell wird die Funktion der Regionalleitung für Bregenz von Mag. Gertrud Dünser, jene für Dornbirn von Dr. Mai Salzmann, jene für Feldkirch von Maria Schnetzer, BA, und jene für Bludenz von Mag. Michaela Reiner wahrgenommen. Um den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zur Personensorge, der Intention der UN-Behindertenrechtskonvention sowie dem Erwachsenenschutzgesetz gerecht zu werden, enthält die Schreibvorlage „Pflegschaftsbericht“ im Kapitel „Lebenssituationsbericht“ folgende Unterpunkte: - Häufigkeit bzw. Intervalle der persönlichen und telefonischen Kontakte - Ziele und Planung - Alternativen zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bzw. Notwendigkeit der Vereins-Erwachsenenvertretung - Notwendigkeit eines Genehmigungsvorbehalts Auch wenn die ifs Erwachsenenvertretung mittlerweile in vielen Fällen von der laufenden Rechnungslegung gegenüber dem Gericht befreit ist, übermittelt sie dem Gericht mit dem „Pflegschaftsbericht“ nach wie vor – ohne gesetzliche Verpflichtung – in jedem Fall auch einen „Vermögensbericht“. Ziel ist dabei die Herstellung von Transparenz. Die ifs Erwachsenenvertretung weist jene Klient:innen, die im Rahmen der „ErwachsenenvertretungClassic“ vertretenen werden, auf die Beschwerdemöglichkeiten hin. Die Klient:innen erhalten direkte und schriftliche Informationen, dass in ihrer Sache bestimmte ehrenamtliche oder hauptberufliche Mitarbeiter:innen für die ifs Erwachsenenvertretung tätig sind. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, bei Bedarf ein Gespräch mit der jeweils vorgesetzten Person zu suchen. Jahresschwerpunkte Erneuerungsverfahren bei „alten Sachwalterschaften“ Wie im Abschnitt „Allgemeines“ zu Beginn dieses Berichtes ausführlich beschrieben, stand die ifs Erwachsenenvertretung vor der großen Aufgabe, neben laufenden Clearingverfahren auch in allen „alten Sachwalterschaften“ ein ErneuerungsClearing durchzuführen. Somit war im Jahr 2023 ein signifikanter Anstieg von Erneuerungs-Clearings zu verzeichnen – von 326 Clearingberichten im Erneuerungsverfahren im Jahre 2022 auf 589 im Jahre 2023. Ressourcen Es sind entsprechende finanzielle Mittel erforderlich, um die durch das Erwachsenenschutzgesetz festgelegten Aufgaben der Erwachsenenschutz-Vereine zu erfüllen. Leider ist es mit den Mitteln, die dem Justizministerium für die ifs Erwachsenenvertretung zur Verfügung stehen, nicht möglich, ausreichend Personal einzustellen, um die vorgesehenen Aufgaben vollumfänglich umzusetzen. Folglich konnte die Errichtung und Registrierung von Vorsorgevollmachten im Jahr 2023 aus Kapazitätsgründen nur in sehr begrenztem Umfang erfolgen. Die signifikant gestiegene Zahl an Erneuerungsverfahren – insbesondere für die mit 31.12.2023 befristeten „alten Sachwalterschaften“ – haben die Kapazitäten der ifs Erwachsenenvertretung deutlich gebunden, sodass die bisher gewohnte Bedarfsdeckung bei der Übernahme von Erwachsenenvertretungen im Berichtsjahr nicht mehr aufrechterhalten werden konnte.
13 ifs Erwachsenenvertretung Ehrung langjähriger ehrenamtlicher ifs VereinsErwachsenenvertreter:innen Am 6. Oktober 2023 fand das traditionelle Herbstfest der ifs Erwachsenenvertretung statt. Im feierlichen Rahmen konnten Landesrätin Martina Rüscher, MBAMSc, Vereinsobfrau und ifs Geschäftsführerin Dr. Martina Gasser und der Leiter der ifs Erwachsenenvertretung Mag. Günter Nägele insgesamt 94 ehrenamtliche ifs VereinsErwachsenenvertreter:innen begrüßen und deren Engagement würdigen. Nach einem für die Veranstaltung maßgeschneiderten kabarettistischen Beitrag von Markus Linder bot ein gemeinsames Abendessen im Spinnsaal in der Fabrik Klarenbrunn in Bludenz den geeigneten Rahmen, um den zahlreichen ehrenamtlichen ifs VereinsErwachsenenvertreter:innen für deren Einsatz zu danken. Ein besonderer Dank gilt für 10 Jahre Engagement: Sabine Lohmeyer, Andrea Schmid, Michael Ladinek, Kurt Engstler für 20 Jahre Engagement: Margit Oberhuber, Judith Wolfgang, Waltraud Giselbrecht, Walter Oberhuber, Evelyn Grebenz, Kurt Peter, Christine Platzer-Zacharia für 30 Jahre Engagement: Franziska Oberhauser Für 35 Jahre Engagement: Edeltraud Kasper Martina Rüscher, Martina Gasser und Günter Nägele überreichten den Jubilar:innen eine kleine Anerkennung. ○ Mag. Günter Nägele Leiter ifs Erwachsenenvertretung
Jahresbericht 2023 14 Allgemeines Im Juli 2023 trat die Novelle des Unterbringungsgesetzes (UbG) in Kraft. Vordergründiges Ziel dieser Reform war und ist die Stärkung der Patient:innenrechte, vor allem auch der Rechte für Kinder und Jugendliche. Werden Menschen gegen ihren Willen in die Psychiatrie eingewiesen, wird mit der Novelle des UbG gewährleistet, dass alle an der Einweisung Beteiligten – Polizei, Pool- bzw. Amtsärzt:innen und Ärzt:innen der psychiatrischen Abteilungen – ein persönliches Gespräch mit der Patientin bzw. dem Patienten führen. Zudem haben Patient: innen nun auch die Möglichkeit, eine Vertretung oder eine Vertrauensperson namhaft zu machen, und müssen auf dieses Recht hingewiesen werden. Die von der UN-Behindertenrechtskonvention geprägten Regelungen ifs Patientenanwaltschaft AufRecht durch die Krise
15 ifs Patientenanwaltschaft sind auch für untergebrachte Patient:innen maßgeblich. Entscheidungsfähige Patient:innen dürfen daher stets nur mit ihrer Einwilligung behandelt werden. Fehlt es an der Entscheidungsfähigkeit, so hat der:die behandelnde Ärzt:in die Pflicht, Personen beizuziehen, welche die Patient: innen bei der Erlangung der Entscheidungsfähigkeit unterstützen. Auf Verlangen muss das Gericht immer über die Zulässigkeit einer medizinischen Behandlung entscheiden. Des Weiteren zielt die Reform des UbG darauf ab, mehr Rechtssicherheit zu schaffen und durch eine stärkere Vernetzung den Informationsaustausch zwischen den beteiligten Organisationen zu erhöhen. Ausgebaut wurden die Verständigungs- und Informationsverpflichtungen der behandelnden Ärzt:innen. Sowohl bei Beginn als auch bei Aufhebung der Unterbringung müssen Angehörige, die im gemeinsamen Haushalt leben, Einrichtungen, in denen die Patient:innen betreut werden, sowie gewählte und gesetzliche Vertreter:innen informiert werden. Vor Aufhebung der Unterbringung sind die Ärzt:innen verpflichtet, ein Abschlussgespräch mit den Patient:innen zu führen und sich um eine Betreuung nach Aufhebung der Unterbringung zu kümmern. Des Weiteren sollen mit den neuen Bestimmungen auch die speziellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen stärker berücksichtigt werden. Daten und Fakten – Auswertung der Dokumentation Die ifs Patientenanwaltschaft vertrat im Jahr 2023 insgesamt 1.205 Patient:innen im Unterbringungsverfahren (1.165 neue Unterbringungszahlen plus 40 untergebrachte Patient:innen aus 2022). Dies entspricht dem Durchschnitt der letzten Jahre, stellt jedoch im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um 10 Prozent dar. Keine gravierenden Änderungen ergaben sich bei den Unterbringungen pro Person sowie den Mehrfachunterbringungen. Dauer der Unterbringung Auch im Jahr 2023 setzte sich die Tendenz zu kurzen Unterbringungen weiter fort. Nach vier Tagen konnten 48 Prozent der Unterbringungen aufgehoben werden (2002 waren es lediglich 23 Prozent). Insgesamt war zu beobachten, dass die Unterbringungen sukzessive aufgehoben wurden, sodass nach 18 Tagen nur noch 17 Prozent der Unterbringungen aufrecht waren. Gerichtstermine Mit der beschriebenen Entwicklung ging auch ein weiterer Rückgang an Gerichtsterminen einher. Im Vergleich zum letzten Jahr fanden um 8 Prozent weniger Gerichtstermine (Erstanhörungen und Tagsatzungen) statt. Die erste Überprüfung der Unterbringung (Erstanhörung) nach spätestens vier Tagen wurde nur noch bei 55 Prozent der untergebrachten Patient:innen durchgeführt. Eine Tagsatzung nach spätestens 14 Tagen mit Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erfolgte bei 25 Prozent der Patient:innen. Tage Tage Tage bis Tage Tag Tage Tage Tage bis Monat bis Monate bis Jahr Dauer der Unterbringung
Jahresbericht 2023 16 Laut Einschätzung der ifs Patientenanwaltschaft sind die immer kürzer werdenden Unterbringungen und der Rückgang an Gerichtsterminen auf die rasche Aufhebungspraxis der Fachärzt:innen zurückzuführen. Diese hoben die Unterbringung, sobald die Voraussetzungen wegfielen, von sich aus auf. Zudem waren viele Patient:innen mit einem freiwilligen Aufenthalt einverstanden, da keine freien Plätze in betreuten Wohnformen verfügbar und somit faktisch keine Alternativen zum stationären Aufenthalt gegeben waren. Des Weiteren hingen die kürzeren Unterbringungen aber auch mit der Ressourcenknappheit und den damit einhergehend fehlenden Belegmöglichkeiten in allen drei Abteilungen zusammen. Aufgrund des Personalmangels konnten Anfang 2023 über 50 Betten nicht belegt werden. Das führte dazu, dass viele Unterbringungen rasch aufgehoben und die Patient:innen entlassen wurden oder wegen des Bettenmangel erst gar nicht aufgenommen werden konnten. Verlängerung der Unterbringung Eine Verlängerung der Unterbringung erfolgte unverändert selten. Das Landeskrankenhaus Rankweil beantragte im Jahr 2023 insgesamt 41 Verlängerungen. Anzahl der Unterbringungen pro Person 2019 2020 2021 2022 2023 1 612 578 578 656 587 2 110 129 106 119 118 3 31 34 33 42 30 4 12 14 8 11 15 5 7 6 10 12 7 mehr als 5 12 5 7 16 15 Anzahl der Unterbringungen 2019 2020 2021 2022 2023 (01.01. bis 31.12.) 1.160 1.103 1.067 1.289 1.165 Gerichtstermine 2019 2020 2021 2022 2023 Erstanhörung 699 734 664 715 648 Tagsatzung 326 290 277 312 294 Gerichtstermine gesamt 1.025 1.024 941 1.027 942 Anzahl beantragter Verlängerungen 2019 2020 2021 2022 2023 53 40 27 33 41 in Prozent zur Gesamtzahl an UB 4,5% 3,6% 2,5% 2,5% 3,5%
17 ifs Patientenanwaltschaft Psychische Krankheit (Angaben Erstanhörung) Die Krankheitsbilder der untergebrachten Patient:innen gestalteten sich als sehr heterogen. Am häufigsten diagnostizierten die Fachärzt:innen bei der Unterbringungsuntersuchung oder der Erstanhörung eine „Akute Intoxikation“ (23 Prozent) und eine „Störung durch psychotrope Substanzen“ (19 Prozent). Eine „Akute psychotische Störung“ wurde in 18 Prozent und eine „Schizophrene Psychose“ in 13 Prozent der Unterbringungen als Diagnose angeführt. Deutlich seltener waren „Affektive Psychosen“ („Manische Episode“ und „Depressive Episode“). In Bezug auf die Diagnose der „Persönlichkeits-/Verhaltensstörungen“ mit einem hohen Anteil vom Borderline-Typ konnte in den letzten Jahren die größte Steigerung beobachtet werden. Während diese Diagnose im Jahr 2019 lediglich in 67 Fällen gestellt wurde, waren es 2023 insgesamt 136 Fälle. Psychische Krankheit (Angaben Erstanhörung) 2023 Organische Störung 153 13% Verschiedene Formen der Demenz 224 19% Delir 38 3% Störung durch psychotrope Substanzen 224 19% Akute Intoxikation 273 23% Entzugssyndrom 12 1% Amnestisches (Korsakov) Syndrom 14 1% Schizophrene Psychose 157 13% Wahnhafte Störung 23 2% Akute psychotische Störung 219 18% Schizoaffektive Psychose 115 10% Manische Episode 66 5% Depressive Episode 72 6% Verhaltensauffälligkeiten (Essstörungen) 11 1% Persönlichkeits-/Verhaltensstörung 136 11% Intelligenzminderung 41 3% Störung des Sozialverhaltens & der Gefühle 17 1% Mehrfachnennungen möglich, Prozentzahlen gerundet Delir Amnestisches (Korsakov) Syndrom Schizophrene Psychose Depressive Episode Akute psychotische Störung Schizoaffektive Psychose Organische Störung Verhaltensauffälligikeiten (Essstörungen) Versch. Formen der Demenz Akute Intoxikation Entzugssyndrom Wahnha e Störung Persönlichkeitsstörung/ Verhaltensstörung Intelligenzminderung Störungen durch psychotrope Substanzen 19% Manische Episode 5% Störung des Sozialverhaltens & der Gefühle Prozentzahlen gerundet
Jahresbericht 2023 18 Altersstruktur Im Alterssegment der 0- bis 17-jährigen Patient:innen, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt werden, wurden 2023 lediglich 48 Unterbringungen durchgeführt (Rückgang um 20 Prozent). Wie bereits 2022 war im Vergleich mit dem Jahr 2021 im Alterssegment zwischen 18 und 40 Jahren eine erhebliche Steigerung der Unterbringungen zu verzeichnen (371 Patient:innen im Jahr 2021, 475 Patient:innen im Jahr 2023). Im Alterssegment ab 71 Jahren hat sich die Gesamtzahl an Unterbringungen hingegen wenig verändert. Soziale Situation vor der Unterbringung Die Patient:innen wurden – wie auch in den Vorjahren – am häufigsten vom allgemeinen Krankenhaus zugewiesen, wobei die Weiterbehandlung zumeist auf den gerontopsychiatrischen Stationen erfolgte. Weniger oft zugewiesen und untergebracht wurden Patient:innen aus einer betreuten Wohnform. Dies lässt sich dahingehend interpretieren, dass die Mitarbeiter:innen in den betreuten Wohnformen gute Arbeit leisten, indem auftretende Krisen möglichst in der Einrichtung selbst auffangen werden. Soziale Situation vor der Unterbringung 2022 2023 Keine Betreuung 228 18% 177 15% Betreuung durch nahestehende Person(en) 151 12% 163 13% Arzt:Ärztin für Allgemeinmedizin 59 4,5% 57 5% Facharzt:ärztin 104 8% 70 6% Ambulanter Fachdienst 170 13% 155 13% Alters-/Pflegeheim 65 5% 53 4% Allgemeines Krankenhaus 271 21% 244 20% Betreute Wohnform 42 3% 37 3% Freiwilliger Aufenthalt 158 1% 119 10% Mehrfachnennungen möglich, Prozentzahlen gerundet Facharzt:ärztin Allgemeines Krankenhaus Betreute Wohnform Ambulanter Fachdienst Keine Betreuung Betreuung durch nahestehende Person(en) Arzt:Ärztin für Allgemeinmedizin Alters-/Pflegeheim Freiwilliger Aufenthalt Prozentzahlen gerundet Betreuungssituation vor der Unterbringung bis Jahre bis Jahre bis Jahre bis Jahre bis Jahre bis Jahre bis Jahre bis Jahre über Jahre Altersstruktur Prozentzahlen gerundet
19 Zuweisungen Weiterhin sehr gut funktioniert die aktuelle „Poolärztelösung“. Das sogenannte „Vorarlberger Modell“ wurde mittlerweile in der Novelle zum UbG gesetzlich verankert. Insgesamt 33 Prozent der untergebrachten Patient:innen wurden 2023 von einem:einer im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt:Ärztin mit Bescheinigung gem. § 8 UbG eingewiesen. Die Ärzt:innen sind rund um die Uhr erreichbar und können die persönlichen Gespräche ifs Patientenanwaltschaft Zuweisung 2021 2022 2023 Freiwillig 190 18% 240 19% 221 18% Justizwache 4 <1% 5 <1% 3 <1% Einweisung durch im öffentlichen Sanitätsdienst stehende:n Arzt:Ärztin 322 30% 455 35% 403 33% Polizei (Gefahr in Verzug) 8 1% 17 1,3% 17 1,5% Sonstige Einweisung 429 40% 504 39% 468 39% Nicht bekannt 84 8% 59 5% 45 4% Prozentzahlen gerundet Sonstige Einweisung Freiwillig Einweisung Arzt:Ärztin im öffentlichen Sanitätsdienst Nicht bekannt Polizei (Gefahr in Verzug) , Justizwache < Prozentzahlen gerundet Zuweisungen mit den Patient:innen, deren Angehörigen und wenn vorhanden mit den Mitarbeiter:innen der psychiatrischen Einrichtungen unmittelbar vor Ort bzw. in der anliegenden Polizeidienststelle führen. Unverändert kam der Großteil der untergebrachten Patient:innen ohne Bescheinigung zur Aufnahme (Sonstige Einweisung). Einerseits waren dies Patient:innen, die freiwillig zur Aufnahme kamen, andererseits Patient:innen, die nicht in der Lage waren, über ihre Zu- oder Einweisung selbst zu entscheiden. Am häufigsten erfolgten die Zuweisungen vom allgemeinen Krankenhaus, wobei die Patient:innen und/oder deren Angehörige vielfach nicht über die geplante Zuweisung ins psychiatrische Krankenhaus informiert wurden. Erfreulich ist, dass nach wie vor nur wenige Einweisungen bei Gefahr in Verzug erfolgen. Lediglich 17 Patient:innen wurden im Jahr 2023 ohne ärztliche Bescheinigung durch die Polizei direkt ins LKH Rankweil eingewiesen.
Jahresbericht 2023 20 Dokumentation der Beratungen Die ifs Patientenanwaltschaft führte 2023 insgesamt 110 Beratungen und Vertretungen von nicht untergebrachten Patient:innen durch. Die meisten Beratungen bezogen sich auf allgemeine Fragen zumAufenthalt im Krankenhaus und zur Unterbringung. Durchführung der Gerichtstermine im Unterbringungsverfahren Auszugsweise ist im Folgenden eine Zusammenfassung der im Berichtsjahr 2023 ergangenen Entscheidungen des Unterbringungsgerichts zu finden. - Die pauschale und generelle Anordnung einer Videoüberwachung in einem Vierbettzimmer ohne individuelle Prüfung der Voraussetzungen bei jedem Patienten wurde als problematisch erachtet und für unzulässig erklärt. Es liege laut Bezirksgericht Feldkirch „zwar eine Selbst- und Fremdgefährdung vor, allerdings nicht in einem solchen Ausmaß, dass lebenswichtige Interessen betroffen wären“ (BG Feldkirch 02.03.2023 14 UB 90/23h). - Eine Entscheidung betraf die Rolle und den Aufgabenbereich von Mitarbeiter:innen eines privaten Sicherheitsdienstes bei der Durchführung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Nach bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung dürfen Mitarbeiter:innen eines privaten Sicherheitsdienstes von der Krankenanstalt weder dazu beauftragt werden, Patient:innen beim Verlassen der Station zurückzuhalten oder sie durch Androhung daran zu hindern, noch dürfen sie bei der Anlegung von Fixierungsmaßnahmen behilflich sein. Für unzulässig erklärt wurde die Anordnung der Fachärztin, die Patientin dürfe die Station nicht verlassen, da sie zu diesem Zeitpunkt auf freiwilliger Basis behandelt wurde, ebenso wie die Mitteilung des Mitarbeiters des privaten Sicherheitsdienstes an die Patientin, sie dürfe die Station nicht verlassen (BG Feldkirch 06.02.2023, 389 UB 47/23v). - Zudem überprüfte das Bezirksgericht wiederholte Fixierungsmaßnahmen mittels Vierpunktfixierung bei einer Patientin. Diese suchte aufgrund ihrer örtlichen, zeitlichen und situativen Desorientierung immer wieder andere Patientenzimmer auf, verkannte die Situation und störte Mitpatient:innen beim Schlafen. Die Vierpunktfixierungen wurde nachträglich für unzulässig erklärt. Eine erhebliche Selbstgefährdung der Patientin habe nicht vorgelegen, „da die bloße höhere Wahrscheinlichkeit eines Sturzgeschehens aufgrund einer Tag-Nacht-Umkehr mit Übermüdungszunahme für eine erhebliche Selbstgefährdung nicht ausreicht“. Auch hätte es gelindere Mittel wie eine Raumisolierung oder ein elektronisches Türschließsystem zur Verhinderung des Betretens anderer Patientenzimmer gegeben (BG Feldkirch 15.01.2024, 39 UB 509/23k). - Eine vom Abteilungsleiter beantragte Behandlung mittels einer Depotmedikation wurde nach ausführlicher Besprechung aller Beteiligten inklusive eines medizinischen Sachverständigen nicht für zulässig erklärt. Laut Unterbringungsgericht „wäre die Behandlung zwar medizinisch indiziert aber Beratungen 2021 2022 2023 Allgemeine Fragen über Aufenthalt im Krankenhaus, Unterbringung 59 55 65 Beratung Erwachsenenvertretung, Vorsorgevollmacht 20 5 7 Beratung Maßnahmenvollzug 31 9 20 Beratung nicht untergebrachter Patient:innen („Freiwilliger Aufenthalt“) 8 12 13 Beratung Behandlungsfragen, Patientenverfügung 3 0 5 Beschwerde Landesverwaltungsgericht 0 2 0 Gesamt 121 83 110
21 ifs Patientenanwaltschaft nicht verhältnismäßig, zumal der Patient diese vehement ablehnt und bei der Verabreichung mit Widerstand zu rechnen wäre“ (BG Feldkirch 10.07.2023, 14 UB 301/23p). Vertretung der im UbG gesetzlich geregelten Patientenrechte Die Unterstützung und Vertretung der Patient:innen bei der Durchsetzung der Patientenrechte stellt nach wie vor die zentrale Aufgabe der ifs Patientenanwaltschaft dar. Mittels Informationen und Gesprächen versuchen die Patientenanwält:innen, die Patient:innen in ihrer Selbstbestimmung zu stärken. Sie unterstützen diese in ihren Anliegen gegenüber dem psychiatrischen Krankenhaus und vertreten ihre Rechte beim gerichtlichen Überprüfungsverfahren. Vertretung bei Beschränkungen der Bewegungsfreiheit gem. § 33 UbG Die Vertretung der Patient:innen bei weitergehenden Beschränkungen wie Fixierungen im Bett, Sitzgurtfixierungen im Rollstuhl in der Gerontopsychiatrie oder auch Raumbeschränkungen im Zimmer zählen zu den wichtigsten außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretungsbereichen, vor allem da die Patient:innen diese Beschränkungen als massive Beeinträchtigung erleben. Neben den gerichtlichen Überprüfungen gingen die Patientenanwält:innen jeder Beschränkungsmaßnahme im Einzelfall nach. Sie sprachen mit den Patient:innen, nahmen Einsicht in die Krankengeschichte mit ärztlicher und pflegerischer Dokumentation und fragten auch konkret nach, welche Gründe zur Anwendung der Maßnahmen geführt hatten. Darüber hinaus erkundigten sie sich, ob nicht weniger eingreifende Maßnahmen angewendet werden können bzw., wenn die Beschränkungsmaßnahme bereits beendet wurde, welche schonende Alternativen versucht wurden. Vertretung bei Behandlungsfragen Mit Inkrafttreten der Novelle des Unterbringungsgesetzes am 1. Juli 2023
Jahresbericht 2023 22 wurden die gesetzlichen Bestimmungen einer medizinischen Behandlung von untergebrachten Patient:innen wesentlich erneuert. Aus Sicht der ifs Patientenanwaltschaft wurden bislang mehrere der neuen gesetzlichen Regelungen nur unzureichend umgesetzt: - Die behandelnden Ärzt:innen sind verpflichtet, die Entscheidungsfähigkeit der Patient:innen zur medizinischen Behandlung unter Zuhilfenahme eines „Unterstützerkreises“ (Angehörige, andere nahestehende Vertrauenspersonen, besonders geübte Fachleute) zu erlangen. Dieses Bemühen ist laut Novelle auch zu dokumentieren, was bislang standardmäßig noch nicht der Fall ist. - Wird ein:e nicht entscheidungsfähige:r Patient:in ohne Einwilligung und Entscheidung „konsenslos“ behandelt, muss die Patientenanwaltschaft unverzüglich verständigt werden. Vor allem in der Erwachsenenpsychiatrie muss die ifs Patientenanwaltschaft immer wieder auf diese Bestimmung hinweisen. Seit Juli 2023 gingen insgesamt 60 Verständigungen einer medizinischen Behandlung von nicht entscheidungsfähigen Patient:innen bei der Patientenanwaltschaft ein. - Ist die betreffende Person nicht entscheidungsfähig, muss sie vom:von der behandelnden Arzt:Ärztin darüber informiert werden, dass sie vor Durchführung der Behandlung das Unterbringungsgericht anrufen kann. Insgesamt sind acht Anträge auf Vorabentscheidung gem. § 34a Abs 3 UbG (fünf Anträge von den behandelnden Ärzt:innen, ein Antrag von einem:einer Patient:in und zwei Anträge von der ifs Patientenanwaltschaft) gestellt worden. Davon sind vom Unterbringungsgericht fünf Behandlungen für zulässig erklärt worden. - Wird ein:e Patient:in bei Gefahr in Verzug behandelt – zumeist bei gleichzeitig durchgeführten Fixierungsmaßnahmen im Bett –, ist ebenfalls eine Mitteilung an die Patientenanwaltschaft vorgesehen, was in der Praxis überwiegend funktioniert. Seit 1. Juli 2023 ist bei insgesamt 99 untergebrachten Patient:innen eine Behandlung bei Gefahr in Verzug gem. § 37 UbG durchgeführt worden. Sind die Patient:innen nicht entscheidungsfähig, ist unverändert vor Beginn einer besonderen Heilbehandlung – wie einer Elektrokonvulsionstherapie, einer Depotbehandlung mit Neuroleptika oder einer Behandlung mit demMedikament Leponex – eine Genehmigung des Gerichtes erforderlich. Im Jahr 2023 wurden insgesamt elf Anträge gestellt, von denen neun Anträge vom Gericht genehmigt wurden. Die Anzahl der diesbezüglichen Anträge ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, da die behandelnden Ärzt:innen bemüht sind, die Behandlung im Einverständnis mit den Patient:innen durchzuführen. Vertretung bei Beschränkungen gem. § 34 und § 34a Seit der Novelle des UbG müssen über die Unterbringung hinausgehende Beschränkungen der Persönlichkeitsrechte (z.B. wie Beschränkungen des Besuchs- und Telefonrechts, Überwachung durch Videokameras, Entzug der Privatkleidung, Wegnahme von persönlichen Gegenständen, Verbot des Ausgangs ins Freie oder das Anbringen einer elektronischen Fußfessel bzw. eines Weglaufschutzes) der Patientenanwaltschaft gemeldet werden. Es fällt auf, dass seit Schließung der Station E1 vor allem die Videoüberwachung von Patient:innen in ihrem Zimmer stark zugenommen hat, da auf den Stationen E3 und E4 die Akutzimmer vom Personal nicht mehr durch ein Fenster direkt einsehbar sind. Bezüglich dieser Videoüberwachung gibt es immer wieder Diskussionen, da diese der ifs Patientenanwaltschaft mehrfach nicht gemeldet wurde und über Tage weiter aufrecht blieb, obwohl laut gesetzlicher Vorgabe ein lebenswichtiges Interesse vorliegen muss. Aus diesem Grund stellte die Patientenanwaltschaft zwei Anträge auf Überprüfung bei Gericht. Weitere Jahresschwerpunkte Auswertung der Daten bei weiteren Beschränkungsmaßnahmen gem. § 33 UbG in der Erwachsenenpsychiatrie Weitere Beschränkungsmaßnahmen, wie Fixierungen mit Bauch-, Hand-, und Fußgurt im Bett oder auch Isolierung in einem Raummit Versperren der Zimmertüre, werden in der Erwachsenenpsychiatrie von der ifs Patientenanwaltschaft seit über 20 Jahren genau dokumentiert und ausgewertet. Im Jahr 2023 wurden in der Erwachsenenpsychiatrie 450 Fixierungen
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