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www.ifs.at Seite 13 Helfen ist komplex, darum kann es auch einfach sein. Wenn Menschen Hunger haben, kommt vielleicht Essen aus der Luft.Manmuss sich anstellen und kriegt seine Ration. Fertig. Menschen A helfen Menschen B mit C, Essen. Auch Regen- wäldern, Tieren und in letzter Zeit sogar Banken lässt sich – nicht immer freiwil- lig – unkompliziert helfen! Wenn die Helfer, also der Pilot oder die Spender allerdings entscheiden müssten, warum sie wem zu welchen Bedingungen wel- ches und wie viel Essen geben, würde es schwieriger. In der sozialen Arbeit gestaltet sich Hel- fen vielschichtig, doch auch hier gibt es Mensch A, der Mensch B mit C – sich selbst als Hilfsmittel – hilft. Mensch A hat im besten Fall seine Hausaufgaben gemacht, weiß um Krankheitsbilder, beherrscht die Methodik und den Fach- jargon und kennt einen bunten Strauß an Interventionsmöglichkeiten. In Be- wegung gerät der Prozess aber erst in der einzigartigen Interaktion zwischen Mensch A und Mensch B, welche hoch- sensibel ist und deren Verlauf von vielen Faktoren geprägt wird. Was bietet A an? Warum meint A, dass B genau sein Angebot weiterhilft? Was sind die Motive von B, diese Hilfe in An- spruch zu nehmen? Kann B seine Wün- sche selbst bestimmen und diese auch artikulieren? Welche Wünsche können nicht erfüllt werden? Wie sind die Gren- zen definiert? Was, wenn A Arbeit im Angebot hat und B aber eigentlich Un- terhaltung will oder Sex? Wer entschei- det, wann A nicht mehr zuständig ist? Was hat A von der ganzen Sache? War- um hilft A überhaupt B? Weiterzuhelfen, also maßgeblich daran beteiligt zu sein, dass jemand eine Ver- besserung einer Situation erfährt und vielleicht (wieder) zu einem aktiv an seinem Leben bastelnden Individuum wird, kann und darf Freude machen. Die Grenzen zu der von Wolfgang Schmid- bauer in seinem Buch „Hilflose Helfer“ beschriebenen Hilflosigkeit der Helfer sind allerdings fließend und leicht über- schreitbar. Dies fängt an bei der Lust des Gebraucht-Werdens und hört nicht dabei auf, dass Klienten in Abhängigkeit gehalten werden, damit sich die Helfer die Auseinandersetzung mit hauseige- nen Problematiken ersparen. Eigentlich müsste man einen Beipackzettel schrei- ben, mit einem Profil der Helferperson und statistisch ausgewerteten mögli- chen Neben- undWechselwirkungen bei entsprechendem Persönlichkeitsprofil. Zurück zur Musik: Große Improvisatoren wissen, was sie können. Sie haben ihr Können hart erarbeitet, üben viel und setzen das Geübte im Moment und in Interaktion mit anderen neu zusammen. Übertragen auf das Helfen bedeutet das neben guter Ausbildung ständige Fort- bildung und Supervision und ein hohes Maß an Selbstreflexion, da man ja selbst dasWerkzeug ist, das man kennen sollte. Aber: EinWerkzeug kann nicht mit dem- selben Werkzeug bearbeitet oder repa- riert werden. Als Helfer finde ich es wich- tig zu wissen, wer oder was einem selbst helfen kann, und diese Hilfe bei Bedarf auch in Anspruch zu nehmen. Auf einer regelbasierten Basis kann Helfen somit wie die musikalische Improvisation zu einem kreativen Prozess werden. Wie in der Musik geht es beim Helfen nicht zuletzt auch um Geld. Helfen ist kein Wohlfühlberuf, jedenfalls verstehe ich ihn nicht so. Helfen ist ein Geschäft, eineDienstleistung,dieglücklicherweise derzeit noch in einemSozialstaat von öf- fentlicher Hand möglich gemacht wird. Wie imMäzenatentum in der Kunst ent- stehen so Regulative einerseits und Ab- hängigkeiten andererseits. Da stellt sich die Frage, wer denn über Hilfsangebote bestimmt. Jedenfalls sicher nicht nur die Nachfrage. Eine Gesellschaft macht Menschen krank, ändert aber nicht et- was kausal, sondern reagiert sympto- matisch, indem sie Angebote schafft, umMenschen wieder leistungsfähig für den „Dschungel“ zu machen. Wann ist die Hilfe erfolgreich?Wenn der „Geholfene“ wieder funktioniert? Wenn er sagt, es geht ihm gut? Wenn er sagt, ich brauche jetzt keine Hilfe mehr? Helfen als Beruf ist komplex, weil der Mensch komplex ist. Ein Gesamtkunst- werk, Schicht um Schicht gewachsen, Erfahrung um Erfahrung geprägt, ge- worden. Nie letztendlich versteh- und erklärbar. Ist es nicht die Kunst, mit wel- cher man sich solcher Komplexität annä- hern kann? Ich denke, dass Helfen in der Interaktion zu einer Kunst werden kann. Bei entsprechender Selbstreflexion der Helfer auch wiederholt und nachhaltig. Solange der Nutzen überwiegt, soll ruhig munter weiter geholfen werden. Im bes- ten Fall ist es harmonisch: Dem Klient ist geholfen,der Helfer freut sich,der Arbeit- geber hat einen glücklichen Mitarbeiter, die Mäzene werden gewählt. Oder auch nicht. In den Dissonanzen des Alltags der sozialen Arbeit ist alles Jazz. ● Help me if you can! Wenn Helfen eine Kunst ist, ist dann jeder, der hilft, ein Künstler? Musik ist eine Kunst. Wer gilt in der Musik als Künstler? Mitunter jene, die damit erfolgreich sind. Mag. Klaus Kohler IfS-Spagat klaus.kohler@ifs.at arbeitet beim IfS-Spagat und ist zudem studierter Musikwissenschafter.

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