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www.ifs.at Seite 18 Frau Schulze, was macht eigentlich eine Menschenrechtskonsulentin? Im Prinzip ist es der Versuch oder das Bemühen darum, an verschiedensten Stellen das Verständnis für Menschen- rechte zu steigern und aufzuzeigen, dass Menschenrechte als Prinzipien, als Richtschnur hilfreich sein können, Politik im Kleinen wie im Großen zu formulieren. Meine Arbeit drittelt sich: Zum Ersten setze ich mich unterstützend für Nicht- Regierungsorganisationen ein. Das ist in Österreich vor allem„Licht für die Welt“, eine Entwicklungsorganisation, die schwerpunktmäßig in den Armuts- gebieten dieser Welt Menschen mit Behinderungen unterstützt und Au- genlicht sichert. Ich übernehme deren Vertretung bei den Vereinten Nationen und sichere in Projekten der Entwick- lungszusammenarbeit die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Ein weiteres Drittel meiner Arbeit erfolgt im Auftrag von Regierungen. Beispielsweise werde ich von der deutschen Regierung nach Mazedonien geschickt, um dort vor Ort Sozialminis- terien, Außenministerien und derglei- chen zu unterstützen. Das letzte Drittel betrifft meine Tätig- keit im direkten Auftrag der Vereinten Nationen. Hier wird jeweils ein Schwer- punktland oder eine Schwerpunktre- gion ausgewählt, die ich in menschen- rechtlicher Dimension unterstütze. Mein jüngstes Projekt ist in Zentralasi- en und umfasst Usbekistan, Turkmenis- tan, Kirgistan sowie Kasachstan. Hier versuche ich, die nationale Menschen- rechtsinstitution – eine Art Äquivalent zu unserer Volksanwaltschaft – in der Formulierung ihres Mandats und in der Frage zu unterstützen, wie sich z. B. Bar- rierefreiheit konkret auf deren Arbeit auswirken kann. DesWeiteren das Beraten im Hinter- grund, das Umformulieren von Geset- zen, das Aufzeigen von Möglichkeiten, vor allem aber auch das Schaffen von Sicherheit im Umgang mit Menschen- rechten. Mir ist wichtig, dass ich als Person in den Hintergrund trete, dass dasWissen bei den handelnden Personen selbst ist und dass diese damit umgehen können. Mein Lieblingsbild ist: Ich bin bereits auf demWeg zum Flughafen, wenn die Pressekonferenz stattfindet, in der ein Regierungsmitglied bekannt gibt, was passieren wird, und in diesen Ankün- digungen mit großer Sicherheit auch auf menschenrechtliche Prinzipien verweist. Wie sieht es in Österreich aus – wie ist hier das Bewusstsein für Menschenrech- te? Ist Österreich eine Insel der Seligen? In Österreich ist es ein bisschen diffizil: Im Sinne von „ja“, die menschenrecht- liche Situation ist nicht schlecht. Aber das Grundverständnis, dass Menschen- rechte etwas sind, das sich entwickelt, etwas, das man immer wieder in Frage stellen, an demman immer arbeiten muss – „nein“, dieses Grundverständ- nis ist nicht da. Auch im öffentlichen Diskurs fehlt mir Großteils der Bezug auf Menschenrechte. Ich empfinde diesen als sehr selektiv. Er beschränkt sich sehr stark auf die Frage „Migration und Asyl“. Es wird aber auch in man- chen Randgruppen schon zum Thema, also z.B. bei Fragen der Gleichstellung von homosexuellen Paaren. Aber sich Fragen zu stellen wie: Es gibt massive Budgetkürzungen, wie wirkt sich das menschenrechtlich aus?Wir haben eine Umformulierung in der Alten- und Pflegebetreuung – wie schaut das nach menschenrechtlichen Kriterien aus? Das fehlt uns ein bisschen. Und da gibt’s mehrere Gründe dafür. Einen sehr massiven, durchaus juris- tisch-formalistisch formulierten sehe ich darin, dass der Menschenrechtska- talog, den wir haben, aus dem Jahr 1867 stammt und vom damals absolutistisch regierenden Kaiser Franz Joseph gna- denhalber erlassen wurde. Ich glaube, dieses „von oben herab“ hat nicht die notwendige Anbindung in der Gesamt- bevölkerung ermöglicht und auch nicht das Bewusstsein oder die Verbunden- heit hergestellt, die man in anderen Ländern, wo es Revolutionen gab, viel selbstverständlicher hat. Wie groß ist in Österreich die Zivilcoura- ge, Menschenrechte anzusprechen und durchzusetzen? Es gibt Facetten an Menschenrechten. Man kann auch sagen, Menschenrech- te sind ein Hebel, mit demman über Machtverhältnisse diskutieren kann. Und da bin ich immer wieder bestürzt, wie viele Menschen mir zurückmelden, dass sie meinen, ich sei unglaublich mutig. In Situationen, in denen ich das Gefühl habe, dass ich einfach Fakten kommuniziere und weit davon entfernt bin, mutig zu sein. Es gibt eben viel mehr Menschen – auch in höheren Positionen –, die sich ganz offensichtlich unglaublich in Abhängigkeiten gefangen fühlen, in denen es ihnen nicht möglich ist, Missstände anzusprechen, dem Gefühl nachzugeben, dass da etwas nicht ganz passt. Egal aus welchen Dimensionen heraus es nicht passt. Und ja – mit der Zivilcourage würde ich doch meinen, dass noch einiges geht, weil vieles von dem, was heute noch unter Mut fällt, sollte in einer gewach- senen Demokratie völlig selbstver- ständlich sein. Unterstützen und Helfen auf Augenhöhe Menschenrechtskonsulentin Marianne Schulze im Gespräch „ Mein Lieblingsbild ist: Ich bin bereits auf demWeg zum Flug- hafen, wenn die Pressekonferenz stattfindet, in der ein Regie- rungsmitglied bekannt gibt, was passieren wird, und in diesen An- kündigungen mit großer Sicher- heit auch auf menschenrechtli- che Prinzipien verweist. “

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