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www.ifs.at Seite 20 Auf Basis der Menschenrechte kann man davon ausgehen, dass alle Men- schen zu irgendeinem Zeitpunkt eine Form von Unterstützung brauchen, dabei aber unterschiedlichen Unter- stützungsbedarf haben. Unterstützung und Helfen auf Augenhöhe. Ja, Unterstützung auf Augenhöhe wäre wichtig, denn vielfach wird von oben herab geholfen. Bildlich gesprochen: Man blickt dem anderen in dieses Loch, in das er gefallen ist, nach, lässt ihm an einem Seil etwas hinunter, um wieder heraufzukommen. Das, was vielfach nicht verstanden wird oder wo der menschenrechtliche An- satz einhakt, ist zu sagen:Wir bleiben alle auf einer Ebene und wir nehmen wahr, dass es strukturelle Schwierig- keiten gibt. Dass es zwar sehr wohl Schicksale gibt, aber dass sehr vieles, was als Schicksal abgetan wird, struk- turelle Ursachen hat.Wenn wir dann versuchen, die strukturellen Ursachen zu beheben und versuchen, hier Un- terstützung anzubieten, dann können wir Selbstbestimmung und in weiterer Folge Chancengleichheit ermöglichen. Gerade im Bereich „Menschen mit Behinderungen“ werden diese struktu- rellen Mechanismen und ihre Aus- wirkungen besonders deutlich: Man besucht beispielsweise eine separate Bildungseinrichtung, ist in einer sepa- raten Arbeitsstätte tätig und hat damit einen von der Restbevölkerung exklu- dierten Alltag. Was heißt das für eine soziale Institu- tion wie das IfS? Wo muss man ganz besonders genau hinschauen? Ich glaube, es geht erst einmal um eine Klärung dessen, was ich mit Hilfe und was mit Unterstützung meine.Wie viel von dem, was ich als Unterstützung biete, entspringt doch einem allgemei- nen Unterstützungsbegriff? Und das andere ist, regelmäßig die Handlungen, die ich setze, die Program- me, die ich plane, in Frage zu stellen. Eine Haltung zu haben, bei der ich meine Rolle, mein Tun vor dem Hinter- grund, dass da ein Gefälle besteht, in Frage stelle. Das Machtgefälle bewusst machen und zu versuchen, Mechanismen anzutrai- nieren, in denen ich es ständig in Frage stelle und damit versuche eine Chan- cengleichheit oder eine Augenhöhe einzuziehen – soweit das eben möglich ist. Und natürlich wird es Fälle geben, in denen die Grenze zwischen unterstüt- zen und helfen fließend ist, wo man das Gefühl hat, mehr auf der Helferseite zu bleiben. Aber nichtsdestotrotz hat man als soziale Institution die Verant- wortung, da ganz besonders oft, ganz besonders genau hineinzuschauen und zu fragen, was kann ich da zurück nehmen?Was meine ich wahnsinnig gut und ist aber das Gegenteil von gut gemeint und im Ergebnis ein Paterna- lismus? Wie kann eine Institution wie das IfS Ihre Arbeit unterstützen? Meine berufliche Zielrichtung ist, möglichst bald eine Berufsumschu- lung zu machen. Ich will nicht als Menschenrechtsexpertin in Pension gehen – das heißt, dass meinWissen repliziert, multipliziert wird und ich als Expertin zurücktreten kann. Und ich denke, je mehr Institutionen ein Be- wusstsein für Menschenrechte haben und dieses, indem sie es haben, auch weiterleiten und weitertragen, desto eher werden Menschen wie ich nicht mehr gebraucht. Für mich ist das schon auch eine Grundherangehensweise an meine Arbeit, dass ichWissen, Prakti- ken, Fähigkeiten weitergebe, und daher möchte ich vom IfS in meinen Bestre- bungen unterstützt werden, möglichst bald umgeschult zu werden. Dazu brauchen wir aber auch die Be- wusstseinsbildung bei den Menschen, oder? Um eben diesen Abbau sozialer, psychisch, kommunikativer und aller möglichen Barrieren zu erreichen. Ja, absolut. Müsste der Titel dieser Zeitung nicht eigentlich ganz anders lauten? Wie wäre es mit:„Die Möglichkeiten der Unterstützung“ oder „Das gleiche Recht auf Unterstützung“ oder aber „Helfend unterstützen!“? ● Mag. Marianne Schulze ist freischaffende australisch-österreichische Menschenrechtskonsulentin in Wien und Vorsitzende des unabhängigen und weisungsfreien Monitoringaus- schusses zur Überwachung der Einhaltung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. www.humanrightsconsultant.at www.monitoringausschuss.at „ Und ich denke, je mehr Insti- tutionen ein Bewusstsein für Menschenrechte haben und dieses, indem sie es haben, auch weiterleiten und weitertragen, desto eher werden Menschen wie ich nicht mehr gebraucht. “

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