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19 Sommer 2013 Tag 1 Wir stehen alle an einer Brücke. Der Therapeut erzählt die Geschichte von Cäsar und dem Rubikon. Cäsar stand mit seinen Truppen am Rubikon und war sich bewusst: Wenn seine Streitmacht diesen Fluss überquert, gibt es kein Zurück mehr. Gleich den alten Römern überqueren wir unseren Rubi- kon, die Jugendlichen voraus, mit gepackten Ruck­ säcken, auf in neue Länder ... Der erste Tag ist von großer Aufregung geprägt. Es gilt jetzt nur das Handeln. Nach einer Verabschie- dung von der Familie und der symbolischen Über- querung des Rubikon steigen wir ins Auto ein und beginnen die Reise. Für die Jugendlichen praktisch ein Aufbruch ins Unbekannte, bewegen wir uns aus gewohnter Umgebung. An dieser Stelle seien kurz die Teilnehmer dieser Reise vorgestellt: Der Jugendliche B., 17 Jahre alt, von Anfang an ziemlich motiviert. Ich kenne ihn schon seit Februar durch eine Urlaubsvertretung in einer Sozialpädagogischen Wohngemeinschaft. Aus meiner Sicht besteht ein gutes, stabiles Vertrau- ensverhältnis zwischen uns. B. hat im Anschluss an den Auslandsaufenthalt eine Lehrstelle sicher, was ihn deutlich optimistischer in die Zukunft blicken lässt, als ich es von anderen Jugendlichen gewohnt bin. Der andere Jugendliche R., 14 Jahre alt, die Alters- untergrenze für das Jugend-Intensiv-Programm. Ihn kenne ich nicht so lang, gerade drei Wochen, und es ist in meinen Augen schon eine beachtliche Leistung, dass er überhaupt einsteigt. R. ist unru- hig und nervös, der Abschied fällt ihm schwer. Mein Begleiter Peter, 31 Jahre, den ich fragte, ob er sich vorstellen könne, mich auf dieser Fahrt zu unterstützen. Normalerweise reisen die Gruppen im Jugend-Intensiv-Programmmit dem Flugzeug, allenfalls mit dem Zug ins Projektland. Solch eine Autofahrt wurde bis dato noch nicht gemacht. Wenn Neuland betreten wird, ist ein Gefährte hilf- reich, so war ich dankbar, dass mein Freund uns begleitete. Ich selbst, 30 Jahre alt, Kunsttherapeut, Betreuer von zwei Jugendlichen, im fünften Projekt. Während der Fahrt Während der Fahrt wird viel gesprochen, beide Jungs haben viele Fragen, alles ist neu und unge- wohnt. Das erste Foto, die erste Spur im Fototage- buch, macht B. Er fotografiert einen Autostau in Zürich. Wie sich später herausstellen wird, ist auf- grund von zu frühem Öffnen seiner Kamera gerade dieses erste Foto nicht entstanden. Der erste Schritt ist oft der Schwerste… Die Fahrt von Österreich nach Portugal dauert sechs Tage. Bewusst haben wir uns Zeit gelassen, sind pro Tag nicht mehr als 400 km gefahren. Das Fotografieren ist während der Fahrt sehr präsent. Jeden Tag neue Plätze, auch neue Länder. Die Jugendlichen haben viel Auswahl, müssen sich aber auf ein Bild beschränken. Es sei daran erin- nert, dass ich während des gesamten Auslandsauf- enthaltes ebenfalls ein Fototagebuch führte. Die Fahrt im Auto versetzt die Reisenden in eine besondere Situation. Sie bewegen sich fort und können dabei in relativer Ruhe die Landschaft wahrnehmen. Die Entfernung, die immerhin 2000 Kilometer beträgt, wird spürbar. Der Körper hat Zeit, sich an das Klima, an Umwelt und fremde Kultur zu gewöhnen.

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