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7 Sommer 2013 Vor elf Jahren bin ich aus dem universitären Elfenbeinturm ausgezogen und habe mich mit einer Praxis für philosophische Beratung selbst- ständig gemacht. Heute philosophiere ich mit Depressions-, Angst- und auch KrebspatientInnen. Was mich so fasziniert an dieser Art gelebter Phi- losophie, ist, dass sie zielgruppenunspezifisch ist. Letzten Endes interessieren uns alle die gleichen Dinge. Dinge, denen wir im Laufe des Lebens nicht ausweichen können: Freiheit, Endlichkeit, Tod, Glück und der Sinn des Lebens. Das Leben ist unwägbar Aber wie passt Philosophie in unsere heutige Zeit, in der wir gar keine Zeit mehr haben, über solche Mut und Neugier in Zeiten des Berechenbarkeitswahns. Dr. Rebekka Reinhard über die Kunst des Irrens Themen nachzudenken? Eine Zeit, in der fast jeder Lebensbereich den Kriterien der Effizienz, der Effektivität, der Produktivität und Optimierbar- keit, der Berechenbarkeit, Marktfähigkeit, Ziel- und Lösungsorientiertheit zu unterstehen scheint. Von klein auf werden wir auf Effizienz und Effek- tivität eingeschworen und systematisch darauf abgerichtet, Unwägbarkeiten auszuschalten. Die Ironie dabei ist, dass das vollkommen unmöglich ist, da das Leben ja per definitionem unwägbar, unkontrollierbar und ziemlich unperfekt ist. Ungeachtet dieser Tatsache scheint es aber immer mehr nur noch darum zu gehen, es endlich geschafft zu haben – und zwar möglichst noch gestern. Wobei nie ganz klar ist, was mit diesem Es gilt, die posi- tiven Aspekte der krisen- haften Orien- tierungslosig- keit für sich zu entdecken.

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