ifs_zeitschrift_1_14_sc

9 Sommer 2014 Ein Dickicht an Möglichkeiten Manchmal erscheint es uns Erwachsenen so, als würden wir nicht mehr die gleiche Sprache sprechen wie unsere Jugendlichen, und stellen beinahe ohnmächtig die Kommunikation mit den Nachkommen ein. Tun so, als lebten wir in einer anderen Welt, in der wir nichts mit ihnen gemein hätten. Doch was bedeutet dies für den einzelnen Jugendlichen? Wird sein Drang zur Individualität zu einer Einsamkeitsfalle, weil die Wahl, die er in Bezug auf Beruf und Lebensform trifft, sich im Dickicht der Möglichkeiten als Fehler erweist, der ihn überfordert? Der Dschungel an Informationen, die uns Computer, Clouds und Tera- bytes vermitteln, wird ihm die Wahl nicht erleichtern. Der junge Mensch möchte ein gutes und sicheres Gefühl haben, wenn er sich einen Beruf auswählt oder eine für die heutige Zeit und sein Glücksempfinden wichtige Lebensentschei- dung trifft. Mut zur Lücke Ein Zuviel an Informationen wird ihn also über- fordern und verunsichern. An dieser Stelle kommt nun der orientierende Erwachsene ins Spiel. Dieser kann dem Jugendlichen helfen zu lernen, dass es für wichtige Entscheidungen eine Art „weniger ist mehr“ benötigt. Ein Mut zur Lücke, sonst ver- kommt sein Denken zum Rechnen – und führt zu dem trügerischen Schluss, dass sein zukünftiges Leben voll und ganz berechenbar ist. Glück leitet sich im Deutschen vomWortstamm „Lücke“ ab und hieß imMittelhochdeutsch „gelücke“. Oft wird die Frage: „Welchen Beruf möchtest du lernen?“ oder „Wie stellst du dir deine nähere Zukunft vor?“ mit einem ehrlichen „Keine Ahnung!“ beantwortet. Es scheint, als würde sich der Kompass des Lebens angesichts des verfügbaren Angebots an Lebens- und Berufsmöglichkeiten rasend schnell im Kreis drehen. Orientierung dank persönlicher Gespräche Welche Strategie kann die Nadel stoppen? Noch einmal führe ich die Methode des „weniger ist mehr“ ins Feld. Das persönliche Gespräch oder das gemeinsame Erleben, sowohl in Gruppen als auch Aug in Aug, kann zu mehr Orientierung führen. Was willst du wirklich? Wie stellst du dir ein glückliches Leben vor? Was bedeutet für dich ein erfülltes Leben? Das sind die Fragen, die wir beharrlich stellen sollten. Ordnung in das Chaos an Informationen bringen. Das Gespräch mit dem begleitenden Erwachsenen, sei dies nun der Lehrer, ein Elternteil oder ein pro- fessioneller Helfer, kann dieses Ordnen leisten. Es geht um eine Art Sieben und Sortieren von Infor- mationsüberschüssen, um einen neuen Überblick zu bekommen. In der Praxis heißt das also, dass wir den Jugend- lichen in ernsthaften Orientierungsfragen nicht allein lassen dürfen. Wir sitzen gemeinsam suchend und reflektierend vor der großen und verwirrenden Suchmaschine. Wir, die Erwach- senen, stellen immer wieder die Frage nach dem „Was willst du wirklich“. Dann kann aus der Qual der Wahl ein erfüllender und durchaus flexibler Lebensentwurf entstehen, der seinesgleichen in der Geschichte der Menschheit sucht. ○ Erich Lampert ifs NASA erich.lampert@ifs.at Unendlich erscheint die Zahl der Wahl- möglichkeiten. „Wird sein Drang zur Individualität zu einer Einsamkeitsfalle, weil die Wahl, die er trifft, sich im Dickicht der Möglichkeiten als Fehler erweist?“

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ2MDY0