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17 Frühling 2015 Patientenverfügung kennen und schätzen gelernt. Sie sichert bei entscheidenden Fragestellungen in den Grenzsituationen unseres Lebens Autonomie. Natürlich hat die sogenannte Apparate-Medizin auch negative Seiten. In Krankenhäusern kann der Fortschritt der Medizin auch zu unerwünsch- ten Nebenwirkungen führen. Menschen werden gegen ihren Willen am Leben erhalten, besonders bedenklich ist es dann, wenn sie ihren Willen nicht mehr kundtun können. Es gibt auch immer wieder Ärzte, die den Patientenwillen nicht respektieren, da sie meinen, es besser zu wissen. Hier gilt es, das Recht der Patienten zu gewährleisten und bei Medizinern Bewusstsein dafür zu schaffen. Für die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht braucht es bei allen Menschen mehr Bewusstsein und vor allem Information. Jeder Patient hat das Recht darauf, eine Therapie abzubrechen. In der Talkrunde „hart aber fair“ schilderte ein niederländischer Journalist kritisch seine Erfah- rungen mit der Euthanasie-Gesetzgebung in den Niederlanden. Seinem an MS erkrankten Freund wurde gesagt: „Jammere nicht, du kannst ja ster- ben!“. Jegliche Euthanasie-Gesetzgebung baut Druck auf behin- derte Menschen auf. Sie müssen sich dafür rechtferti- gen, am Leben zu sein und anderen zur Last zu fal- len. Das ist auch das Hauptmotiv, warum in den Nie- derlanden Menschen mit Behinderung sterben „wollen“. Tötung ist keine Antwort auf die Not und Verzweiflung, auf die Sorgen und Ängste der Men- schen. Der Sterbewunsch ist vielmehr ein Hilferuf nach Zuwendung, Trost und Nächstenliebe. Es braucht eine Kultur der Begleitung und eine Kul- tur des Trauerns. Kardinal König hat das 2001 hier im Parlament treffend mit den Worten „Nicht durch die Hand, sondern an der Hand sterben“ formuliert. In einem Brief an den Nationalrat schrieb Kardinal König: „Ich appelliere an Sie als Abgeordnete, in der Bun- desverfassung auch ein Verbot der Tötung auf Verlangen zu verankern. Ich halte einen klaren und verbindlichen Rahmen für unverzichtbar, der sicherstellt, dass es auch künftig in unserem Land keinen Raum für aktive Sterbehilfe, für die Tötung auf Verlangen, für Euthanasie geben soll. (...) ‚Sterbehilfe‘, also Euthanasie, soll in Österreich künftig auch verfassungsrechtlich untersagt werden – als Wegweiser und Bekenntnis zu einer ‚Kultur des Lebens‘ und als Signal für Europa, also über die Grenzen unseres Lan- des hinaus.“ Diesen Weg der Sterbebegleitung, der Hospiz- und Palliativmedizin müssen wir weitergehen. Das Parlament hat die Enquetekommission „Lebens- ende in Würde“ eingesetzt, die der Politik Hinweise geben soll, was politisch zu tun ist. Ohne etwas vorgreifen zu wollen, glaube ich, dass es einen Rechtsanspruch auf Palliativ­ medizin und Hospizbetreuung braucht. Die Autorin Lotte Ingrisch, die mit ihrem ver- storbenen Mann in einer jenseitigen Verbindung steht, meinte im Standard: „Wenn in Österreich die Sterbehilfe legal wäre, hätte ich mich schon längst für die Müllabfuhr gemeldet.“ Der Mensch, der von der Müllabfuhr entsorgt wird, ist nicht unser Bild von einem humanen Sterben. Die Würde des Men- schen ist unantastbar. Jedem wohnt die Würde inne! Darummüssen wir sie in der Verfassung verankern. Es geht daher nicht nur um das Ster- ben, sondern vor allem um ein würdiges Leben bis zuletzt. Über das Sterben zu reden, ist nicht einfach. Auch ich muss gestehen, dass ich Angst vor dem Sterben habe, es ist eine schmerzliche Auseinandersetzung mit Abschieden, Sinnfragen und Trauer. Wenn es schon dem Einzelnen so schwer fällt, über das Sterben zu reden, wie schwer fällt es dann erst der Politik, darüber ins Gespräch zu kommen. Inge Baldinger schrieb in den Salzburger Nachrichten: „Es ist der Politik hoch anzurechnen, dass sie das Schweigen über das Lebensende durchbricht“. In diesem Sinne freue ich mich, dass die, von mir geforderte, Enquetekommission zum Lebensende jetzt mit Leben erfüllt wird. ○ Dr. Franz-Joseph Huainigg Nationalratsabgeordneter und Behindertensprecher der ÖVP „Jegliche Euthanasie-Gesetz- gebung baut Druck auf behinderte Menschen auf. Sie müssen sich dafür rechtfer- tigen, am Leben zu sein und anderen zur Last zu fallen.“ „24 Stunden bekomme ich von meinem Beatmungs- gerät Luft und ich muss sagen, es ist ein gutes Leben, man könnte auch sagen, ein gut durchlüf- tetes Leben.“

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