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23 Frühling 2015 der falsche Moment, denn das Auf-hören geschieht ja imMoment des Hörens – und der geht der Tat voraus. Vielleicht aber ist auch das Wort Hören-auf irreführend, denn an wen richtet es sich, woher kommt es? Hören auf die Sprache oder hören auf jemand? Gehorchen, sich einem Befehl unterord- nen oder hören auf ein Wort, das kommt, ohne gerufen zu sein? Une bévue – wie Lacan sein letztes Seminar beginnen lässt – unbevue, unbe- wusst, eine Fehlleistung, ein „Schnitzer“, etwas das passiert, zufällig, in einemMoment, in dem es nicht erwartet wird. Auf das Eintreten eines Wortes als Signifikant folgt nicht einfach sein Austreten. Ein Signifikant verstellt und ist Ver- stellung. Er verschiebt. Ein Signifikant repräsen- tiert ein Subjekt für einen anderen Signifikanten. Also stellt er vor in dreierlei Weise. Er stellt etwas dar, stellt es aber auch vor, wie man einen Men- schen vorstellt, den man nicht kennt. Und er stellt etwas davor, vielleicht wie einen Schirm, einen Paravent, einen „para-vent“, einen Schutz gegen den Wind, oder als Abwehr, Abschwächung im Sinne von „parer“, parieren. Doch ist er einmal da, der Signifikant, treibt er sein Wesen oder besser sein Un-wesen in der Kette der Signifikanten und verschiebt Bedeutungen. Auch diese: Die Bedeutung der Arbeit, das Warum und Wozu? Heilen wollen? Helfen wollen? Geld verdienen? Lust und Last der Übertragung? Du wirst gewählt, mitunter sogar ausgewählt, n u r Du – und sonst keiner! Genießt man nicht nur die Früchte und den Lohn der Arbeit, sondern auch die herausragende Stellung, das privilegierte Liebesobjekt zu sein oder darzustellen? Ist sie nicht wunderbar, die Freude darüber, dass ich das Subjekt, dem zu Wissen unterstellt wird, zu sein scheine, das (all-)wissende Subjekt? Der Tanz der Signifikanten, dessen Tanzmeister ich zu sein glaube, hilft er mir, die Augen vor dem Abgrund zu verschließen, der sich jederzeit auftun kann, wenn wie aus dem Nichts ein neues Wort einfällt? „Dann bin I ka Liliputaner mehr, ich wochs, I wochs, I wochs“ (…) Du kommst über mi, wia der vierzehnte Juli über Paris und in mir, da marschiert a Musik- kappeln“ und alle rufen: vivat, vivat. Abgrund des Lebens – woher, wohin, wozu, warum? Auch ohne Antwort auf diese Fragen musst Du weitergehen: Du gehst, Du weißt nicht einmal, ob vorwärts. Was Du weißt, ist das, was gewesen sein wird. Dann aber ist es zu spät: Der Weg, den Du gehst, den kannst Du nicht zweimal gehen. Daran glauben wir nur solange und insofern wir Neurotiker sind und der Wiederholung bzw. dem Wiederholungszwang unterliegen. Im Kreis gehen ist auch ein Gehen! Freud schreibt an Jung. Wie so oft sind sie sich nicht einig im Umgang mit der Arbeit und den Patienten. Freud meint, er müsse den in Zürich weilenden Jüngeren, den er als Jün- ger, als seinen Nachfolger sieht, anleiten, belehren: Nur nicht heilen wollen, ruft er schreibend, Geld verdienen und forschen! Heißt das, meine Befriedi- gung, mein Lohn, soll nicht die Dankbarkeit des Patienten, nicht seine Fortschritte, nicht das Geschenk seiner Worte und Empfindungen für mich sein? Soll meine Befriedigung nur aus dem Geldverdienen und dem Erkenntnisgewinn resultieren? Donnerwetter! Mein Forschungsinteresse soll mein Begehren neu- tralisieren, das wiederum dem Patienten ermögli- chen soll, frei seiner Arbeit nachzugehen und der Lohn dieser Enthaltsamkeit soll das Geld sein? Wissenwollen gegen jede Trägheit des Triebs? Dass es einen Widerstand gegen das Wissen gibt, davon weiß der Analytiker zu berichten. Und die Entdeckung der Dimension der Nachträglichkeit macht das Leben auch nicht leichter, aber sie erleichtert ungemein. Denn das bedeutet ja nicht nur, dass man hinterher immer klüger ist, son- dern, viel radikaler, dass sich die Vergangenheit nachträglich konstituiert. Außerdem hält uns der Zwang, das einmal Erlebte für das Richtige oder Falsche zu halten und auf seine Wiederkehr zu warten oder dieselbe zu befürchten, lediglich in einem Schein von Wissen, wiegt uns in einer scheinhaften Gewissheit. Freud behauptet also, dass das Begehren des Analytikers, das nicht einfach nur das Begehren eines Analytikers ist, sondern das durch die eigene Analyse „gewarnte“, das heißt auf eine spezi- fische Weise aus den Fesseln des Anspruchs sich freimachende Begehren, das Begehren, das die „Profession“ begründet, eine Stütze erhält durch das Geldverdienen. Das soll mich befriedigen?! Liebesanspruch, Streben nach Anerkennung, Ehre, Ansehen, all die imaginären Stofffetzen, mit denen sich das Ich umhüllen kann, darauf soll sich „Leben wir nicht einfacher in der Gewissheit als im Zweifel? Ist es nicht besser, in einer Beziehungskiste zu leben, als in gar keiner Kiste?“

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