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wie 24 die Kraft, aber auch die Macht meiner Arbeit nicht stützen? Die Offenheit für den Anderen, den Platz für das scheinhafte Objekt des Begehrens für den anderen mit einem kleinen a machen und halten zu können, mit anderen Worten zu dem zu werden, was abfällt, was zurückgelassen wird, das ist die tägliche Aufgabe des Analytikers. Das ist nicht zuletzt eine Frage des „Settings“: Eine Situation zu zweit, die nur funktioniert, wenn sie zu dritt stattfindet. Der inter- mediäre Raum der Übertra- gung löst jede Idee von Dialog und Kommunikation auf und überführt sie in einen Diskurs, der sich durch die Stellung von vier Termen oder Positionen bestimmt. Frage: Verliert der Analytiker den Bezug zum Unbewussten, wenn er das Arrangement der Klinik nicht mehr zur Verfü- gung hat? Hört er allein deswegen auf, Analytiker zu sein, was auch immer Analytiker-Sein heißen mag, weil er keine Patienten mehr empfängt, ihn also niemand mehr zum Analytiker macht, der ihm das Genießen des Geldes und des Wissens ermöglicht? Spannende Frage. Analytiker-Sein ist kein Seinszustand und keine Identität. Dank berufsständiger Organisationen ist es so etwas wie ein Sozialstatus. Neuerdings allerdings verschwindet er hinter dem Statut des Psychotherapeuten. „Es gibt vom Analytiker“, sagt Lacan. Was so viel heißt wie, es braucht die Idee vom Analytiker, dass das soziale Arrangement der Behandlung entstehen kann. Der Analytiker, wobei man das D er durchstreichen muss, weil D er Analytiker nicht existiert, weil sich nur im Pro- zess der Analyse zeigt, ob der Analytiker ins Spiel kommt. D er Analytiker existiert so wenig wie D ie (analytische) Kur – aller Institutionalisierung zum Trotz. Was zur Folge hat, dass es nur möglich ist, nachträglich zu sagen, ob es eine Analyse gewesen sein wird. All diese Formulierungen weisen in eine bestimmte Richtung: Was wir als Analyse anbie- ten, in Ausbildung wie in der Durchführung, was wir als Analyse bezeichnen, das sind nicht mehr als Signifikanten eines bestimmten Signifikan- tensystems. Diskurse nach Foucault. Und wie alle Diskurse der Macht unterworfen. Wenn also das Geldverdienen als eine Ermög- lichungsbedingung für das Zustandekommen einer Analyse auf Seiten des Analytikers wegfällt und ein wie auch immer konstituiertes Leiden auf Seiten dessen, der sich als Patient/Analysant positioniert, was trägt dann zur Kreation eines Arrangements bei, das Psychoanalyse macht, ohne Behandlung zu sein? Welches andere Arrangement ermöglicht den Bezug zum Unbewussten? Fragen wir, wenn wir so fragen, lieber, woran wir denken, wenn wir von Psychoanalyse sprechen. Die Ana- lyse heilt nicht! Das ist trivial, aber ungeheuerlich. Jede Psychoanalyse, sagt Freud, beginnt als The- rapie. Was sie aber auszeichnet, ist nicht ihr thera- peutischer Nutzen, sondern ihr Wahrheitsgehalt! Der Bezug zur Wahrheit hebt sie über die Grenzen der Behandlung hinaus und darin liegt ihre Heil- kraft: Sie heilt uns von der metaphysischen Krank- heit des Ein, der Ganzheit, der Vollständigkeit und befähigt uns, mit dem Abgrund in uns zu leben, der auf die Wahrheit verweist, dass das mensch- liche Subjekt ohne Grund ist bzw. den Grund nicht in sich selbst finden kann, sondern in einem gewis- sen Sinne sich selbst (be-)gründen muss. Aber, wer will das schon wissen? Leben wir nicht viel bequemer in der Phallokratie als in der Alteri- tät? Leben wir nicht einfacher in der Gewissheit als im Zweifel? Ist es nicht besser, in einer Bezie- hungskiste zu leben, als in gar keiner Kiste? Leben wir nicht leichter in dem Glauben, der oder die Richtige sei nur noch nicht gekommen, der richtige Umgang noch nicht gefunden, die gültige sexuelle Identität noch nicht erreicht, die ultimative Sexu- alpraktik noch nicht entdeckt worden und dass man überdies vor lauter Verboten und Vorschrif- ten und der Instrumentalisierung durch den Kapi- talismus nicht zu dem kommt, was man wirklich will oder sein „wahres“ Selbst nicht wirklich leben kann, als anzuerkennen, dass wir nicht die Auto- ren unserer selbst sind, aber zugleich für den Text verantwortlich gemacht werden, den dieser Autor schreibt. Und dass darin unsere Freiheit liegt? Wo es war, wo’s war, so das Vermächtnis Freuds, sollst Du als Subjekt ankommen. Ankommen heißt nicht sein, sondern werden! Die Aussage, „Ich bin“, bleibt so betrachtet ein prekärer Status, weil fra- gil, aber auch, weil Quelle des Leidens, aber auch der Lust. Das Sein des Körpers ist. Das Sein des Subjekts resultiert aus der Pathologie der Ontolo- gie – Sein um jeden Preis. Pathologisch, weil man lieber in der Gewissheit des Seins untergeht als die Ungewissheit des Werdens zu ertragen. Also wie weiter? Mit oder ohne Analyse? Die ande- ren Arrangements, die die „unendliche“ Analyse „Lache, Bajazzo, lache! Nicht aufhören zu fragen und dabei nicht vergessen, dass das Fragen anfängt, wenn die Antwort aufhört.“

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