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25 Frühling 2015 stützen, gilt es zu finden, will man nicht ablassen vom Bezug zur Wahrheit. Für keinen Ablass der Welt! Das tragische Lachen weist uns den Weg: Lache, Bajazzo, lache! Nicht aufhören zu fra- gen und dabei nicht vergessen, dass das Fragen anfängt, wenn die Antwort aufhört. Die „Klinik“ hinter sich zu lassen, heißt, auszutreten aus einer Institution des Wissens und wohin zu treten? Ins Paradies auf Erden? In die Wüste des Realen? Gegen die Wand? Die Klinik geht weiter und sucht sich ihre Akteure. Ob der Akteur nur Mitspieler ist und daher zur bloßen Marionette wird, oder ein Akteur, der das Spiel erweitert, darin liegt die Chance für jede Institution. Sie lebt, solange sie ihre „Kinder“ nicht frisst. Sie würde sonst zu einer Institution, die sich selbst verzehrt in der Sehnsucht nach Akteuren, durch die sie am Leben gehalten wird. Institutio- nelle Autophagie! Dann würde sie als totes Wissen durch die Organisation geistern und die Akteure heimsuchen wie einst Hamlet vom Geist des toten Vaters heimgesucht wurde: Erlöse mich von mei- ner ewigen Wiederkehr. Was Hamlet, den Zaude- rer, auszeichnet, ist sein ständiges Sinnen über den richtigen Moment zur Ausübung der Tat, mit der er den infamen Mord an seinem Vater sühnen kann. Eine Tat, die die Ordnung wieder herstellt, die aus den Fugen geraten war, seit ein anderer durch einen heimtückischen Mord den Platz seines Vaters eingenommen hat, zum falschen Zeitpunkt. Er will den „falschen“ Vater vertreiben und die Uhr zurückdrehen, um dem Vater die Zeit zurückzu- geben, die ihm imMoment seiner Ermordung „im Mittag seiner Sünden“ gestohlen worden war. Hamlet, ein anderer Name für die Zwangsneu- rose, die Elvio Fachinelli so treffend im Bild des stehenden Pfeils ausgedrückt hat? Hamlet, der Ordnungshüter wider Willen, der die Ordnung nicht herstellen kann. Hamlet, der zögert, bis die Tat sich ihm aufzwingt in Form eines wahrhaften Akts: „act manqué“. Eine Fehlleistung, ein Akt, der sich seiner Kontrolle entzieht und der ihn in den Abgrund reißt. Sein Handeln wird gehemmt durch die Fixierung auf den richtigen Zeitpunkt. Doch was wir Hamlet voraushaben, ist das Wissen, dass es immer zu früh oder zu spät ist. Dass der „richtige Zeitpunkt“ der „surrealistische Sprung ins Leere“ ist, wie er von dem französischen Maler Yves Klein thematisiert worden ist, der Sprung zwischen den Zeiten, zwischen zu früh und zu spät, jetzt (!), eine Pause, ein Gedankenstrich ( – ), ein Leerraum zwischen zwei Wörtern, zwischen den Zeilen. Plumps! Der Abschied, ein Plumps? ○ Dr. Michael Schmid Ehemaliger Leiter der ifs Fachgruppe Beratungsdienste

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