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29 Frühling 2015 Im Gespräch Wie dieser Arbeitsansatz von den Klientinnen und Klienten meist rückblickend erlebt wird, beschreibt das folgende Gespräch: Zur Lebenswende gehört auch ein Rückblick – möchten Sie Ihre Geschichte erzählen? Ich war in verschiedenen WGs, im Landeskranken- haus, weil ich eine psychische Erkrankung habe. Ich war schwer erziehbar, bin aus den WGs immer wieder abgehauen. Dann bin ich für zehn Wochen ins Jugend-Intensiv-Programm. Aber es ist immer gleich mit mir weitergegangen, es hat sich nichts verändert. Der Wechsel ins SIB war eine Lebenswende. Plötz- lich hab ich gespürt, dass ich Zuneigung bekomme und dass man mehr auf meine Bedürfnisse ein- geht. Ich war plötzlich viel zufriedener. Also für mich ist das SIB wie eine Familie geworden und eigentlich bisher eine der schönsten Zeiten in meinem Leben. Eine Zeit, in der ich mich weiter- entwickelt habe. Ich habe gespürt, dass sie hier so menschlich sind und flexibel. Ich kann immer mit den Betreuern und Betreuerinnen reden, ich kann ihnen vertrauen – auch wenn es ab und zu Auseinan- dersetzungen gibt. Aber das ist doch normal, dass es die gibt. Ich bin fast gar nicht enttäuscht worden. Es sind einfach ganz andere Menschen, als ich sie sonst kennengelernt habe. Wie haben Sie sich in dieser Zeit verändert? Eigentlich schon positiv, früher habe ich vor nichts und niemandem Respekt gehabt, hab immer nur das getan und gelassen, was ich wollte. Irgendwie bin ich von meiner Persönlichkeit her anders. Ich denke nicht jeden Tag darüber nach, was sich ver- ändert hat, aber unterbewusst hat sich wohl sehr viel verändert. Wenn mich jemand danach fragt, dann denke ich schon, dass ich mich verändert habe. Es hat sich für Sie also „ausgezahlt“, dass Sie in das SIB gewechselt sind? Ja, auf jeden Fall. Früher war ich frech, rotzig, sogar gewalttätig! Wie ist es mit dem Blick in die Zukunft? Was haben Sie für Pläne? Ich hätte gerne einen Job, eine eigene Wohnung. Halt eine Tagesstruktur. Ich habe nur das große Problem, dass ich nicht aufstehen kann, weil ich in der Nacht nicht schlafen kann. Wenn ich am Abend die Tabletten nehme, dann schlafe ich nach einer Stunde tief und fest und komme in der Früh nicht aus dem Bett. Wenn ich sie nicht nehme, dann schlafe ich erst amMor- gen ein und komme auch nicht aus dem Bett. Es kommt auf dasselbe raus. Das Arbeiten selbst passt gut, ich habe auch schon gearbeitet. Aber ich komme immer zu spät. Und deshalb kann ich nicht in eine Lehre gehen. Ich versuche es jetzt aber wieder und hoffe, dass ich das in den Griff kriege. Ohne die Leute vom SIB fehlt mir was. Da fehlt mir der Halt. Ich habe ihn schon, aber nicht mehr so stark. Es hat mir immer gut getan, wenn sie bei mir waren. Ich habe das nicht gekannt, dass man lieb ist zu mir, dass man immer moti- viert ist, immer optimistisch, tolerant, egal was ich gemacht habe. Ich kann fast nur Gutes sagen. Danke für das Gespräch und Ihre Offenheit. Die Begleitung im SIB wird von den meisten Klientinnen und Klienten als Lebenswende erlebt, weil sich ihre persön- liche Lebensrealität nachhaltig verändert. Die eigenen Unzu- länglichkeiten, die Probleme, Bedürfnisse und Sehnsüchte werden von einer gefestigteren Persönlichkeit wahrgenommen. Wenn dies geschieht, kann bewusst werden, was wirklich wichtig ist im Leben. ○ Gerd Weiland Leiter ifs SIB-Einzelbetreuung gerd.weiland@ifs.at „Ich habe das nicht gekannt, dass man lieb ist zu mir, dass man immer motiviert ist, immer optimistisch, tolerant, egal was ich gemacht habe.“ wissen ifs Sozialpsychiat- rische Intensivbe- treuung ist ein Spezialprogramm für Jugendliche und junge Erwach- sene mit persönlichkeitsstruktu- rellen Beeinträchtigungen. Diese bedürfen einer therapeutischen Betreuung, die eine Nachreifung und Stabilisierung innerer Struk- tur ermöglicht. Dabei wird das Ziel verfolgt, die Entwicklung der jun- gen Menschen nachzuholen und die innere Struktur zu bilden bzw. zu festigen. „Für mich ist das SIB wie eine Familie geworden und eigentlich bisher eine der schönsten Zeiten in meinem Leben.“

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