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7 Frühling 2015 rechnet der Ostersonntag war? Ich weiß es nicht. Für mich ist es kein Zufall, sondern ein Symbol. Und ein Anker, zur Sicherheit, damit ich ja niemals vergesse, wie es sich anfühlt: im selben Moment zu sterben und neu geboren zu werden, zu verglühen, zu zerspringen, zu schreien und zu jubeln und jede unnötige, verzagte Angst für immer abzuwerfen. Ostersonntag 2008. Meine Tochter Valentina, 22 Monate alt, lag drei Tage nach dem Unfall, bei demmein Mann ums Leben gekommen und mein Sohn mit kaputtem Gehirn ins Koma gefallen war, neben ihrem Bruder auf der Intensivstation. Friedlich wie ein Engel, in künstlichen Tiefschlaf versetzt. Wir bangten um ihr Leben und wussten: Es sieht nicht gut aus. Es sieht nicht gut aus – das sagt man so und, ja, natürlich: Es fühlte sich ganz und gar nicht gut an, am Bett des eigenen Kindes zu stehen und zu beo- bachten, wie sich die Kennzahlen an den Maschi- nen eindeutig in die falsche Richtung bewegen. Und doch sah und spürte ich da noch etwas ganz Anderes. Ich hörte eine warme Stimme, die mir ein Versprechen gab: „Es ist gut. Alles ist gut.“ Etwas in mir bereitete sich vor, wie von selbst. Auf etwas, das zu ahnen wir uns nicht erlaubten, das mir, im Geheimen, jedoch immer weniger grausam erschien. Von da an konnte ich nur mehr beten, dass Valentinas Weg ein guter, sanfter sein möge, egal, wohin er letzten Endes führte. Ein paar Stunden später gin- gen wir, Valentina und ich, gemeinsam auf den großen Weg. Es war spät abends, als die Maschine, an der meine Tochter hing, zu piepen begann. Ein Team von Ärzten schoss herbei, der Chefarzt erklärte mir, dass sie operieren müssten. „Operation“, das fand ich gut. Das klang nach Ret- tung. Ruhig und gefasst folgte ich dem Rat der Schwester, inzwischen spazieren zu gehen. Es gab da einen Wald in der Nähe des Krankenhauses, dort ging ich hin. Ich ging, ging schneller, bergauf, querfeldein. Schließlich rannte ich, so schnell ich konnte. Nein, verstehen Sie mich nicht zu schnell: „Ich hörte eine warme Stim- me, die mir ein Versprechen gab: ‚ Es ist gut. Alles ist gut.‘“

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