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wie 16 Überleben und Ankommen Ein Bericht über Erfahrungen in der Arbeit mit Flüchtlingen Das „Sich auf den Weg Machen“ beginnt schon lange vor einer möglichen Abreise aus der ver- trauten Umgebung. Wenn die Situation in der Heimat täglich schlimmer wird, wenn Schüsse, Bomben, Hunger, Durst und Gewalt ständig mehr werden, wenn man sich nirgends mehr sicher fühlen kann, dann beginnt der Gedanke an ein Weggehen, an eine Flucht immer mehr Gestalt anzunehmen, auch immer mehr zur Hoffnung zu werden. Die Unruhe in den Menschen wächst, immer öfter stellen sich Fragen wie: Gibt es für die Kin- der in diesem Land noch eine Zukunft? Wird die Familie die Strapazen einer Flucht überstehen? Man ist gedanklich bereits auf demWeg. Immer mehr trennt man sich von Dingen, Gewohnheiten, immer mehr wird der Gedanke, sich auf den Weg machen zu müssen, zur Gewissheit. Es gibt letzte Gespräche mit Familienangehörigen und Freun- den, tägliche Abschiede, Trauer um das, was man zurücklassen muss, und doch steht über allem die Hoffnung auf ein Leben in Frieden. Dann ist die schwere Entscheidung gefallen. Alles Vertraute wird aufgegeben, der Weg ins Ungewisse beginnt. Unterwegs trifft man viele andere Flüchtende. Derzeit sind laut Internal Displacement Monitoring Center alleine 6,6 Millionen Syrer auf der Flucht. Und auch Menschen aus dem Irak, aus Afghanistan, Somalia, Pakistan und anderen Ländern fliehen. Sie alle haben sich auf den Weg gemacht, beladen mit viel Schmerz, aber auch mit der Hoffnung auf ein Leben ohne Terror und Gewalt. Auf diesemWeg geht der tägliche Kampf ums Überleben weiter – jede abgestellte Tasche, alle nicht beaufsichtigten Lebensmittel werden geklaut. Um an Hilfe zu kommen, werden andere Flüchtlinge an die Wand gedrückt, getreten, gestoßen. Flüchtlinge erzählen, dass sie 7.000, 8.000 oder 10.000 Euro für ihre Flucht bezahlt haben – immer auch abhängig davon, welche Strapazen die Flucht bedeutet und in welchem Land sie ankom- men werden. Auf dem Fluchtweg gehören teure und gefahr- volle Überfahrten in kleinen Schlauchbooten zum täglichen Kampf. Rund 1.500 Euro kostet eine Überfahrt von der Türkei nach Griechenland. Und dann – nur wenige Kilometer vom Abfahrtsort entfernt – verlangen die Schlepper, dass das Gepäck über Bord geworfen wird. Das Boot kehrt um und nimmt am Strand noch mehr Flüchtlinge auf. Jeder zusätzliche Flüchtling bedeutet zusätzliches Geld. Hungrig, durstig, nur „Sie alle haben sich auf den Weg gemacht, beladen mit viel Schmerz, aber auch mit der Hoffnung auf ein Leben ohne Terror und Gewalt.“ „Und dann – nur wenige Kilometer vom Abfahrts- ort entfernt – verlangen die Schlepper, dass das Gepäck über Bord gewor- fen wird. Das Boot kehrt um und nimmt am Strand noch mehr Flüchtlinge auf. Jeder zusätzliche Flüchtling bedeutet zusätzliches Geld.“
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