ifs_zeitschrift_1_16_sc

31 Frühling 2016 wurde Karen krank, konnte nicht einschlafen, weinte viel und das Aufstehen am Morgen fiel ihr schwer. Dieser Zustand machte Mirko nur noch wütender. Irgendwann vertraute sich Karen ihrer besten Freundin an. Diese hatte schon bemerkt, dass mit Karen etwas nicht stimmt. „Karen, du hast deine Leichtigkeit verloren! Du musst dich von Mirko trennen, so kann es nicht weiter gehen!“, hatte sie gesagt. Flucht von Zuhause Nach 12 Jahren Ehe, einer Nacht mit heftigen Aus- einandersetzungen und der Angst, Mirko könnte wieder zuschlagen, floh Karen mit ihren Kindern in die FrauennotWohnung. Fast einen Monat traute sich Karen nicht mehr aus der Schutzein- richtung. Die Last der Sorgen, wie es weiter gehen sollte, erdrückte sie fast, und die Angst, sie könnte Mirko über den Weg laufen, wenn sie unterwegs wäre, schien unüberwindbar zu sein. Die ifs Frauennotwohnung bietet Frauen mit ihren Kindern, welche häusliche Gewalt erleben, Zuflucht und Sicherheit. Das Haus ist anonym und rund um die Uhr betreut. Der Schutz wird mit aus- reichenden Sicherheitsstandards gewährleistet. Eine wesentliche Aufgabe der Beraterinnen in der ifs Frauennotwohnung ist es, den Klientinnen Möglichkeiten aufzuzeigen, die innere Sicherheit wieder zu erlangen. Vielen Frauen hilft z. B. ein gemeinsamer Spaziergang. Unterwegssein heißt auch draußen zu sein. Mit der Entscheidung sich vom Partner zu trennen und sich Hilfe zu holen, ist ein wichtiger Abschnitt auf demWeg in ein Leben ohne Gewalt geschafft. Schritt für Schritt Unterwegs zu sein, bedeutet für viele Frauen, auch den Weg zu sich selbst wiederzufinden. Damit sind oft starke Ängste und Zweifel verbunden. Die Scheidung durchzustehen, eine neue Wohnung zu suchen, den Alltag neu zu leben und sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden werden als unüberwindbare Hürden empfunden. Die Klien- tinnen setzen sich häufig selbst unter Druck, die Strecke in kürzester Zeit gehen zu müssen. Sie möchten schnell ans Ziel kommen – mit der Hoff- nung, dass es ihnen wieder besser geht, wenn all die existentiellen Dinge geregelt sind. Doch dabei vergessen sie, dass auch die Seele unterwegs ist und ihre eigene Geschwindigkeit hat. In der Beratung halten wir die Frauen dazu an, sich Ruhe zu gönnen, das neue Leben langsam, im eigenen Tempo und mit Bedacht zu planen. Schritt für Schritt gelangen sie wieder zu sich selbst, sind gestärkt und können ihr Vorhaben ganz bewusst verwirklichen. Eine Trennung macht nicht einsam Die Trennung vom Partner kann sehr einschnei- dend sein. Die Angst vor dem Alleinsein hält manchmal sogar davon ab, sich aus einer Gewalt- beziehung zu lösen. Auch wenn das Leben vor einemWen- depunkt steht und es gilt, die Lebenssituation neu zu organisie- ren, so muss eine Trennung nicht einsammachen. Wir unterstützen die Frauen darin, alte Kontakte zu Freunden wieder herzustellen und neue soziale Netzwerke zu knüpfen. Schon das Wissen darum, dass der Klientin eine Beraterin zur Verfügung steht, beruhigt und zeigt auf, dass sie mit ihren Sorgen nicht völlig alleine dasteht. Wenn eine Klientin das erste Mal wieder sagen kann: „Ich bin unterwegs und treffe mich mit einer Freundin!“ ist dies meist ein positives Zeichen. Karen hat es geschafft, ihren eigenen Weg zu gehen. Ihre beste Freundin ist überrascht, wie selbstbewusst Karen wieder geworden ist. Manch- mal ist Karen traurig, aber sie weiß, das gehört da- zu. Sie hat gelernt, mit dieser Trauer umzugehen. Sie freut sich auf ihr neues Leben mit ihren Kin- dern, auf die Wohnung und auf den geplanten Wanderurlaub. Karen ist eine Frau von vielen, die es geschafft haben, unterwegs zu sein in ein Leben ohne Gewalt. ○ Wissen ifs Opferschutz Wer Gewalt erlebt, hat das Recht auf Hilfe und Unterstützung. Denn niemand hat es verdient, Gewalt zu erfahren. ifs FrauennotWohnung Tel. 05-1755-577 frauennotwohnung@ifs.at ifs Gewaltschutzstelle Tel. 05-1755-535 gewaltschutzstelle@ifs.at Daniela Hager, MA DSA (FH) Manuela Köhler ifs FrauennotWohnung

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ2MDY0