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wie 6 schwach ist. Die Methoden, die gerade bildungs- ferne Jugendliche wählen, um von ihrer Umwelt respektiert zu werden, wirken auf den ersten Blick überraschend, wobei diese durchaus nachvollzieh- bar sind. Respektstandards werden üblicherweise der Erwachsenenwelt zugeschrieben und von Jugend- lichen ihnen gegenüber oft als demütigend emp- funden. In der eigenen Peergroup hingegen gelingt es leichter, sich eine Identität und eine Wichtigkeit zu erarbeiten, was für die eigene Entwicklung, für die Eigenwahrnehmung auch notwendig ist. Aus der oft frustrierenden Erfahrung, den seitens der Erwachsenenwelt gestellten Erwartungen nicht zu entsprechen, schotten sich die Jugendlichen ab. Das Ziel lautet dann, zumindest in der Peergroup den so dringend ersehnten Respekt zu erwerben. Folglich wird der Respekt aufgrund der Nega- tiverfahrungen nicht mehr zuerst bei Externen, also Eltern, Lehrern, Chefs oder Sozialarbeitern gesucht, sondern intern, bei der Peergroup. Dabei besteht jedoch die Hoffnung, letztlich von allen genannten Gruppen anerkannt zu werden. Konsum und Körperlich- keit, also Stil und Habitus, werden dabei oft als Maßstäbe herangezo- gen. Aber auch schulischer, beruf- licher und privater Erfolg spielen eine zentrale Rolle – gerade im Hinblick auf die eigene Zukunft. 3 Jugendliche suchen Vorbilder In der Familie können Idealbild und Wirklichkeit dramatisch auseinanderfallen. Es gibt Jugend- liche, deren Alltag durch prekäre familiäre Rahmenbedingungen gekennzeichnet ist. Oft fehlen Respektspersonen und Vorbilder oder die Anerkennung, die sich die Jugendlichen wünschen. Viele Jugendliche teilen die Werte ihrer Eltern, suchen Vorbilder in ihnen und bezeichnen sie als Respektspersonen. Hier zeigt sich umso deutlicher das Problem von Jugendlichen, die ohne Vorbilder oder Orientierungspersonen aufwach- sen. Frühe Familiengründungen liegen beispiels- weise oft in der Sehnsucht begründet, die Teilhabe an der Gesellschaft zu präsentieren und eine eigene Verantwortlichkeit und Daseinsberechti- gung zu geben. Calmbach und Borgstedt beschrei- ben dies so: „Wer sich und seine Familie ernähren kann, kann sich auch des Respekts anderer sicher sein.“ 4 Respekt finden Jugendliche aber auch dann, wenn sie ernst genommen werden und ihnen etwas zugetraut wird. Übermäßige Vorsicht von Eltern und somit wenig Förderung der Selbständigkeit von Jugendlichen wird gemäß unserer Erfah- rungen nicht als positiv und förderlich wahrge- nommen. Im Gegenteil, es regt Jugendliche entwe- der dazu an, weit über das Ziel hinauszuschießen, um die Eltern gewaltsam aus ihrer fürsorglichen Haltung zu befreien, oder es führt dazu, sich selbst nichts zuzutrauen und den eigenen Selbstwert zu untergraben. Es verführt dazu, Meinungen anderer als unreflektiert richtig anzunehmen, seine eigenen Bedürfnisse nach anderen auszu- richten und eigene Wahrnehmungen als unwichtig einzustufen. Respekt in Bezug auf die Jugend von heute bedeu- tet somit eine Balance zwischen Vorbild sein, För- derung der jungen Generation und ein Zutrauen in ihre eigene Selbstwirksamkeit und Fähigkeiten, Dinge anders als wir Alten gestalten, fühlen und leben zu können. Unter anderem kann das eine Grundlage für reflexiven Respekt zwischen Jung und Alt gewährleisten. ○ 1 Barthelmes, J. (1999): Raver, Rapper, Punks, Skinheads und viele andere. Beobachtungen aus jugendkulturellen Szenen. In: Benner, D. et. al. (Hrsg.): Zeitschrift für Päda- gogik. Erziehung und sozialer Wandel, 39, S. 39. 2 Calmbach, M. et.al. (2016): Wie ticken Jugendliche? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Springer. 3 Ebda. 4 Ebda. Wissen ifs Nachgehende Sozialpädago- gische Arbeit ist eine unterstützende Bera- tungsform und verfolgt das Ziel, Jugendliche im Einzelset- ting durch Unterstützung bei der Suche nach individuellen Lösungen sowie bei einer förderlichen Entwicklung zu begleiten. Telefon 05-1755-540 nasa@ifs.at Mag. Sigrid Hieble-Gruber Leiterin ifs Nachgehende Sozial­ pädagogische Arbeit sigrid.hieble-gruber@ifs.at

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