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9 Frühling 2017 tieferen Einblick in das Leben vor dem Einzug in die FrauennotWohnung zu gewähren. Die Gewaltgeschichte der jeweiligen Klientin beinhaltet sehr intime, demütigende und scham- besetzte Erfahrungen. Deshalb ist es für die Bera- tungsbeziehung sehr wichtig, die Signale der Klientin zu verstehen, mit denen sie darauf hindeutet, wo ihre Grenzen der Infor- mationsweitergabe sind. Diese Schran- ken werden selten mündlich kommuniziert, sondern es ist die Kör- perhaltung, der Gesichtsausdruck, der Blick ins Leere, welcher uns einmahnt, das Gewaltthema zu beenden. Der Beratungsprozess – die Autonomie der Klien- tin stärken Wie geht es jetzt weiter? Eine der wichtigsten Fragen nach der Aufnahme in die FrauennotWoh- nung. Grundsätzlich muss jeder Klientin mitgeteilt werden, dass alle weiteren Schritte Zeit brauchen. Der wichtigste Prozess in dieser Phase ist der des Ankommens. Vertraut werden, in Beziehung treten – auf der einen Seite mit der Beraterin, auf der anderen Seite mit den Mitbewohnerinnen der Wohngemeinschaft. Die wichtigste Aufgabe in der ersten Phase des Beratungsprozesses ist die Vermittlung aller wich- tigen Informationen, damit die Klientin eine Vor- stellung bekommt, welche Zukunftsperspektiven es gibt. Ebenso wichtig ist die Botschaft an die Kli- entin, dass sie selbstbestimmt entscheidet, welche weiteren Schritte sie unternehmen möchte. Auf Basis wichtiger Rechtsinformationen hat die Kli- entin schon eine Vorstellung bekommen, wie eine Zukunft ohne den Gewalttäter aussehen könnte. Die Frau entscheidet selbstbestimmt über das weitere Vorgehen und wir respektieren deshalb auch eine Rückkehr zum Täter. Kehrt eine Frau zu ihrem Gewalttäter zurück, ist die Botschaft „Du kannst dich jederzeit wieder an uns wenden“ sehr wichtig. Wir verstehen diese Entscheidung, und je besser es uns gelingt, dieses Verstehen zu kom- munizieren, umso eher wird die Klientin wieder mit uns in Kontakt treten. Die Versprechen des Täters, sich bei der Gewaltberatung zu melden und eine Therapie zu machen, die Versicherung, nie mehr zuzuschlagen, die Beteuerung, keine demü- tigenden Handlungen mehr zu setzen, halten in der Regel nicht lange. Aber das sind unsere Erfah- rungen, und Erfahrungen kann man in der Regel nicht weitergeben. Das Zusammenleben mit fremden Personen In der ifs FrauennotWohnung erwarten wir von allen anwesenden Personen – ob Mitarbeiterinnen, Klientinnen oder deren Kinder – eine Begegnung auf Augenhöhe. Jede Person hat ihre eigene Bio- graphie, befindet sich in einer speziellen Lebens- phase, besitzt unterschiedliche Ressourcen und hat gelernt, anders mit Problemen und Konflikten umzugehen. Durch die räumliche Nähe werden persönliche Informationen – mehr oder weniger bewusst – weitergegeben. Es werden Freundschaf- ten geschlossen und es entstehen Konflikte wie überall, wenn Menschen gezwungen sind, auf engem Raum zusammenzuleben. In den wöchentlich stattfindenden Hausversamm- lungen versuchen wir, die Klientinnen dahinge- hend zu stärken, auszusprechen, was sie momen- tan im Zusammenleben stärkt bzw. was stört. Die Erfahrung, Probleme im zwischenmensch- lichen Bereich anzusprechen, achtsam in der Sprache und Wortwahl, sind Chancen des Lernens und erweitern die Handlungskompetenz für zukünftige schwierige Kon- fliktsituationen. Wir erwarten von unseren Bewohnerinnen, achtsam zu sein – nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch im Umgang mit der Ausstattung. Auch auf dieser Ebene wird Wertschätzung sichtbar, Selbstverständliches kann neu zugeordnet werden. Wir wollen achtsam sein, mit dem, was uns umgibt – auf allen Ebenen, nur dann ist gegenseitiger Respekt möglich. ○ Wissen ifs Frauennot­ Wohnung bietet Frauen und deren Kindern, die von häuslicher Gewalt betrof­ fen sind, Schutz und Zuflucht. Die Beraterinnen sind telefonisch rund um die Uhr erreichbar und auch Aufnahmen können zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgen. Telefon 05-1755-577 frauennotwohnung@ifs.at Cäcilia König, MA Leiterin der ifs FrauennotWohnung caecilia.koenig@ifs.at „Ebenso wichtig ist die Botschaft an die Klientin, dass sie selbstbestimmt entscheidet, welche wei- teren Schritte sie unter- nehmen möchte“

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