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wie 26 keiten und Vorgehensweisen in Bezug auf das Kindeswohl und den Kinderschutz zu finden. In Anlehnung an das deutsche Konzept von Maria Lüttringhaus wurden in vielen Treffen Gefähr- dungsfaktoren benannt und beschrieben. Neben physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt, welche unumstritten in die Liste der Gefähr- dungen gehört, wurde auch „Gewalt in der Fami- lie“, also direkt und indirekt miterlebte Gewalt als eigenständiger Gefährdungsfaktor benannt. „Zu diesen Gewalttaten gehören alle Arten physischer, psychischer, sexueller und struktureller Gewalt- handlungen unabhängig davon, ob sie angedroht oder durchgeführt werden.“6 Vernachlässigung - In 11 Prozent der Familien gibt es Vernachlässi- gungen, wobei die emotionale Vernachlässigung am häufigsten auftritt. Vernachlässigung von Kindern im familiären Kon- text kann im Rahmen von Mangel- und Fehlernäh- rung, mangelnden infrastrukturellen und hygie- nischen Umständen mittels Wahrneh- mungen, Beobach- tungen und Fakten beschrieben und eine daraus resultierende Gefährdung einge- schätzt werden. Hingegen sind emo- tionale Vernach- lässigung und ein destruktives Bin- dungsverhalten weniger klar bzw. eindeutig und deshalb stellt es eine Herausforderung dar, diese zu beschreiben. Meist stehen sie in Zusammen- hang mit den bereits beschriebenen psychischen Erkrankungen oder einem Suchtverhalten von Erziehungsberechtigten. Hinzu kommt, dass diese Art der Kindeswohl- gefährdung über einen längeren Zeitraum beo- bachtet und beschrieben werden muss. Aufgrund dessen, dass es bei emotionaler Vernachlässigung kaum zu akuten Gefährdungsmomenten für Leib und Leben kommt, gibt es wenig rechtliche Hand- lungsmöglichkeiten zum Schutz der Kinder. Die gravierenden negativen Auswirkungen kindlicher emotionaler Vernachlässigung und Deprivation auf das spätere Erwachsenenalter sind jedoch viel- fach erforscht und beschrieben. Trotz widriger Umstände gut aufwachsen Nur selten kommen die erhobenen belastenden Lebensumstände jeweils isoliert in Familiensyste- men vor. Fast immer ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren und Umständen, die sich wie- derum bedingen und so manche Familiendynamik über Jahre und Generationen aufrechterhalten. Dies ist mit ein Grund, weshalb die aktuelle Lite- ratur des Öfteren von „erschöpften Familien“ spricht, die trotz persönlichen und familiären Ressourcen sowie sozialer und professioneller Unterstützung nur mit großer Mühe und viel Ener- gieaufwand ihren Alltag meistern können. Es ist unumgänglich, schwierige Lebensumstände von Familien zu erforschen, zu benennen und Verände- rungen anzustreben, die in den jeweiligen Hand- lungsspielräumen der Politik, der Gesellschaft, des Sozialsystems und der professionellen Helfer ste- hen – um Kindern die Möglichkeit zu geben, trotz widriger Umstände gut aufwachsen und sich zu gesunden Erwachsenen entwickeln zu können. Nichtsdestotrotz lassen wir uns nicht von diesen Schattenseiten paralysieren, denn Schatten gibt es nur dort, wo auch Sonne ist. So zeigen sich in unserem Arbeitsalltag wiederholt und stetig große und kleine Erfolge, wenn es gelingt, Familien so zu stärken, dass diese wieder mehr in die Kraft kom- men und handlungsfähig werden, wodurch Kinder Schutz erfahren und bessere Entwicklungschan- cen haben. ○ 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJH-G LGBl. Nr. 29/2013 / Datum des Inkrafttretens 01.10.2013. 2 Amt der Vorarlberger Landesregierung, Landesstelle für Statistik (2017): Kennzahlen zur sozialen Lage in Vorarl- berg. In: http://www.vorarlberg.at/pdf/kennzahlenzurso- zialenlag1.pdf (30.04.2018). 3 Die Armutskonferenz (o. J.): FAQs zum Thema Armut. Was ist Armut? In: http://www.armutskonferenz.at/armut-in- oesterreich/faqs-zum-thema-armut.html (30.04.2018). 4 Lenz, Albert (2014): Kinder psychisch kranker Eltern. In http://verlag-hanshuber.ciando.com/img/books/ extract/3840925703_lp.pdf (30.04.2018), S. 5-7. 5 Grüner Kreis (o. J.): Suchtkranke Eltern mit Kindern. In: https://www.gruenerkreis.at/suchtkranke-eltern-mit- kindern (30.04.2018). 6 Dialogplenum öffentliche und private Kinder- und Jugendhilfe Vorarlberg; Mai 2016. Mag. Annette Heinzle, MPH Leiterin ifs Familienarbeit annette.heinzle@ifs.at „Die aktuelle Literatur spricht von ,erschöpften Familien‘, die trotz per- sönlichen und familiären Ressourcen sowie sozi- aler und professioneller Unterstützung nur mit großer Mühe und viel Energieaufwand ihren Alltag meistern können.“

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