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7 Sommer 2018 ten – ein neuer Job oder eine Krise, die Neuorien- tierung erfordert. Ich denke, Zukunftsplanung kann für jeden Menschen nützlich sein. Existen- ziell wichtig ist sie für Personen, die einen Unter- stützungsbedarf haben, die ohne Unterstützung ihre Ziele nicht oder nur schwer erreichen können. Unterstützungskreise sind beispielsweise für Familien mit Kindern mit einer Beeinträchtigung hilfreich, ebenso für ältere Menschen, die z. B. an Demenz leiden und bei denen sich die Frage stellt, wie die Unterstützung im Sozialraum gut organisiert werden kann. Sie kann Jugendlichen Orientierung bieten, die noch nicht wissen, wo sie im Leben hin möchten, wie sie ihren Platz in der Gemeinschaft, im Arbeitsleben finden. Aber Zukunftsplanung und besonders die Arbeit mit Unterstützungskreisen kann auch für Menschen in einer Krise sinnvoll und entlastend sein. Im Bereich der Psychiatrie gibt es den Ansatz des „Open Dialog“, in dessen Rahmen eine Art Unter- stützerkreis als Krisenintervention genutzt wird. Innerhalb von drei Tagen trifft sich ein Unterstüt- zerkreis mit allen beteiligten Profis und Nicht- Profis. In einem ersten Schritt geht es darum, die Situation gemeinsam auszuhalten, und dann in einem zweiten Schritt zu schauen, was es braucht, um die Krise gut meistern zu können. Insofern glaube ich, dass die Methode der Zukunftsplanung Kreise zieht und vom engen Fokus, nur etwas für Menschen mit einer Beein- trächtigung zu sein, abrückt. Es macht Sinn zu erkunden, für welche anderen Zielgruppen Zukunftsplanung sinnvoll und unterstützend ist. Gibt es bereits Best-Practice-Bespiele mit anderen Personengruppen? In England wird das spannende Projekt „Commu- nity Circles“ von Helen Sanderson durchgeführt. Die Idee ist es, Unterstützungskreise zielgruppen- übergreifend in einer Region zu verankern – nicht an Einrichtungen gebunden, sondern mit einem „Community Circle-Connector“, also mit einer Art Netzwerkknotenperson, die die Idee von Unter- stützungskreisen bekannt macht. Es werden dann z. B. Zukunftsplanungen für ältere Menschen, für Kinder oder Jugendliche angeboten. Und so wird die Persönliche Zukunftsplanung zu einem Instru- mentarium gemacht, das unabhängig von Beein- trächtigungen von allen, die sie benötigen, genutzt werden kann. Das ist eine spannende Entwicklung. Zukunftspla- nung wird als unabhängige Beratung angeboten, als Möglichkeit, Unterstützung zu organisieren und wirklich inklusiv also zielübergreifend, zu denken. Es ist wichtig zu überlegen, wie die Kraft des Kreises genutzt werden kann. In der Sozialen Arbeit gibt es verschiedene versammelnde Metho- den, wie z. B. den „Familienrat“, der in der Jugend- hilfe eingesetzt wird, sodass Familien eigenstän- dig Problemlösungen finden, die für ihr Kind sinnvoll sind. Es gilt darauf zu vertrauen, dass die Personen im nahen persönlichen Umfeld mit fach- licher Hilfe Lösungen finden, die passgenauer sind als jene, die Profis und Exper- ten sich überlegen. Auch Probleme stellen immer eine gute Möglichkeit dar, Menschen zu versammeln. Man kennt das z. B. im Zusammenhang mit Natur- katastrophen, wenn plötzlich Menschen, die sich sonst nicht kennen, miteinander arbeiten und beispielsweise bei einem Lawinenabgang den Schnee beseitigen. Es ist wichtig, den Menschen die Probleme nicht wegzunehmen, sondern Pro- bleme als Chance zu nutzen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Es stärkt uns, wenn wir eine Lösung finden, die passend ist. Der Aspekt der Stärkung, der Wir-Hilfe ist sehr span- nend. Gleichzeitig glaube ich aber, dass es – kultu- rell bedingt – bei uns schambehaftet ist, andere in seine Probleme miteinzubeziehen und sich in seiner Verletzlichkeit zu zeigen. In Unterstüt- zungskreisen erleben wir aber immer wieder, dass sich Betroffene gesehen und gestärkt fühlen. Es geht nicht darum, sich dafür zu rechtfertigen, was alles schiefgelaufen ist, was man nicht kann, son- dern gemeinsam zu überlegen, wie es gut werden kann. Ich glaube, sowohl für Jugendliche als auch für Menschen in Krisensituation oder für Familien mit einem Kind mit einer Mehrfachbehinderung ist das gemeinsame Nachdenken, das Entwickeln von Visionen und Bildern sehr wichtig. Oftmals haben die Betroffenen selbst gar keine Bilder, wie es sein könnte, doch eine erstrebenswerte Vision, die vorstellbar und nachfühlbar ist, ist sehr wich- tig. Es macht Mut, ganz nach demMotto: „Wenn Hoffnung in der Zukunft liegt, liegt Kraft in der Gegenwart“. Ich kann mir auch vorstellen, dass Unterstützungskreise eine gute Möglichkeit bie- ten, die Arbeit für Menschen mit Fluchterfahrung zu koordinieren. Ich kann mir ganz vielfältige Felder vorstellen. Zur Person Dr. Stefan Doose ist Sozial-, Behinderten- und Berufspädagoge und unterrichtet an der Fachschule für Sozial- und Heilpädagogik in Lensahn. Er ist Geschäftsführer der Bundes- gemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung und arbeitet im europäischen „New Path to Inclusion“-Projekt mit. Zudem ist Doose als frei- und nebenberuf- licher Dozent, Autor, Projektent- wickler, Forscher und Zukunfts­ planer tätig.

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