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Kolumne 9 Als Kind habe ich oft befürchtet, dass ich nicht dazugehören könnte. Ich war mit Abstand der Kleinste und Jüngste in der Runde von großen Geschwistern und größeren und älteren Kin- dern in der Nachbarschaft. Da muss man sich anstrengen, um gesehen zu werden. Und häufig geht man dabei unter. Das hat mich geprägt. Mir war damals schon klar: Das muss sich im Laufe des Lebens ändern. Und es hat sich geändert. Manches ganz ohne mein Zutun. Ich wurde grö- ßer. Groß genug, um den Überblick zu bewahren. Und ich wurde älter. So alt, dass bereits viele Kol- leginnen und Kollegen im ifs meine Kinder sein könnten. Daneben gab es aber ganz viele wichtige Men- schen und gute Gelegenheiten, die es mir ermög- licht haben, gesehen zu werden. In meiner Fami- lie waren die. Oder Erwachsene, die ein Auge auf mich gerichtet hatten und mich förderten. Freunde in der Schule oder bei den Pfadfindern. Auch Lehrerinnen und Lehrer, die mir vorlebten, wie man es schafft, das Leben zu meistern. Oder Chefs, die an mich glaubten. Und die mir immer genug Mut gemacht haben, mindestens den näch- sten Schritt zu machen. Der übernächste kam dann wie von selbst. Dabei hat es Rückschläge und Abstürze gegeben. Nur so funktioniert gutes Leben. Ohne andere Menschen sind wir außer uns, stehen daneben und gehören nicht dazu. Wissen Sie, was Menschen, die in Armut leben, häufig ammeisten bedrückt? Die Tatsache, dass sie nicht dazugehören. Dass sie niemanden einla- den können. Dass sie sich zurückziehen müssen. Und dass sie nicht gesehen werden. Das berichten Betroffene. Als Gesellschaft müssen wir uns fragen, wie wir mit diesen Personengruppen umgehen. Nicht jeder von uns hat das Glück, in einem Umfeld aufzu- wachsen, in dem es ihmmöglich ist, zu wachsen und ganz selbstverständlicher Teil eines großen Ganzen zu sein. Für diese Menschen braucht es einen gesellschaftlichen Ausgleich. Das können Personen sein, die bereit sind, ihre Aufmerksamkeit zu teilen. Dazu gehören aber auch gerechte Löhne. Und für diejenigen, die sich selbst nicht erhalten können, faire und ausrei- chende Unterstützungsleistungen. Es ist auf Dauer nämlich teurer Menschen zurück- zulassen und auszugrenzen. Und das werden wir uns wohl nicht leisten wollen? Sehen und gesehen werden lautet die Devise. Nicht nur im Straßenver- kehr. Auch im Umgang miteinander. ○ Dazugehören Oder: Sehen und gesehen werden Peter Kopf Leiter ifs Schuldenberatung peter.kopf@ifs.at

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