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13 Frühling 2019 Einzelgänger wäre nicht möglich gewesen. Die daraus resultierende Lernerfahrung wird noch heute fühlbar, wenn wir eine Weile auf uns selbst zurückgeworfen sind. In so einem Fall wächst das Gefühl der Bedrohung. Obwohl das bewusst gewählte Alleinsein oft als eine befriedigende menschliche Erfahrung bewertet wird, steigt nach einer gewissen Zeit das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen. Da Einsamkeit ein häufig tabuisiertes Thema ist und konkrete Folgen von Einsamkeit Rückzug und damit Sprachlosigkeit sein können, sitzen wir in der Beratung an der Quelle des Lösungsprozesses. Nicht umsonst ist eine der wesentlichen Fragen im Erstgespräch, über wie viele verlässliche Kontakte Menschen wirklich verfügen. Und nicht umsonst bildet Beziehungsarbeit den wesentlichen Schwer- punkt unserer Beratungsarbeit. Per definitionem handelt es sich bei Einsamkeit nämlich um einen Zustand, bei demman subjektiv empfunden an zu wenigen oder qualitativ nicht hochwertigen Bezie- hungen leidet. Trotz der in den Kinderschuhen steckenden For- schung zur Einsamkeit gibt es Studien, die eine enge Wechselwirkung zwischen Stress und Ein- samkeit festgestellt haben. Wenn wir uns nicht zugehörig fühlen, reagieren wir empfindlicher auf Stress. Durch Einsamkeit produzierter Stress kann sich wiederum chronifizieren und damit zu schwerwiegenden körperlichen und psychischen Erkrankungen führen. Langzeitige Einsamkeit ist assoziiert mit Herz-Kreislauferkrankungen, nied- rigerer Lebenserwartung, Übergewicht, Suchter- krankungen, Depression und kognitivem Abbau im Alter. Je länger soziale Isolierung andauert, umso schwerer wird die Rückkehr in die Gemeinschaft, was einen gefährlichen Teufelskreis in Gang setzt. Am Rande zu stehen und zu versuchen „hinein“ zu kommen, kann gerade für sehr sensible, bereits belastete oder alte Menschen eine große Herausforderung darstellen. Im hohen Alter kann Einsamkeit spezielle Ursa- chen haben, die anders als in jüngeren Jahren schwerer abgewendet werden können. Wenn Partner, Kinder und andere Familienmitglieder sowie Freunde wegsterben oder die Gesundheit irreparable Schäden erlitten hat, so kann weder das eine noch das andere leicht wiederhergestellt oder ersetzt werden. Einer der ausschlaggebenden Faktoren, weshalb Menschen in die Isolation kommen, liegt neben Alter, Trennung, Jobverlust, Umzug, Migration und Flucht sowie psychischen Störungen auch in der Armut. Zwar kann die Einsamkeit Menschen aller Schichten treffen, jedoch erschwert eine durch Mangel gekennzeichnete finanzielle Situation den Auf- bau, die Pflege und den Erhalt von Beziehungen, da Geld für Einladungen, Geschenke und kulturelle Ereignisse fehlt. Außerdem verfügen ärmere Menschen über weniger res- sourcenstarke Kontakte. Es gibt fast kein theoretisches Konstrukt in der Psychologie, das nicht in mindestens einem Punkt betont, dass Bindung, Verbundenheit, soziale Einge- bundenheit und das Gefühl, geliebt und wertvoll zu sein, existenzielle menschliche Bedürfnisse sind. Das Schöne ist, dass wir mit unserer Arbeit dieses Bedürfnis tagtäglich nähren können und damit Resonanz beim Gegenüber erzeugen – Zusammenhalt kann so einfach sein. Die Chance unserer Arbeit in der Beratung liegt genau darin, eine der wenigen Personen im Netzwerk einer Klientin oder eines Klienten zu sein und durch eine solide Beziehungs- arbeit einen Anker zu setzen und eine positive Lernerfahrung zu ermöglichen. Ein Klient sagte passend zu dem Thema einmal folgendes: „Ein Tag mit einem guten Gespräch ist ein guter Tag.“ Das eigene Innere zusammenhalten Perspektive Soziale Arbeit In der Arbeit mit älteren Menschen fällt auf, dass relativ offen mit dem Thema Einsamkeit umge- gangen wird. Den älteren Menschen ist bewusst, dass zu viel Einsamkeit nicht gut tut, und sie suchen gezielt nach Gegenstrategien, um innerlich im Gleichgewicht zu bleiben. Gleichzeitig gibt es auch solche, die ein bestimmtes Maß an Alleinsein benötigen, um immer wieder zu sich selbst finden zu können. Das richtige Maß entscheidet. Eine Frau berichtet, dass ihre aufregende Arbeit „Obwohl das bewusst gewählte Alleinsein oft als eine befriedigende menschliche Erfahrung bewertet wird, so steigt nach einer gewissen Zeit das Bedürfnis nach Kon- takt mit anderen. “ Wissen ifs Regionale Sozialberatung ist die zentrale Anlaufstelle für alle Menschen in Vorarlberg, die soziale Fragen zur Existenzsicherung oder psychosoziale Probleme haben. Wir widmen uns Ihren konkreten, aber auch den noch unklaren Anliegen, bieten Unterstützung bei der Klärung sowie Beratung. Wir helfen Ihnen in Krisensituati- onen und vermitteln nach Wunsch und Bedarf zu weiterführenden Angeboten. Sie erreichen uns ohne Voranmeldung an den Regionalen Sozialberatungsstellen in Bregenz, Dornbirn, Hohenems, Feldkirch, Bludenz und Egg. www.ifs.at/ regionale-sozialberatung

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