ifs_zeitschrift_1_19_sc

15 Frühling 2019 einander mit. Es entstehen Freundschaften. Sie freuen sich, sich im Kurs zu begegnen. So hat z. B. eine Teilnehmerin eine andere, für die es schwie- rig war, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen, täglich mit dem Auto abgeholt und in den Kurs mitgenommen. Die unterschiedlichen Lebenserfahrungen schaf- fen unterschiedliche Haltungen zu Bildung. Schul- abbrecher treffen auf Menschen, denen es nicht erlaubt war oder die keine Möglichkeit hatten, die Schule zu besuchen. Umgekehrt treffen Menschen aus Ländern mit einem anderen Bildungssystem auf Jugendliche und junge Erwachsene, die die Erfahrung gemacht haben, dass der österrei- chische Arbeitsmarkt ohne einen Pflichtschulab- schluss nur wenige Möglichkeiten bietet. Keine Moralpredigt von Sozialpädagogen oder Leh- renden kann die Botschaft „Bildung ist ein hohes Gut, essentiell und nicht selbstverständlich“ so gut vermitteln wie diese Lebenserfahrungen. Ein gemeinsames Ziel kann trotz vieler anderer Unter- schiedlichkeiten Zusammenhalt fördern. Zusam- menhalt bedeutet, in die gleiche Richtung zu gehen, am gleichen Strang zu ziehen. Das gilt für die Kursteilnehmer ebenso wie für die Lehrenden. Seit sechs Jahren verbringen wir gemeinsam mit jeder Kursgruppe drei Tage auf einer Hütte. Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Herausforderung, ein Verlassen der Komfortzone. Aber es geht darum, sich mit sich selbst und seinen Grenzen auseinanderzusetzen, mit seinen Bedürf- nissen einen Platz in der Gruppe zu finden und zu erleben, was Zusammenhalt und Zusammenarbeit alles bedeuten kann. Ohne Zusammenhalt in einer Gruppe kämpft jeder für sich alleine, schaut jeder nur auf sich. Die Gefahr steigt, sich nicht überwinden zu können, amUnterricht teilzunehmen, die Lust, zu Hause zu lernen, schwindet. Wer nicht imUnterricht war, bekommt keine Informationen, was er versäumt hat, gerät lerntechnisch ins Hintertreffen, fühlt sich allein gelassen, isoliert und stellt sich die Frage: „Warum soll ich etwas für die anderen tun?“ Des- halb ist Zusammenhalt zu fördern ein wesentlicher Bestandteil des Pflichschulabschlusskurses, denn „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ ○ Diana Pietschmann, MSc diana.pietschmann@ifs.at Mag. (FH) Barbara Fröwis barbara.froewis@ifs.at Rafaela Schwer rafaela.schwer@ifs.at ifs Regionale Sozialberatung Einsamkeit bleibt oft unerkannt, wird versteckt, sie ist hinter- hältig, allgegenwärtig und zieht sich durch alle Lebensabschnitte und Gesellschaftsschichten. Ob Arbeitslose oder Leistungsträger auf dem Zenit ihres Erfolgs, ob alleinerziehende Mutter, Rentner oder Schüler – sie alle können an Einsamkeit leiden. Wer ein- räumt, einsam zu sein, beichtet einen vermeintlichen Defekt. Er stigmatisiert sich, wird noch einsamer. Ein Teufelskreis. Der Psychiater und Mediziner Walter Möbius und der Autor Christian Försch wollen mit ihrem Buch „7 Wege aus der Einsamkeit“ zweierlei liefern: Dia- gnose und Therapie. Das heißt, die Autoren wollen Anzeichen von Vereinsamung benennen, um Kri- terien für eine Selbsteinschätzung zur Verfügung zu stellen. Vor allem aber wollen sie konkrete Hilfestellungen zur Überwindung der Einsamkeit geben. Sie erklären, wie man die Fähigkeit zum Miteinander wiedererlangt und warum wir sie gerade heute in unserer radikal marktorientierten Kommunikationsgesellschaft so oft verlieren. Zudem führen die Anforderungen durch unsere immer effizientere und schnellere Arbeitswelt zu Dauerstress, einem der Hauptrisikofaktoren für Einsamkeit. Anhand vieler Fallbeispiele beschreiben die Auto- ren, wie man sich aus gedanklichen und emotio- nalen Zwängen befreit und den Prozess aufhalten und umkehren kann. Die Akzeptanz der eigenen Person und der eigenen Grenzen ist dabei ebenso wichtig wie Spielfreude, Sinnlichkeit und Neugier. Walter Möbius/Christian Försch 7 Wege aus der Einsamkeit und zu einem neuen Miteinander DuMont, 2019 Walter Möbius / Christian Försch 7 Wege aus der Ein- samkeit und zu einem neuen Miteinander Praxisnahe Hilfe für ein großes gesellschaftliches Problem Buchtipp

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ2MDY0