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7 Frühling 2019 men-Halt“ großgeschrieben und ist für die meisten Talbewohner eine Selbstverständlichkeit. Stark geprägt hat die Walser hierfür ihre Geschichte. Seit Beginn der Besiedlung haben die Menschen gelernt, dass Zusammenhalt die Grund- voraussetzung für ein Überleben und Zusammen- leben in dieser abgeschlossenen Talgemeinschaft ist. Die ersten Bewohner des Kleinwalsertals waren fünf Walliser Familien, die um das Jahr 1300 aus politischen und wirtschaftlichen Gründen aus der Schweiz über den Hochalppass kamen und sich im unbewohnten Breitachtal niederließen. Die nächsten Jahrhunderte kämpften sie um ihre Rechte. Aufgrund fehlender Straßenverbindungen zum übrigen Staatsgebiet war der Warenaustausch mit Österreich fast unmöglich. Landwirtschaft- liche Produkte wie Vieh, Käse und Butter wurden deshalb nach Bayern verkauft, bis ihnen um 1880 verboten wurde, die Waren weiterhin ins Allgäu auszuführen. Von da an mussten die Bauern ihr Vieh und ihre Waren über die Berge nach Vorarl­ berg bringen, um zu überleben. Sie verkauften das Vieh zu für sie ungünstigen Preisen, um es nicht wieder über die Berge treiben zu müssen. Die Walser kämpften viele Jahre um eine Sonderwirt- schaftszone, die sie 1891 erhielten, was den freien Warenverkehr für landwirtschaftliche Produkte mit Deutschland wieder ermöglichte. Mit dem Bau des ersten Sessellifts 1950 lebten die Walser nicht mehr ausschließlich von der Landwirtschaft, son- dern der Tourismus hielt Einzug und krempelte deren Leben grundlegend um. Es gab einen wirt- schaftlichen Aufschwung. Aber auch heute noch ist eine Rundum-Versorgung der Tal- bewohner nicht immer unpro- blematisch. ImArbeitsalltag bekommt die Mitarbeiterin der ifs Sozialarbeit Kleinwalsertal von Kooperationspartnern nicht selten zu hören: Wir kom- men als Beratungsstelle überall hin, aber ins Kleinwalsertal nicht, das ist zu abgelegen. Auf der anderen Seite fahren die Kleinwalsertaler ohne Mühe ins Ländle oder noch weiter: Mal schnell einen halben Tag gearbeitet und nach der Mittagspause beispiels- weise noch einen Termin beimGericht in Feldkirch. Das ist Alltag. Und weil die Hilfe von außen oft- mals nicht kommt, hat das Kleinwalsertal eigene Lösungen geschaffen, um zusammen zu „überleben“ – die hartenWinter, die Touristenströme mit hohen Ansprüchen, Sonderlösungen für Beratungen, Hilfe bei Naturkatastrophen. Der Zusammenhalt aus einer Not heraus funktioniert sehr gut. „Das Leben in den Bergen ist beschwerlich – besonders für die Alten und Bedürf- tigen. Was für die Gäste der wahre Traum eines Winter- märchens darstellt, ist für manche Talbewohner eine Herausforderung.“

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