ifs_zeitschrift_2-11

www.ifs.at Seite 15 Schüchterne Menschen reagieren in sozialen Situationen scheu, ängstlich und zurückhaltend. Unsicherheit und Schüchternheit und deren übersteiger- te Form, die Sozialphobie, treten in Situ- ationen auf, in denen man sich vor den Mitmenschen zeigen muss und deren Beachtung und Aufmerksamkeit ausge- setzt ist. Schüchterne Menschen haben Angst vor dieser Beachtung und Auf- merksamkeit, Angst von ihren Mitmen- schen kritisch beobachtet und beurteilt zu werden. Das können Situationen in der Schule sein, in denen sich der/die SchülerIn zu Wort melden muss oder im sozialen Umgang beim Ansprechen von einem Mädchen/Jungen, der/die einem gefällt. Bei schüchternen Menschen löst dies Ängstlichkeit bis Angst mit begleiten­ den psychosomatischen Reaktionen wie Erröten, kalte und feuchte Hände, Stot­ tern, Herzklopfen, Kloßgefühl im Hals etc. aus. Was sind die Gründe für soziale Ängste? Ursache dieser Ängste können ein man­ gelhaftes Selbstwertgefühl und Selbst­ wirksamkeitsgefühl sowie eine damit verbundene, negativ gefärbte Selbstauf­ merksamkeit sein, d.h. ein überkritisches Beschäftigen mit der eigenen Person, dem eigenen Verhalten und der mögli­ chenWirkung auf andere. In der Zeit der Pubertät und der Jugend­ phase treten diese Ängste stärker auf, da eine neue Lebensphase und die da­ mit verbundenen Herausforderungen Ängste und Unsicherheit auslösen bzw. verstärken können. Wie sollte der Betroffene mit Schüchternheit umgehen? Es ist wichtig, sich ängstigenden Situ­ ationen zu stellen und diese nicht zu vermeiden. Am besten gelingt dies mit Hilfe einer Begleitperson, der man ver­ traut. Dadurch verringert sich die Unsi­ cherheit und Schüchternheit. Durch das Vermeiden trauen sich die Betroffenen nach und nach immer weniger zu und ziehen sich immer mehr zurück. Wich­ tig ist, dass schüchterne Menschen den Teufelskreis der Vermeidung durchbre­ chen und sich Schritt für Schritt den Herausforderungen stellen, vor denen sie Angst haben. Am erfolgreichsten ist der Weg der kleinen Schritte. Wenn ein Jugendlicher beispielsweise erfolgreich gemeistert hat, einen Schulkollegen um Hilfe zu bitten oder ihn mal zu sich einzuladen, kann er sich nach und nach schwierigeren Aufgaben imZusammen­ hang mit seinen Mitmenschen stellen, zum Beispiel sich in der Schule zu Wort melden oder sich mit Freunden zu ver­ abreden. Ich würde einem/einer Jugendlichen ra­ ten sich vorzustellen, was im schlimms­ ten Fall passieren könnte, wenn er/sie es z.B. wagt, ein Mädchen, einen Jungen, das/der ihm/ihr gefällt anzusprechen. Im schlimmsten Fall könnte wahrschein­ lich eine peinliche Situation entstehen oder er/sie könnte einen Korb bekom­ men. Oft sind die Befürchtungen schlim­ mer als die Erfahrungen in der Realität. Wie können Bezugspersonen die betroffenen Jugendlichen unterstützen? Wichtig ist, die Jugendlichen nicht zu­ sätzlich unter Druck zu setzen. Es kommt eher darauf an, ihnen Selbstvertrauen zu geben und ihnen aufzuzeigen,wo seine/ ihre Talente und Stärken liegen. In der Schule können diese Jugendlichen ihre Fähigkeiten in schriftlichen Arbeiten si­ cherlich besser unter Beweis stellen als in Referaten. Schüchterne Jugendliche brauchen vor allemVerständnis. Strenge ist hier fehl am Platz. Ist die Beschäftigung mit Computer und Internet hilfreich für schüchterne Jugendliche? Die Beschäftigung mit dem Computer hat für schüchterne Menschen zwei Sei­ ten. Einerseits erleichtert das Internet – vor allem das von Jugendlichen gern genutzte Facebook – das Kennenlernen von Gleichaltrigen und ist für die ers­ ten Schritte der Kontaktanbahnung gut geeignet. Vor allem schüchterne Men­ schen können in einer anonymen und deshalb weniger ängstigenden Art und Weise Menschen kennenlernen. Wer je­ doch FreundInnen oder eine/n PartnerIn kennen lernenmöchte,muss den Schritt in die Realität wagen. Computer und Internet können für schüchterne Menschen auch eine Ge­ fahr darstellen, ängstigenden Erfah­ rungen in der realen Beziehungswelt auszuweichen und sich in eine virtuelle Scheinwelt zu flüchten. ● Dr. Andrea Wilburger-Ölz Leiterin IfS-Kinder- und Jugendberatung andrea.wilburger-oelz@ifs.at Die Angst vor der Aufmerksamkeit der anderen Schüchternheit bei Jugendlichen

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