ifs_zeitschrift_2-11

www.ifs.at Seite 20 Unsere KlientInnen im IfS-Kinderschutz und in der IfS-Prozessbegleitung sind Kinder, die sexuell missbraucht oder misshandelt wurden, sowie Erwachse- ne, denen dies als Kind widerfahren ist oder die im Erwachsenenalter sexuelle Gewalt erlebt haben. Oft ist Angst die Folge solcher Erfahrungen. Kinder rea- gieren mit gerichteter Angst auf Perso- nen oder Situationen, manchmal aber auch mit ungerichteter Angst: Das Kind wird in seinem ganzen Verhalten we- sentlich ängstlicher. Die Symptome,die nach sexuellemMiss­ brauch entstehen, sind vielfältig. Am häufigsten treten – neben altersunan­ gemessenem Sexualverhalten – Ängste in unterschiedlichsten Erscheinungsfor­ men und Ausprägungen auf. Ein Kind, das sexuell missbraucht wor­ den ist, hat oft Angst, es jemandem zu erzählen. Vielleicht hat der Täter ihm gedroht, zumeist weiß das Kind aber in­ stinktiv, dass es die Menschen in seinem Umfeld sehr erschrecken wird, wenn es von den Geschehnissen erzählt. Manch­ mal erzählen die Kinder gar nicht oder erst nach einigen Monaten oder Jahren von den Übergriffen. Leichter fällt es dem Kind, wenn der Täter kein Famili­ enmitglied ist. Dann ist die Mitteilung weniger bedrohlich und der familiäre Schutzraum nicht in Gefahr. Je näher der Täter dem Kind steht, desto stärker ist die Bedrohung für diesen so wichti­ gen Schutzraum. Vertrauensbasis stärken Weitere Ängste können sein: Angst vor Dunkelheit, vor dem Alleinsein, vor Männern, Albträume, aber auch weni­ ger spezifische Ängste wie z.B. Schul­ angst. Treten solche Ängste auf, gilt es, aufmerksam zu sein und nachzufragen. Die Ursachen können vielfältig sein, von einem Symptom allein kann nie auf ei­ nen sexuellen Missbrauch geschlossen werden. Aber wir können offen sein und die Vertrauensbasis stärken, sodass sich uns das Kind letztendlich anvertrauen kann, wenn es sexuellen Missbrauch er­ lebt hat. Die Folgen des sexuellen Missbrauchs sind sehr unterschiedlich. Diese hängen von der Tat an sich, der Dauer, der Nähe des Täters, vomAlter, aber auch ganz we­ sentlich von der Reaktion der Mutter, der Familie, der Bezugspersonen ab. Güns­ tig wirkt es sich aus, wenn sie dem Kind glauben, es unterstützen, ruhig bleiben, da sind, Hilfe holen. Die möglichen Sym­ ptome oder Verhaltensauffälligkeiten sind normale und sinnvolle Reaktionen auf eine nicht normale Realität. Sensibles und einfühlsames Erfragen Wenn das Kind traumatisiert ist, dann reagiert es auf der körperlichen, emo­ tionalen und geistigen Ebene. Wir kön­ nen auf die körperlichen Reaktionen des Kindes achten. Es spürt vielleicht ein Zusammenziehen des Bauches, einen Druck auf der Brust. Vielleicht nehmen Sie wahr, dass das Kind kalte Hände hat oder blass ist. Wenn wir nachfragen, kann uns das Kind vielleicht berichten. Nehmen Sie dieses Spüren des Kindes ernst, ermutigen Sie es, dabei zu bleiben. Dieses Spüren kann sich verändern, zum Beispiel kleiner oder größer werden. Dann fragen Sie nach dem Gefühl: Viel­ leicht zeigt sich ein Gefühl von Angst, Wut, Unsicherheit, Scham, Schuld, Ver­ wirrung oder anderes. Es fügen sich viel­ leicht Gedanken an: Das Kind benennt eine Erinnerung oder hat einen Einfall. Das Kind soll nicht zum Erzählen ge­ drängt werden. Es kann durch Erfragen und Bestätigen darin unterstützt wer­ den, sich selbst, seine körperlichen Emp­ findungen und seine Gefühle wahr- und ernst zu nehmen. Dies ist umso besser möglich, wenn Sie dies bei sich selbst können. Ich schlage Ihnen eine Übung vor: Rich­ ten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Körper und nehmen Sie wahr, was in Ihrem Körper vorgeht. Wie fühlt sich Ihr Bauch an, Ihre Brust, Ihr Hals? Ist es angenehm? Ist es unangenehm? Ent­ spannt? Angespannt? Und bleiben Sie einfach bei Ihrer Körperempfindung und beobachten Sie, ob sie sich verändert. Sie können dann darauf achten, wel­ che Gefühle und Gedanken auftauchen. Diese Übung können Sie in unterschied­ lichen Situationen machen: beim Hören von Musik, bei einem Spaziergang oder beim Lesen eines Artikels über Gewalt. Welches sind die Unterschiede? Wenn Sie mit Ihren Empfindungen und Emotionen verbunden bleiben, können Sie Kindern besser beistehen, dies auch zu tun. ● Angst als Hinweis auf erlittene Gewalt? IfS-Kinderschutz facts IfS-Kinderschutz St. Annastraße 2 6900 Bregenz T 05574/42890 E ifs.bregenz@ifs.at IfS-Prozessbegleitung Kinder: T 05574/42890 Erwachsene: T 05522/82440 Dr. Ruth Rüdisser Leiterin IfS-Kinderschutz ruedisser-rall.ruth@ifs.at

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