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www.ifs.at Seite 6 Unternehmen werden nicht zuletzt durch Menschen und Botschaften ge- prägt. So auch das IfS. Nicht selten steht eine Vision am Beginn. Eine Vision, die maßgeblich durch Sie geprägt war.Was war das damals für ein Zukunftsbild? Die Erfahrungen, die ich gleich nach Übernahme der Sozial- und Gesund- heitsabteilung gemacht habe, zeigten eindrücklich, dass die Sozial- und Gesundheitsprobleme mit den staat- lichen Strukturen nicht gelöst werden konnten. Ich suchte daher nach einem privaten Träger, der diese Aufgaben übernehmen sollte. Aber bei uns gab es damals praktisch keine Sozialeinrich- tungen, Vorarlberg galt auf sozialem Gebiet als unterentwickelt . Unter anderem haben wir auch Pro- bleme in der Jugendwohlfahrt aufge- griffen und ich machte mich daran, die Jugendfürsorge zu privatisieren. Warum privatisieren? Meine ersten Erfahrungen anlässlich der Polio-Epide- mie und der TBC-Bekämpfung haben mich erkennen lassen, dass die Behör- denstrukturen für Dienstleistungen un- geeignet sind, es braucht die Initiative und Eigenverantwortung aller Betrof- fenen. Ich habe mich gefragt, wie ist es möglich, dass hundert Kinder erkranken oder sterben, obwohl man gewusst hat, dass es eine SARC-Impfung gibt. Ich wollte wissen, warum das so ist, und stellte fest, dass es eigentlich mangeln- de Eigenverantwortung war. Eltern, Ärzte und Politik haben zu wenig getan. Es war die Initiative von Menschen gefragt und ich habe versucht, Leute dafür zu gewinnen. Das war eigentlich die Vision. Wir blicken auf fünf Jahrzehnte zurück, in denen das Unvorhersehbare sowohl in gesellschaftlicher als auch sozialpo- litischer Hinsicht eingetroffen ist.Was war damals noch unvorhersehbar oder undenkbar, was heute selbstverständlich ist? Das klingt jetzt vielleicht seltsam, wenn ich sage, es war alles vorherseh- bar. Und zwar aus folgendem Grund: Das Erfahrungswissen war das Ent- scheidende. DiesesWissen, dass es so nicht geht, diesesWissen, dass man hier nach anderen Gesichtspunkten vorgehen muss, war entscheidend. Das hat dazu geführt, zu überlegen, welche Möglichkeiten es eigentlich gibt. Die Erfahrung des Alltags hat uns gezeigt, wohin der Weg geht. Insofern ist diese Vision immer irgendwie ein Leitfaden, wie ein Kompass. Uns wurde klar, dass es entscheidend ist, Räume für Eigen- verantwortung zu schaffen.Wenn ich ein Problem hatte, dann habe ich immer geschaut, wie ist das unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität? Und meistens fand sich hier die Lösung. Was ist heute noch sichtbar? Was hat sich bewegt, verändert, gezeigt? Die Arbeit des IfS erforderte und erfor- dert auch heute noch erhebliche Mittel, aber es konnten und können fast alle sozialen Probleme im Lande abgedeckt werden. Erfreulich ist zu sehen, wie viele Menschen in diesen Bereichen nun ihre Existenz gefunden haben und wie vielen unserer Mitbürger wirksam geholfen werden kann. Was hat sich verändert?Wenn man heute die Entwicklung allgemein betrachtet, dann stellen wir große und schnelle Veränderungsprozesse fest. Was ich heute tue, das ist heute richtig, aber morgen schon nicht mehr. Das Leben verändert sich ständig. Da ist Eigenverantwortung und Eigeninitia- tive notwendend und heute ist auch zunehmend ein Trend zur Eigenverant- wortung zu erkennen. Gibt es so etwas wie revolutionäre oder gar subversive Momente in der Ge- schichte des IfS? Jede Neuerung oder Veränderung hat einen gewissen subversiven Charak- ter. Änderung heißt, ich passe mich nicht an eine bestehende Struktur an, sondern ich verändere sie.Wie kann ich sie verändern? Doch nur, wenn ich den Bazillus des Neuen hineinbringe. Einer macht es, ein zweiter macht es ... Wissen Sie, das, was all diese Personen, die zu Beginn dabei waren, verändert haben, das ist nicht von ungefähr gekommen, da sind auch immer An- regungen von außen gekommen. Der Informationsaustausch hat letztlich die Idee vorwärts getragen. So hat damals jeder von uns, der in irgendeiner Form beteiligt war, auch intuitiv mitgearbei- tet – vor allem Sepp Büsel. Die Errich- tung der ersten Außenstelle war ein typisches „Büselstück“. Er sprach beim seinerzeitigen Landesrat vor, erzählte ihm einiges über die Arbeit im IfS und meinte dann, es wäre dringend not- wendig, in Feldkirch eine Außenstelle zu errichten. Die Frage, warum er das nicht mache, nahm er sofort zum An- lass, diese Außenstelle aufzubauen. Im Nachhinein teilte er mir dann mit, dass sie die Arbeit in Feldkirch aufgenom- men haben. Ich musste schmunzeln, als ich mir vorstellte, was ich alles hätte unternehmen müssen, wenn er vorher zu mir gekommen wäre. Es tut mitunter gut, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Wer hat das IfS in Ihren Augen beson- ders geprägt? Ganz zu Beginn habe ich mich nach Mitstreitern umgesehen. Ich habe mit meinem Freund AdolfWürbel und dann mit Rudolf Ammann gesprochen und die beiden umMitarbeit gebeten. Schon 50 Jahre IfS – „ ... es ist ein Gemeinschaftswerk!“ Ein Gespräch mit Dr. Hermann Girardi Dr. Hermann Girardi war von 1959 bis 1986 Vorstand der Gruppe „Soziales und Gesundheit“ im Amt der Vorarlberger Landesregierung und ist Gründungsmitglied des IfS.
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