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17 Winter 2013 verkaufen. Ich habe viel Geld dabei verloren. Alimente, hauptsächlich freiberufliche Arbeit und ein Neuanfang in Wien – es war eine Gratwande- rung. Ende 1995 kamen eine saftige Steuernach- zahlung und vierteljährliche Vorauszahlungen. Da dachte ich, jetzt bin ich am Ende, denn es war klar: Verdienen kann ich das nicht. Und ich wollte mit niemandem darüber sprechen. Ich hielt nur hektisch Ausschau nach Preisen, um die ich mich als Wissenschaftsjournalist, der ich damals haupt- sächlich war, bewerben könnte; ich habe allerdings keinen der Preise bekommen, bei denen ich mir Chancen ausgerechnet hatte – nur den, von dem ich nicht zu träumen gewagt und wo ich ganz heimlich eingereicht hatte, damit mich niemand für größenwahnsinnig hielte: den Österreichi- schen Staatspreis für Wissenschaftspublizistik. 70.000 Schilling waren viel Geld damals, und etliche Freunde fragten mich, was ich denn damit machen werde. Meine Steuern zahlen, erklärte ich ihnen, aber ich sah ihren Blicken an, dass sie das für Understatement hielten und sicher waren, ich würde mindestens einen Super-Urlaub machen. Das Geld reichte für alle Finanzamts- schulden und das überzogene Giro- Konto, und ich war so glücklich, dass mir der Urlaub gar nicht fehlte. Aber warum erzähle ich Ihnen so viel von mir? Nicht nur, weil es mir hier, wo mich niemand kennt, leichter fällt, die Schuld-Gefühle, die mit den Schulden verbunden sind, zu überwinden und meine Schulden-Geschichte erstmals zu erzäh- len. Sondern weil ich nicht will, dass die mit den Schulden immer die anderen sind. Ihre Geschich- ten gehören in die Öffentlichkeit. Auch weil ich das Tabu brechen möchte, das in Österreich ganz besonders gilt: Dass man über Geld nicht spricht. Indem ich von mir erzähle, möchte ich auch zei- gen, dass man nicht der unteren Bildungsschicht angehören, spiel- oder sonstwie süchtig sein oder langzeitarbeitslos werden muss, um in Schulden verstrickt zu werden, mit denen man irgendwann nicht mehr zurechtkommt. So erzähle ich meine Geschichte also weiter. In den folgenden Jahren ging alles so gut, dass ich es im Jahr 2000 noch einmal wagte, Wohnungsei- gentum zu erwerben – eine große, damals billige Altbauwohnung in Wien. Natürlich wieder mit zur Person Cornelius Hell ist ein österreichischer Literatur- kritiker, Übersetzer und Essayist. Der hier veröffentlichte Artikel ist eine gekürzte Version seiner Rede, die er anlässlich der Ausstellungs- eröffnung „Schuld(en)gefühle – 25 Jahre ifs Schuldenberatung“ hielt. einem Kredit. Ich selbst wäre ja nie darauf gekom- men, aber meine Bank erklärte mir ausführlich die enormen Vorteile eines endfälligen Schweizer Franken-Kredites mit den entsprechenden Til- gungsträgern. In der alten Wohnung habe ich viel restauriert und 2007 noch einen Umbau-Kredit aufgenommen. „Den größeren Teil machen wir wieder als Schweizer Franken-Kredit“, empfahl mir die Bank auch 2007. Wie es weiterging, ken- nen Sie aus vielen anderen Geschichten: Im Zuge der Finanzkrise veränderte sich das Verhältnis des Euro gegen- über dem Franken dramatisch, und außerdem entwickelten sich die Tilgungsträger schlechter als prognostiziert. Die Deckungslücke wurde immer größer. Es war nicht mehr abzusehen, wie ich die Deckungslücke bis 2019 schließen könnte. So habe ich mich im Vorjahr entschlossen, die Wohnung zu verkaufen. Aufgrund der guten Sanierung und der in den letz- ten Jahren ständig steigenden Wohnungspreise in Wien konnte ich sie gut verkaufen. So habe ich alle Schulden vom Hals, aber mir ist aus den zwölf Jah- ren der Zinsenzahlung und der Investitionen in den Umbau nur meine Lebensversicherung geblie- ben. Die Verluste durch die Frankenkredite haben die Wertsteigerung aufgefressen. Während sie 25 Jahre Schuldenberatung feiern, feiere ich also, dass ich nach 25 Jahren überhaupt keine Schulden habe: Weder bei der Bank noch beim Finanzamt oder der Sozialversicherung. Und auch nicht bei Freunden – ja, auch diese „verdeckten Schulden“ sind mir nicht fremd. Wie mir viele andere Situationen nicht fremd sind: Ich weiß, wie es ist, wenn man am Abend Alkohol braucht, weil einen sonst die Gedanken an die Schulden nicht einschlafen lassen; wie man sich fühlt, wenn man nicht weiß, ob man mit der Bank noch ausverhandeln kann, dass die monatlichen Zahlungen abgebucht werden, weil das Girokonto schon so weit überzogen ist. ○ „Weil ich das Tabu bre- chen möchte, das in Österreich ganz beson- ders gilt: Dass man über Geld nicht spricht.“ Cornelius Hell Autor, Übersetzer und Literaturkritiker

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