ifs Zeitschrift 2014/2

wie 12 Das Thema der Videoüberwachung in Akutsta- tionen der Psychiatrie wird europaweit kontro- vers diskutiert. Nachdem eine Patientin am LKH Rankweil Beschwerde gegen die Kameraüber- wachung eingereicht hatte, stellte die Patien- tenanwaltschaft einen Antrag auf Überprüfung bei Gericht, welches die Überwachung in diesem speziellen Fall für nicht zulässig erklärte. Primar Dr. Jan di Pauli und Patientenanwalt Mag. Chri- stian Fehr im Gespräch über Pro und Kontra der Kameraüberwachung. Jan Di Pauli: Im LKH Rankweil ist die Kamera­ überwachung auf der Station E1 eingeführt worden. Das ist jene Station, auf der akut schwer kranke Patienten und Patientinnen untergebracht werden, die besonders schutzbedürftig sind. Die Station verfügt über zwei Kameras, die Bilder auf einen Monitor übertra- gen, damit das Personal die Patienten im Blick behalten kann. Das Filmmaterial wird aber nicht gespeichert. Eine Kamera befindet sich im Eingangsbereich, eine im Aufenthaltsraum. Es gibt zusätzlich einen zwei- ten Aufenthaltsraum ohne Kameraüberwachung. Diese ist derzeit für uns der beste Kompromiss zwischen größt- möglichem Schutz und gleich- zeitiger Freiheit der Patienten. So kann der Aufenthaltsraum tagsüber immer offen sein. Unseres Erachtens ist diese Maßnahme gerechtfertigt, zumal die Kame- ras nicht aufzeichnen. Christian Fehr: Aus Sicht der Patientenanwalt- schaft ist eine Videokameraüberwachung ein Ein- griff in die Persönlichkeitsrechte von Patienten, von Menschen, die sich in einer Krisensituation befinden, die teils verunsichert sind, Angstgefühle und auch paranoide Verarbeitungen haben. In einem solchen Umfeld kann eine Kameraüber- wachung keine Lösung sein. Im Gegenteil: Diese ist meines Erachtens teils sogar kontraproduktiv. Eine Genesung kann am besten erfolgen, wenn ein Umfeld des Vertrauens geschaffen wird. Eine Videokamera ist kein Synonym für Vertrauen. Vielmehr braucht es eine persönliche Beziehung mit dem Pflegepersonal. Jan Di Pauli: Man muss natürlich immer einen Kompromiss finden. Was aber zu bedenken ist: Es handelt sich um Patienten, die schwer krank sind, zum Teil hohe medikamentöse Einstellungen haben, dadurch auch engmaschiger betreut wer- den müssen, sich durch ihr Verhalten selbst, im schlimmsten Fall andere gefährden. Die Alter- native zur Kameraüberwachung wäre, dass sich das Pflegepersonal ständig im Aufenthaltsraum befindet. Dies gestaltet sich aber als schwierig – einerseits ist dies rein personell kaum zu bewälti- gen, andererseits ist die ständige Anwesenheit des Pflegepersonals nicht das, was sich die Patienten wünschen. Eine Umfrage in Deutschland zeigte beispielsweise auf, dass Patienten die Kamera beinahe als ange- nehmer empfinden als die ständige Prä- senz durch das Pfle- gepersonal. Es ist uns in der momen- tanen Situation – trotz der Einwände der Patientenan- waltschaft – nicht möglich, die Kame- raüberwachung ganz abzuschaffen. Aber wir wei- sen die Patienten natürlich auf die Kameras hin. Wenn sie sich durch diese gestört fühlen, suchen wir gemeinsam nach möglichen Alternativen. Zwischen Schutz und Freiraum Ein Gespräch mit Primar Jan di Pauli, Chefarzt am LKH Rankweil und Abteilungsleiter der Erwachsenenpsychiatrie, und Mag. Christian Fehr, Leiter der ifs Patientenanwaltschaft Wissen ifs Patienten­ anwaltschaft ist auf Grundlage des Unterbrin­ gungsgesetzes als Rechtsbeistand für Patientinnen und Patienten im LKH Rankweil tätig. Tel. 05522-403-4040 ifs.patientenanwaltschaft@ifs.at Landeskranken­ haus Rankweil Die akut-psychiatrische Abtei­ lung der Erwachsenenpsychiatrie umfasst 113 Betten und hat jährlich etwa 1700 Aufnahmen/Entlas­ sungen bzw. Behandlungen zu bewältigen. Tel. 05522-403-1100 office@lkhr.at „Die Kameraüberwa- chung ist derzeit der beste Kompromiss zwi- schen größtmöglichem Schutz und gleichzeitiger Freiheit. So kann der Auf- enthaltsraum tagsüber immer offen sein.“

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