ifs Zeitschrift 2014/2
wie 14 Wir schreiben einer Sache Wert zu, weil wir sie als wertvoll erachten. Bei den materiellen Dingen bemisst sich der Wert oft an der Seltenheit des natürlichen Vorkommens. Knappe Ressourcen schätzen wir als wertvoller ein. Bei immateri- ellen Dingen verhält es sich nicht anders, nur werden diese nicht in Geldwerten ausgewiesen. Das Recht, auf menschenwürdige Weise zu leben – selbstbestimmt und selbstverantwortlich –, beschreibt der Philosoph Immanuel Kant als etwas, das „über allen Preis erhaben“ ist. Diesen Wert müssen wir jedem zugestehen – unabhängig von sozialer Rolle, Hautfarbe oder Geschlecht. Was kann Freiheit bedeuten? Gemäß Jean-Jacques Rousseau liegt die Freiheit des Menschen darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will, also nicht darin, dass der Mensch tun kann, was er will. Setzt aber Freiheit nicht auch voraus, dass wir nicht nur tun können, was wir wollen, sondern dass wir auch bestimmen können, was wir wollen? Wie ist die Handlungsfreiheit bei Menschen mit psychischen Erkrankungen? Wirkliche Freiheit setzt voraus, dass wir bestimmen, aufgrund wel- cher Motive, Wünsche und Überzeugungen wir handeln; wenn Umstände, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen, bestimmen, welche die- ser Beweggründe handlungswirksam werden, sind wir dann noch frei? Verfügen Menschen mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Beein- trächtigungen über diese Willensfreiheit? Unter- liegen sie einem inneren Zwang? Führt ihr Wollen gewissermaßen ein Eigenleben? Es gibt nur eine Freiheit. Die Entscheidungs-, Gewissens- und Willensfrei- heit des Einzelnen. Hier stimme ich mit dem Sozi- alwissenschaftler Ralf Dahrendorf überein, der diese als Abwesenheit externer sozialer Beschrän- kungen und dem Vorhandensein zumindest eines notwendigen Minimums an sozialen Handlungs- ressourcen definiert. Freiheit lässt sich in diesem Sinne als Freiraum verstehen, als Offenheit von Möglichkeiten, in der die Freiheit des Handelns und die Freiheit des Willens erst ihren Platz finden. Ist dieses Verständnis nicht gegeben, bleiben meist noch Räume. Diese werden immer kleiner, wenn jeder seine Freiheit voll „ausschöpft“. Bedeutet dies, dass der Freiraum des Einzelnen dort endet, wo er den Freiraum des anderen berührt? Ich würde sagen, dadurch ergeben sich erst wieder neue Frei- räume, weil sich neue Möglichkeiten auftun. Abschließend lässt sich sagen: Freiheit und Bestimmtheit sind miteinander vereinbar, und das vertritt heute die Mehrheit der Philosophen. Der Kern der Freiheit liegt nicht in einem Gegensatz zum Bestimmtsein, sondern in einer besonderen Art des Bestimmtseins, denn unbedingte Willens- freiheit wäre keine Freiheit mehr, sondern Zufall oder Willkür. ○ Den Freiraum an sich gibt es nicht Philosophische Gedanken zum Thema Freiraum und Freiheit des Menschen Dr. Karl Stürz ifs Bewohnervertretung karl.stuerz@ifs.at
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