ifs Zeitschrift 2014/2

7 Herbst 2014 Sagen was ich meine, tun was ich will, auf die kritischen Bewertungen anderer pfeifen – wer wünscht sich das nicht? Was ich mache oder sage, bleibt vorerst unkommentiert, unbeaufsichtigt, nicht sanktioniert. Ich habe die Wahl und kann etwas Neues ausprobieren oder beim Altbe- währten verweilen. Von diesen Freiräumen träu- men wir, manchmal nehmen wir sie uns. In ihnen unterwerfe ich mich nicht demWillen eines anderen, sondern richte mein Denken und Han- deln auf ein selbst gewähltes Ziel aus. Als Individuummuss ich immer wieder aufs Neue ausloten, wie viel Freiraummir tatsächlich gut tut. Die massive Beschränkung meines Freiraums bringt Starrheit ins Denken, Fühlen und Handeln und verhindert Entwicklung. Sie bremst meine Zuversicht, als Person in dieser Welt etwas bewir- ken und beitragen zu können. Die Beschneidung meines Freiraums drängt zur Rebellion, zum Aus- bruch oder Einstürzen der Begrenzungen. Im Raum ohne Begrenzung finde ich weder Halt, Orientierung noch Sicherheit. Die Grenzenlosig- keit birgt die Gefahr, dass ich mich darin verliere. Sie birgt aber auch die Chance, selbst Grenzen zu setzen. Zwischen Freiraum und Begrenzung Die Vermutung liegt nahe, dass das gesunde Maß für den Einzelnen imWechselspiel zwischen Frei- raum und Begrenzung zu finden ist. Eine totale, aussichtslose Unterwerfung meiner selbst raubt mir die Würde 1 und zerstört mich im tiefsten Inneren. Im endlosen Freiraum verliere ich mich in der Entgren- zung. Absolute Gewissheit über das richtige Verhältnis gibt es für den Einzelnen und in der Gesellschaft nicht. Es gibt weder eine bestimmte, allgemein- gültige Kennzahl für den richtigen menschlichen Freiraum noch existiert sie für eine spezifische Lebensphase. In jedem Lebensalter ist sie neu zu bestimmen und zu verhandeln. In der Kindheit werden die Freiräume von Erwachsenen definiert. Als Jugendliche und Erwachsene streben wir, diese Grenzen selbst mit zu verhandeln und zu bestimmen, und wenn wir alt oder krank sind, rin- gen wir darum, möglichst wenige unserer selbst bestimmten Freiräume zu verlieren. Orientierung über das richtige Ausmaß von Freiräumen finden wir als Einzelne sowohl in der Außenwelt aber auch in der eigenen Innenwelt. Unstrittig ist, dass Beratung als Freiraum Schutz, Selbstbestimmung und Absichtslosigkeit ermöglichen Freiräume „Die Vermutung liegt nahe, dass das gesunde Maß für den Einzelnen im Wechsel- spiel zwischen Freiraum und Begrenzung zu finden ist. “

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