ifs Zeitschrift 2014/2

wie 8 wir Freiräume des Denkens, Sprechens, Erlebens, Handelns für ein Leben in Würde brauchen. Begrenzte Freiräume In der ifs Schulsozialarbeit und in anderen Fach- bereichen ermöglichen wir Kindern und Jugend- lichen solch begrenzte Freiräume. In unseren Beratungen wird ein Suchprozess ermöglicht, sich selbst auf die Spur zu kommen und sich selbst gedanklich und sprachlich auszuprobieren. Wir arbeiten unter der Annahme, dass es heil- sam ist, geheime Gedanken, Empfindungen und Gefühle von der Innen- in die Außenwelt zu tragen und zur Sprache zu bringen. Wir gehen weiter davon aus, dass diese Entäußerung – sprachlich gefasst – zu einer größeren Einsicht führt, was unsere Klienten bewegt und antreibt und sich dadurch deren Erlebensqualität verändert. Das Schützenswerte, Verdeckte, Geheime verliert zuse- hends seine Bedrohlichkeit und wird dem eigenen Blick und auch dem Blick des Beraters zumutbar. Das ifs organisiert den Freiraum der Beratung anhand von drei wichtigen Kriterien: Freiraum durch Schutz Der Berater stellt den geschützten Raum zur Verfügung, aus dem nichts nach außen dringt. Das Vertrauen in die Verschwiegenheit des Bera- ters lässt mich als Klienten den Mut finden, Teile meiner Innenwelt nach außen zu bringen. Die Abschirmung des Freiraums zur Außenwelt ist Voraussetzung für die Öffnung mei- ner Innenwelt. Der Schutz meiner Per- son mit meinem Den- ken, Fühlen, Spre- chen ist zentral und dafür unabdingbar. Sie wird nur dort aufgehoben, wo zu befürchten ist, dass ich mich oder andere verletze. Freiraum durch Selbstbestimmung Indem ich allmählich den Mut finde, Pfade zu betreten, die mich ängstigen und denen ich aus- gewichen bin oder von denen ich nichts ahnte, erweitert sich meine Innenwelt. Zentral ist, dass ich bemerke, dass mir der Berater an bedrohlichen Stellen die Hand reicht, damit ich mich einen Schritt weiter wage. Ist der noch zu groß, dann werde ich nicht bedrängt. Allmählich wächst dadurch Ver- trauen in den Berater, aber auch in mich selbst. Ich bestimme, wann ich in mei- nen Gefühls- und Gedankenräumen weitergehe, wann beengende, schambesetzte Mauern abgetragen und bisher verstellte oder neue Räume erschlossen werden. Beim Betreten dieser Pfade wandelt sich mein Erleben. Freiraum durch Absichtslosigkeit Das Verhältnis zwischen mir und meinem Gegen- über hat meine Selbstbestimmung und Unab- hängigkeit zum Ziel. Dabei ist es wesentlich, dass der Berater nicht mit meinem Alltagsleben verflochten ist und es nicht um seine, sondern ummeine Interessen und Ziele geht. In diesem Sinne gewährt mir der Berater einen absichtslosen Raum. Die Reaktionen und Interessen der anderen werden gedanklich vorweggenommen und in mei- nen Suchprozess miteinbezogen. Die zeitliche und räumliche Begrenzheit dieser Begegnung schützt mich davor, dass sie ausufert und in meinen Alltag schwappt und mich abhängig macht. Durch diese Asymmetrie der Beziehung stehe ich mit meinem Erleben im Zentrum. Die Beziehung zwischen uns hat keinen Selbstzweck. In der Beratung finde ich den Freiraum, in dem ich mich mit Unterstüt- zung auf mich selbst beziehe, indem ich gleichsam neben mich selbst trete und dennoch bei mir bin. 2 ○ 1 Die Überlegungen sind inspiriert und finden Anschluss bei: Bieri, Peter (2013): Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde. Carl Hanser Verlag. München. 2 Vgl. ebd. Mag. Karin Moratti Leiterin ifs Schulsozialarbeit karin.moratti@ifs.at Wissen ifs Schul­ sozialarbeit ist Ansprechpartner für Schü­ ler, Lehrer und Eltern. Durch die Erreichbarkeit an der Schule kann bei Krisen rasch interveniert werden. In erster Linie werden Kinder und Jugendliche in schwie­ rigen Situationen begleitet und unterstützt. Gemeinsam werden Lösungen gesucht und formuliert. „Das Vertrauen in die Verschwiegenheit des Beraters lässt mich als Klienten den Mut finden, Teile meiner Innenwelt nach außen zu bringen.“

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