ifs Zeitschrift 2014/2

9 Herbst 2014 Freiraum im Sinne von Luft, Platz, Spielraum und Raum zum Atmen ist für Jugendliche eine wich- tige Voraussetzung, um die eigene Identität ent- falten zu können. ifs Streetwork Mühletor ermu- tigt und stärkt Jugendliche in dieser Aufgabe. Gibt es noch Freiräume für Jugendliche im heu- tigen globalen, vernetzten und schnellen Alltag? Wenn ja, wie nützen Jugendliche diese und in wel- chem Spannungsfeld stehen wir Erwachsene? In der Erziehung von Kleinkindern versteht jeder, dass das Loslassen notwendig ist, damit ein Kind gehen lernt. Wir wissen, dass wir es nicht auf Schritt und Tritt begleiten können und dass Stürze und Beulen folgen werden. Das Kind beginnt, sich trotz aller Gefahren frei und fröhlich auf den Weg zu machen, ist voller Neugierde, die Welt zu entdecken. Erstaunlich dabei ist, dass Kinder die- sen Spielraum fast selbstverständlich nutzen. Sie sind sich selbst genug, brauchen nicht animiert zu werden und wenden sich nach dem Auskosten des Freiraums gerne wieder ihren Bezugspersonen zu. Loslassen wird immer schwieriger Mit fortschreitendem Alter der Kinder versuchen Eltern ihr Möglichstes zu tun, um ausreichend Anregung und Förderung zu bieten. In unserer Arbeit erleben wir auf Seiten der Erwachsenen oft ein sehr großes Bemü- hen: Alle wollen „es“ rich- tig machen, wollen ihren Kindern gute und starke Begleiter sein. Zum „must- have“ guter Eltern gehören ausreichend Sport- und/oder Kreativ- und/oder Sprachför- derprogramme, die jeweils gezielt auf die Fähigkeiten des eigenen Kindes und auf das jeweilige Entwicklungsfenster abgestimmt sind. Es gilt, nichts zu versäumen. Daneben wird versucht, das schulische Vorankommen mit einer kräftigen Portion Nachdruck in die richtige Rich- tung zu lenken. Aus unserer Erwachsenensicht ist dies mehr als nachvollziehbar. Die unsichere Wirt- schaftssituation, Angst und zugleich Hoffnung auf eine möglichst optimale Zukunft für unsere Kinder treiben uns an. Für Eltern wird es zuneh- mend schwierig, loszulassen und die Kinder frei auf den Weg zu schicken. Wir haben den Eindruck, lenken und leiten zu müssen, damit die Richtung die richtige ist oder bleibt. Im jugendlichen Alter beginnen Kinder, die bisher geltenden Werte, Abläufe und Vorgaben der Eltern zu hinterfragen. Sie sorgen dafür, dass Eltern neu definieren müssen, und fordern klare Stellungnah- men der Erwachsenen ein. Dies geschieht mit dem Ziel, ihren eigenen Weg, ihre eigene Lebensform zu finden. Freizeit bekommt einen neuen Stel- lenwert. Jugendliche wollen sie für sich und ihre Bedürfnisse beanspruchen, wollen selbständig Einmal Luft holen und runterfahren Wir sind gefordert, den Freiraum zu erkennen, ihn zuzulassen und mit unseren Jugendlichen im Kontakt zu bleiben. „Das Kind beginnt, sich trotz aller Gefahren frei und fröhlich auf den Weg zu machen, ist voller Neugierde, die Welt zu entdecken.“

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