ifs_zeitschrift_2_18

19 Winter 2018 3. 70 Prozent der Bezieher von bedarfsorientierter Mindestsicherung sind „Aufstocker“. Das heißt, bei diesen Menschen reicht das Einkommen, die Pen- sion, das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe nicht aus und wird deshalb aufgestockt. Sehr viele Menschen, die wir als „Working Poor“ bezeichnen, fallen in diese Gruppe. Trotz eines Vollzeitjobs ist das Einkommen nicht hoch genug, um die Lebens- haltungskosten zu bezahlen. Vor allem die Woh- nungskosten reißen ein Loch in das Haushaltsbud- get, das selbst durch einen Zweitjob nicht gefüllt werden kann. Damit stellt Mindestsicherung bei 70 Prozent der Empfänger nicht eine soziale Großzügigkeit dar, sondern ist eine direkte und indirekte Wirt- schaftsförderung. Direkt deshalb, weil die ausge- zahlten Beträge zu fast 100 Prozent in den Wirt- schaftskreislauf und somit zu einem guten Teil als Steuerleistung in den Staatshaushalt zurück- fließen (Sparen ist mit diesen Beträgen nicht mög- lich). Indirekt, weil so Löhne (zu) nieder gehalten werden können. Das reduziert die Ausgaben von Betrieben und erhöht deren Gewinne. 4. Jeder „Abstieg“ in das gesellschaftliche Aus , in die Wohnungs- und Obdachlosigkeit kostet den Staat das Vielfache von dem, was die Mindestsi- cherung zur Überbrückung, Stabilisierung und (Re-)Integration kostet. Wenn man also nicht aus humanistischen Motiven für eine verbesserte Mindestsicherung plädiert, so doch aus rein bud- getären und finanziellen Grün- den. Rein rational. Einfaches Kopfrechnen reicht aus. 5. In der Diskussion , ob die Mindestsicherung gerecht- fertigt ist, wird sehr häufig übersehen, dass diese das letzte Sicherungsnetz vor dem totalen Absturz in die Armut darstellt. Im Gegen- satz zum Arbeitslosengeld handelt es sich nicht um eine Versicherungsleistung, sondern um eine soziale Absicherung nach unten. Und – wie der Name schon sagt – die Mindestsicherung ist keine Luxuspension. Wer daran zweifelt, ist herzlich eingeladen, ein halbes Jahr mit den Beträgen der Mindestsicherung zu leben. 6. Die Mindestsicherung ist zudem eine wichtige „Versicherung“ gegen Klein- und Beschaffungskri- minalität. Wer nach unten abgesichert ist, läuft weniger Gefahr aus Verzweiflung, Not und dem „Wenn man also nicht aus humanistischen Motiven für eine verbesserte Mindestsi- cherung plädiert, so doch aus rein budgetären und finan- ziellen Gründen. Rein ratio- nal. Einfaches Kopfrechnen reicht aus.“

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