ifs_zeitschrift_2_18

9 Winter 2018 Rücken und lässt mich in der Hoffnungslosigkeit des Seins erstarren. Ein Knacksen erklingt. Lange wird diese gebrechliche Bank nicht mehr halten. Sollte ich mich besser umsetzen, auf eine sichere? Sicherheit ist ein kostbares Gut, tadelt mich meine innere Stimme. Du hast nicht verdient, dich sicher zu fühlen, murrt sie mich an. Wann hat sich mein Leben so gewandelt und warum habe ich es nicht früher erkannt, frage ich mich selbst. Es knackst ein weiteres Mal und ein Junge setzt sich zu mir. Wie aus demNichts ist er aufgetaucht. Ich blicke ihn mit verwirrten und großen Augen an und frage mich, wie alt er wohl ist. Wir müssen aufstehen, uns retten, so denke ich mit zusam- mengekniffenen Augen. Aber keinen Finger kann ich rühren, meine Beine wollen mich hochstem- men, aber meine vom giftigen Nebel zerfressenen Gedanken lassen es nicht zu. Versagerin, höre ich es immer lauter in meinem Bewusstsein auf- schreien. Er lächelt mich an, sein Mund öffnet sich und ein einfaches aus Kindermund erklingendes „Warum“ schallt durch mich hindurch. Was meint er mit diesemWarum, was antworte ich nur? Ich schwitze, Tränen fließen mir wieder über die Wangen. Sie brennen wie Feuer auf meiner Haut. Weiß er denn nicht, dass ich mir diese Frage schon so lange nicht erlaube zu stellen. Ein einfaches Wort, doch so komplex! Ich möchte ihn verjagen, anschreien oder auf ihn einschlagen. Es ist nicht mehr nur Angst, Wut schleicht sich über meine Oberarme in meine Fäuste vor. So kenne ich mich nicht, alles ist anders, nichts mehr so wie es war. Ich hasse Veränderungen. Er muss doch wissen, dass ich mich schon lange frage, warum ich so bin, wie ich bin! Meine Knie beginnen zu schlottern, ich werde von diesen grausamen Warums über- schwemmt. Warum bin ich hier oder dort? Warum kenne ich mich nicht? Warum zwingt mich jene Gesellschaft zu sein und ich glaube nicht zu pas- sen? Warum kann ich nicht einfach dazugehören? Warum habe ich das Gefühl, keine Liebe zu spü- ren? Liebe ich mich denn selbst? Warum dieser Chiffre? Warum geht die Zeit so schnell dahin? Warum hilft mir niemand beim Entziffern meines Lebenstextes? Warum will ich im Herzen glück- lich sein und meine Bestimmung finden? Warum kann sich nicht alles verändern? WARUM gibt es diesen verdammten KNOPF der VERÄNDERUNG ZUM GUTEN nicht? Ich habe tausende Warums im Kopf, meine Ängste übermannen mich. Ich blicke ihn an, doch er strahlt weiterhin wie die glühende Sonne, seine Augen leuchten himmelblau und deu- ten mir ein loderndes, warmes Feuer. Wie schafft er dies nur, frage ich in mich hinein. Ich bekomme den Eindruck, dass er genau weiß, was ich denke. Meine Stimme ist hoffnungsvoll, ich traue mich zu fragen: „Hast du die Antwort auf das Warum, die vielen Warums? Weißt du, wo sich der Knopf der Veränderung zum Guten befindet?“ Ein drittes Knacksen erklingt, erste Holzspieße stechen mich unangenehm und lassen mich aufzucken. „Nein“, sagt er mit bedächtiger Stimme. Enttäu- schung macht sich in mir breit. Ich würde ihn gerne fragen, warum er denn hier sitzt. Ich warte auf weitere Worte, doch nichts. Ich brauche aber Antworten und meine mich quälenden Fragen strömen nun wie ein Rinnsal aus meiner Seele: „Brauche ich eine andere Hose oder muss ich ein Kleid tragen? Bin ich dann ich? Sind meine mittelmäßigen Noten schuld, dass ich alleine bin? Bin ich dumm? Was muss ich verändern, dass ich in diese chaotische und sich ständig wandelnde Welt passe?“ Ich werde hysterisch. Finde die Lösung, du dumme Nuss, rauscht es durch meinen Kopf. Er muss meine Panik erblicken und umfasst „Warum kann sich nicht alles verändern? Warum gibt es diesen verdammten Knopf der Veränderung zum Guten nicht?“ „Wann hat sich mein Leben so gewandelt und warum habe ich es nicht früher erkannt, frage ich mich selbst.“

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