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www.ifs.at Seite 15 Farben hören und Töne schmecken (Moos, Geröll) und durch das Knirschen der Steigeisen ortet er, wo sein Partner gerade geht.„Wenn ich etwa über einen schmalen Grat gehe, streue ich Sand- körnern aus. Ich höre dann, wie sie an manchen Stellen abprallen. Das sind für mich akustische Pixel. Und an der nächsten Stelle spüre ich, wie die Berge den Wind in eine andere Richtung len- ken – auch das gibt mir Orientierung. Fällt ein weiterer Sinn aus, wenn etwa Wasserrauschen oder starker Wind alle anderen Geräusche übertönen, wird es schwierig mit der Orientierung. So wie für einen Sehenden im dichten Nebel.“ Den Abgrund unter sich spürt Holzer ge- nauso wie die Weite, die sich an einem Berggipfel über ihm auftut. Barrieren überwinden An persönliche Grenzen stößt er seinen Angaben zufolge – wie jeder andere auch – täglich. „Ich muss mich genauso überwinden und genauso zusammen- reißen, aber es ist einfach wichtig zu wissen, dass es immer wieder einen ro- ten Faden gibt, der funktioniert.“ Auf die Frage, ob er sich selbst als Grenz- gänger sieht, antwortet er bescheiden: „Eigentlich bin ich nur jemand, der ab und zu an die Grenze geht – aber meis- tens bin ich in der Mitte des Lebens. Wenn jemand nicht an die Grenze kommt, dann wird er auch nie wissen, wo das Leben stattfindet. Das Leben ist so spannend, dass ich dadurch vergesse, dass ich blind bin. Ich bin nicht auf der Suche nach etwas, das ich nicht habe, sondern ich mache etwas aus dem, was ich habe. Und da gibt es jede Menge, so viele Dimensionen, wo dann viele ande- re Grenzen offen sind. Es gibt tausende Wege – nicht nur hinten und vorne, links und rechts.Wenn halt ein paar versperrt sind, gibt es in der Regel andere, die noch viel spannender sind.“ Mit dieser Botschaft – seiner Lebensphi- losophie – füllt der Bergsteiger Vortrags- säle, coacht Topmanager, Unternehmer und animiert viele zum Überwinden ei- gener Grenzen: „Doch die Energie kann ich niemandem geben, der Vortrag und meine Aussagen sind so stark, wie es meine Zuhörer sind.“ Dr. Julia Kleindinst Zur Person Andy Holzer wurde 1966 am Fuße der Lienzer Dolo- miten geboren. Aufgrund einer Netzhauterkrankung ist er von Geburt an blind. Er besuchte die Volks- und Hauptschule und behauptete sich schon früh in der Welt der Sehenden. Als Heilmasseur hat er 26 Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet. Seit seiner Jugend ist Holzer begeisterter Bergsteiger. 2010 macht er sich selbstständig, führt Expeditionen, hält Vorträge und hat unter dem Titel „BalanceAkt. Blind auf die Gipfel der Welt“ ein Buch über seine Er- fahrungen veröffentlicht. Derzeit verfolgt er das Ziel, die seven summits – die höchsten Gipfel der sieben Kontinente – zu besteigen. Einzig der Mount Everest fehlt noch. ● Buchtipp: BalanceAkt. Blind auf die Gipfel der Welt (Patmos Verlag 2010) Über die Grenzen der „normalen“ Wahrnehmung hinaus Synästhesie ist eine Art Kurzschluss zwischen den Sinnen: Die einen etwa hören beim Betrachten von Farben Töne, die anderen können Akkorde schmecken und für wiederum andere besitzen Zahlen einen typischen Duft. Schätzungen zufolge zählen rund zwei bis vier Prozent der Bevölkerung zu den Synästheten.Warum es diese Fähigkeit gibt, zählt zu den ungelösten Rätseln der Forschung. Wissenschafter vermuten einen ver- steckten Zweck hinter dem ursprüng- lich als Wahrnehmungsstörung klassi- fizierten Phänomen. Kurz gefasst: Die Synästhesie erleichtert das Denken. Man geht davon aus, dass Synästhe- sie erblich ist, doch völlig unklar ist beispielsweise, warum die scheinbar nutzlose genetische Anlage (voraus- gesetzt es gibt sie in dieser Form über- haupt) überlebt hat. Eine Ursache wird als wahrscheinlich erachtet: Synästhe- sie könnte eine „hidden agenda“, also einen bis jetzt noch nicht erkannten Nutzen für Menschen haben. Synästhesie hilft beim Querdenken Auffällig sei laut Forschern, dass die Er- fahrung der Synästhesie von Betroffe- nen überwiegend positiv beschrieben wird. Sie erleichtere ihren kreativen Le- benszugang. Und Untersuchungen mit Synästhe- ten haben gezeigt, dass diese ein ver- gleichsweise gutes Gedächtnis haben. Auch auf der Wahrnehmungsebene – etwa bei der Unterscheidung sehr ähnlicher Farben – schneiden sie bes- ser ab als andere Probanden. So gesehen könnte die Synästhesie sehr wohl einen Sinn haben: Die spezielle Wahrnehmung hilft beim Erkennen, beim Verarbeiten und beim Behalten von Sinnesreizen. Vieles spreche dafür, dass man das Randphänomen bisher unterschätzt habe, denn die Verschrän- kung der Sinnesmodalitäten ist eine Hilfe bei unterschiedlichsten Denkpro- zessen. ● Quelle: science.ORF.at
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