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www.ifs.at Seite 6 werden, sondern dass es hilfreich ist, über eine Außenperspektive wieder einen Zugang zum eigenen Kind zu finden und die eigenen Ressourcen neu zu entdecken, um wieder kraftvoll in der Erziehungsaufgabe zu werden. Was machen Sie als Fachperson in sol- chen Krisensituationen? Bieten Sie auch die Möglichkeit an, dass Eltern und Ju- gendliche über einen gewissen Zeitraum getrennt leben? Wir vom Fachbereich IfS-Flexible In- tensivpädagogische Betreuung haben die Möglichkeit, in sich zuspitzenden Situationen den Eltern und den Jugend- lichen eine Auszeit von einer Woche zu ermöglichen, indem wir eine Koope- ration mit der IfS-Krisenwohngruppe Kompass in Feldkirch haben. Es ist eine Option, die uns in solchen Situationen zur Verfügung steht – mit dem wei- terführenden Gedanken, durch diesen Abstand wieder etwas Ruhe in die Fa- milie zu bringen, um dann wieder einen gemeinsamen Pfad finden zu können. Haben Sie in Gesprächen mit Eltern und Jugendlichen gewisse Erwartungen? Und was für Erwartungen haben die KlientInnen? Unsere KlientInnen sind sehr daran interessiert, dass sie Lösungen für ihre Probleme finden und diese Lösungen neue Möglichkeiten eröffnen. Die Erwartung, die wir als Fachbereich IfS-Flex haben, ist, ein bestmögliches Unterstützungsangebot für unsere Klientengruppe bieten zu können. Gib es heutzutage mehr Probleme in Familien und mehr Hilfesuchende als früher? Wenn ja, auf was führen Sie das zurück? Dazu ein Zitat:„Die Jugend liebt heut- zutage den Luxus, sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten, sie widersprechen ihren Eltern,...“Wenn ich Sie nun fragen würde, wann dieses Zitat verfasst wurde, was würden Sie sagen? Im vorigen Jahrhundert einmal... Das Zitat stammt aus der Zeit um ca. 470 vor Christus von Sokrates. Ich finde dieses Zitat sehr passend, weil es ein Muster aufzeigt, das sich über Jahrtau- sende in dieser Form hält. Anscheinend hat die ältere Generation immer etwas an der jüngeren auszusetzen. Und diese Kritik scheint sich über die Jahrhunder- te, Jahrtausende weiterzutragen. Ich glaube, dass uns dieses Muster auch immer begleiten wird.Was man hier natürlich auch ergänzen muss, ist, dass sich die Familienstrukturen in den letz- ten Jahrzehnten verändert haben. Wie viele MitarbeiterInnen hat die IfS- Flexible Intensivpädagogische Betreu- ung? Wir sind sechs festangestellte Mit- arbeiterInnen mit unterschiedlichen Stundenanstellungen und es gibt eine interne Kooperation, sodass zwei zu- sätzliche MitarbeiterInnen aus anderen Fachbereichen mit uns zusammenar- beiten.Wir sind also ein Team von ins- gesamt acht Personen, die den Familien zur Verfügung stehen. Macht Ihnen die Arbeit Spaß oder ist es schwierig, in solch einem Spannungsfeld zu arbeiten? Ich arbeite sehr gern in diesem Bereich, wo ich selbst immer wieder mitlernen darf, wenn Jugendliche Grenzen aus- probieren und testen. Hilft Ihnen das auch in Ihrem persönli- chen Leben? Ich denke, das ist ein zusätzlicher Profit, den man in dieser Arbeit hat, dass man auch immer wieder Rückmeldungen zu seiner eigenen Person bekommt. Vielen Dank für das Gespräch! ● Das Gespräch führte Andreas Bertolini, Klient des IfS-Fundament, der sein Hobby „Interview- en“ in den Dienst der IfS-Zeitung stellt. Mag. Udo Müller Leiter des Fachbereichs IfS-Flexible Intensivpädagogi- sche Betreuung; Ausbildung: Studium der Erziehungs- wissenschaften, Zertifizierung zum Systemischen Therapeuten und Berater, 2003 bis 2011 IfS-Nachge- hende sozialpädagogische Arbeit, ab 2007 Leiter der IfS-NASA facts IfS-Flexible Intensivpädagogische Betreuung Leitung: Mag. Udo Müller Franz-Michael-Felder-Straße 6 6845 Hohenems T 05576/73302-0 E udo.mueller@ifs.at Warum braucht es immer Grenzen? Wäre es nicht schön, wenn es keine Grenzen gäbe! Grenzenloser Warenver- kehr, Europa ohne Grenzen: Das waren vor ein paar Jahren die verheißungsvol- len Schlagworte. Heute sieht die Wirk- lichkeit schon etwas anders aus, jetzt wird der Ruf nach Grenzen inWirtschaft und Gesellschaft immer lauter. Grenzen sind offenbar notwendig. Sie bedeuten zweierlei: Sie dienen der Un- terscheidung und geben Orientierung. Ein Beispiel: Eine Straße wäre keine Straße ohne Straßenbegrenzung. Diese zeigt mir den Verlauf der Straße (Ori- entierung) und zeigt mir, wo die Straße aufhört und die Böschung beginnt (Un- terscheidung). Darum ist es so wichtig, von Grenzen in der Psychotherapie zu sprechen: Sie dienen der Orientierung, was Psycho- therapie macht, aber auch was sie nicht leisten kann, und sie helfen bei der Un- terscheidung, wo Psychotherapie auf- hört und etwas anderes anfängt. Doch auch Grenzen sind nicht ein für allemal festgelegt, sondern werden durch neu- en Wissensstand, Personen und gesell- schaftliche Umbrüche immer wieder erweitert und verändert. Viele frühere „Glaubenssätze“ in der Wissenschaft gelten heute nicht mehr. Die Grenzen verschieben sich und sind in Bewegung. Trotzdem lohnt es sich, von Grenzen in der Psychotherapie zu sprechen. Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist wissenschaftlich gut belegt. Doch welche Methode ist für wen am besten geeignet? Welchen Nutzen kann man erwarten und auf welche Risiken sollte man achten? Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass der Erfolg einer Psychotherapie von bestimmten Bedin- gungen abhängt. Diese Bedingungen zeigen auch gleich die Grenzen auf. Wir können drei Bereiche benennen, in denen Grenzen in der Psychotherapie sichtbar werden: Grenzen der Psyc Was kann Psychotherapie leisten,

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