ifs_zeitschrift_fundament_22_sonderausgabe_einzelseiten

17 WG. Dort blühte er richtig auf – für ihn war es ein Neustart. Inzwischen braucht er nur noch ein biss- chen Unterstützung, einfach das Fundament im Hintergrund. Wo seht ihr aus heutiger Sicht die größten Hürden und wo die stärksten Erfolgsfaktoren? Reingard: Für mich gestaltete sich die Bera- tung der Angehörigen oft als schwierig, da sie ihren Kindern das eigenständige Wohnen nicht zutrauten und ihnen dadurch die Chance ver- wehrten, es zu versuchen. Es bedurfte sehr viel an Motivation, um sie zu überzeugen, dass ihre Kinder diesen Schritt schaffen. Um den Klien- tinnen und Klienten ein eigenständiges Leben zu ermöglichen, benötigten auch die Angehörigen einen Hinter- grund, auf dem sie sich weiter- entwickeln und somit ihre Kin- der „frei“ geben konnten. Wenn dieser Schritt gelungen war und die Klienten ihr eigenes Leben entfalten konnten, dann war das für mich eine Erfolgsgeschichte. Angela: Bei mir war es ähnlich. Manchmal schränkten Bezugspersonen oder Fa- milienmitglieder sehr ein und ließen keine Ver- änderung zu. Oft stand nicht die Entwicklung der Klientin bzw. des Klienten im Vordergrund, sondern die finanzielle Situation. „Wir bauen für unser Kind aus“, erzählten Eltern – ohne zu sehen, dass dies für den Menschen mit Unterstützungs- bedarf eine große Einschränkung und ein Hinder- nis im Selbständigwerden darstellt, weil immer die Kontrolle der Familie da ist. Sie bleiben in der Familie immer Kinder bzw. Jugendliche und dadurch können sie nicht ihr eigenes Leben leben. Josef: Bei einemmeiner Klienten sagten die Eltern: „Wenn du jetzt gehst, musst du nie mehr zurück- kommen.“ Ich weiß noch gut, wie er damals zwi- schen mir und seinem Bewährungshelfer saß und zitterte, aber er hat es geschafft, diesen Schritt zu gehen. Es ist schwierig, wenn Eltern ihre Kinder nicht loslassen wollen. Angela: Wenn die finanzielle Situation schuld ist, dass das Kind so eingeschränkt wird, ist es doppelt bitter. Oder wenn das Kind Angst haben muss, dass es soziale Kontakte in der Familie verliert, dann ist der Preis sehr, sehr hoch. Ihr brennt auch heute noch für eure Arbeit. Wenn ihr zurückblickt, was hat die Arbeit im Fundament für euch ausgemacht, was war das Wesentliche? Reingard: Für mich war der Vertrauensaufbau mit den Klientinnen und Klienten wichtig, dass sie einen guten Zugang zu mir hatten und ich zu ihnen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dadurch so vieles möglich ist, was sonst nicht gelingen kann. Es war schön für mich, wenn die Klientinnen und Klienten durch die Unterstüt- zung vom Fundament ihr Leben meistern konn- ten und dabei glücklich waren und aufblühten. Dass sie ein Stück vom Elternhaus wegkamen, aber trotzdem gute Kontakte mit der Familie pflegten. Das hat mich unheimlich erfüllt. Angela: Mir ist es ganz viel um Respekt gegan- gen und darum, zuerst eine Vertrauensbasis in der Beratung zu schaffen, in Kontakt mit den Klientinnen und Klienten zu treten. Wenn das funktioniert hat, war ganz vieles möglich. Wenn ich gesehen habe, dass jemand durch unsere Bera- tung oder Unterstützung ein freieres und besseres Leben führen konnte, dann hat mich das extrem gefreut und meine Arbeit befriedigt. Ich hatte Klienten mit Doppeldiagnosen, die neben ihrer kognitiven Beeinträchtigung noch eine psychiat- rische Diagnose hatten. Den Zugang zu ihnen zu erlangen, fand ich sehr spannend. Josef: Ich bin ein bisschen ein Gerechtigkeitsfan und habe immer darauf geachtet, nicht jene Men- schen, die am lautesten geschrien haben, vorder- gründig zu unterstützen, sondern diejenigen, die „Die Beratung der Ange- hörigen gestaltete sich oft als schwierig, da sie ihren Kindern das eigen- ständige Wohnen nicht zutrauten und ihnen da- durch die Chance ver- wehrten, es zu versuchen.“ Angela Eberle

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