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30 Jahre ifs Patientenanwaltschaft 30 In der geplanten Novelle des österreichischen UbG ist vorgesehen, dass Patientinnen und Patienten bei der Aufnahme eine Vertrauens- person namhaft machen können und auf dieses Recht hingewiesen werden müssen. Sie haben in der Schweiz eine ähnliche Regelung im Erwachse- nenschutzrecht und haben das Pilotprojekt „Ver- trauensperson“ ins Leben gerufen. Welche Erfah- rungen haben Sie mit diesem Projekt gemacht? Also wir betrachten es als einen Fortschritt, dass das Recht besteht, eine Vertrauensperson zu be- nennen. Das Erwachsenenschutzrecht sieht das seit 2013 vor. Allerdings sind die Ausführungs- bestimmungen kantonal in 26 verschiedenen Ausführungen geregelt und das ist damit eine Schwachstelle. Ein Recht stipulieren ist schön, aber wenn niemand darauf achtet, dass dieses Recht zur Anwendung kommt, wenn insbesondere die Kliniken keine Informationspflicht haben oder dieser bei bestehender Informationspflicht gegen- über Patienten, die gegen ihren Willen eingeliefer- ten werden, nicht nachkommen, wenn das von nie- mandem kontrolliert wird, dann ist das Recht für nichts. Wenn die Patienten bei Eintritt in die psy- chiatrische Klinik nicht obligatorisch von diesem Recht erfahren, dann hat es keine Wirkung. Das ist die eine Seite der Geschichte. Auf der anderen Seite vertreten wir die Hypothese, dass viele psy- chisch schwer belastete Menschen gar niemanden mehr benennen können, da sie völlig vereinsamt sind. Haben sie jedoch noch Angehörige, so sind diese oft an der Einweisung beteiligt. Dann ist es auch schwierig, diese Person, die zu einer Einwei- sung gegen den eigenen Willen beigetragen hat, als Vertrauensperson zu benennen. Gibt es Kantone oder gibt es Beispiele, in denen das Projekt „Vertrauensperson“ gut funktioniert? Das Projekt ist ein Pilotprojekt und wird nur im Kanton Zürich umgesetzt. Es wird mit Geld aus dem Lotteriefonds des Kantons Zürich für die Dauer von vier Jahren finanziert. In diesem Rah- men sollen auch die Hypothesen getestet werden. Zum einen die Frage, ob es tatsächlich viele Betrof- fene gibt, die niemanden haben, den sie bezeich- nen könnten. Zum anderen, ob es Freiwillige gibt, die geeignet sind, diesen Dienst unentgeltlich zu übernehmen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob sich das alles so umsetzen lässt, dass es auch funktioniert. Es hat sich gezeigt, dass die Nachfrage besteht, aber kleiner ist als erwartet. Meine Vermutung dazu: die Information findet nicht statt oder kommt nicht an. Überraschenderweise haben wir aber sehr viele, sehr gut qualifizierte, sehr enga- gierte Freiwillige gefunden, die sich einsetzen möchten. Wir haben zweimal einen Pool von 20 Leuten zusammengestellt und haben für beide Pools je über 100 Bewerbungen erhalten, aus denen wir je rund 20 Personen selektiert haben, die in die Gruppe eingetreten sind, geschult wurden und jetzt als Vertrauensperson in den Einsatz kommen. Dann führen Sie auch die Einschulung der Freiwilligen durch? Ja, wir bieten eine zweitägige Schulung zu „Was ist die Rolle einer Vertrauensperson?“ „Was soll sie, was darf sie, was darf sie nicht?“ und Hospitation in einer Klinik. Die Pools erhalten laufend Bera- tung, regelmäßig Intervisionen, Supervisionen und werden durch eine freiwillige Person koor- diniert, die auch administrative Aufgaben über- nimmt. Die beiden Pools funktionieren super. Dann möchte ich zum Thema Behandlungsplan bzw. Behandlungsvereinbarungen kommen. Gibt es Kliniken, in denen Sie damit gute Erfahrungen gemacht haben, in denen es gut funktioniert, dass Arzt, Therapeut und Patient eine gute Vereinba- rung schließen? Bei uns gibt es diese Vereinbarung bei Austritt nicht als gesetzliche Vorgabe. Aber es gibt Kli- niken, die solche Vereinbarungen mit den Patien- tinnen und Patienten abschließen. Im Erwachse- nenschutzgesetz der Schweiz ist festgeschrieben, dass die Vertrauensperson insbesondere bei der Besprechung des Behandlungsplans für die stationäre Zeit dabei sein darf. In diesem Zusam- menhang stellen wir fest, dass es Kliniken gibt, in denen es noch nicht Standard ist, zu Beginn einer fürsorgerischen Unterbringung (FU) überhaupt einen Behandlungsplan zu erstellten. Gerade in diesen Kliniken stellt es auch eine Hürde dar, die Patienten über das Recht der Vertrauensperson zu informieren bzw. die Information so zu gestal- ten, dass diese bei den Patienten ankommt. Denn wenn den Patienten eine von uns geschulte Ver- trauensperson zur Seite gestellt wird, dann wird diese nach dem Behandlungsplan fragen. Und genau das ist der Punkt. Aber es gibt auch Kli- niken, in denen es gut funktioniert. Wir fordern, dass bei Austritt ein Gespräch, wie es weiter geht, stattfindet – zwischen Klinik, Ver- füger, Patient und Vertrauensperson. Auch damit derjenige, der die FU verfügt hat, ein Feedback erhält, was passiert ist und wie es weitergeht –

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