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30 Jahre ifs Patientenanwaltschaft 38 Der Mord am Brunnenmarkt vom 4. Mai 2016 bedeutete das endgültige Aus der Reformpläne. Dieser Tat lag ein Multibehördenversagen zugrun- de, was aber mit demMaßnahmenvollzug nichts zu tun hatte. Nach dem Anschlag vom 2. November 2020 sprach Innenminister Karl Nehammer davon, dass Ter- roristen und potenzielle Terroristen künftig im Maßnahmenvollzug angehalten werden sollen. Dagegen verwehrte sich massiv die Zivilgesell- schaft. Immerhin kam nun Bewegung in Rich- tung Maßnahmenreformgesetz und tatsächlich wurde in der Pressekonferenz am 25.05.2021 von Justizministerin Dr. Alma Zadic verkündet: „Heute bringen wir eine umfassende und tiefgreifende Reform des Maßnahmenvollzugs auf den Weg.“ Angestrebte Reformpunkte Begriffe: Immerhin räumt man mit den an das Dritte Reich gemahnenden Begriffen auf: Nicht mehr in eine „Anstalt für geistig abnorme Rechts- brecher“ kommen psychisch kranke Straftäter, sondern in ein „forensisch-therapeutisches Zen- trum“. Auch heißt es nun „schwerwiegende und nachhaltige psychiatrische Störung“ statt „gei- stige oder seelische Abartigkeit höheren Grades“. Anlasstat: Die Schwelle wird erhöht. Lag sie bisher bei einem Jahr Freiheitsstrafe, steigt sie nun auf drei Jahre, außer es liegt eine hohe Gefährlichkeit des Täters (für die Rechtsgüter Leib, Leben, sexu- elle Integrität und sexuelle Selbstbestimmung) vor. Reine Vermögensdelikte bleiben ausgenom- men. Gleichzeitig sollen jene, die keine Gefahr darstellen, aber bisher trotzdem in den Maßnah- menvollzug gekommen sind, nicht mehr eingewie- sen werden. Das betrifft Straftaten, die mit über einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, aber in die Kategorie „leichte Delikte“ fallen. Diese Fälle sollen durch das zivilrechtliche Unterbringungs- gesetz abgefangen werden, das ebenfalls gerade reformiert wird. Frist: Die Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung findet künftig binnen Jahresfrist seit der letzten Entscheidung statt. Bisher war nur der Beginn der Überprüfung binnen dieser Frist vorgegeben. Jugendliche: Für Jugendliche werden eigene Regeln eingeführt: Nur mehr bei einem Maßnahmenvollzug bereits einige Reformvor- haben, realisiert wurden jedoch keine. Seinen ersten negativen Höhepunkt erreichte der Maßnahmenvollzug imMai 2014. Der Kurier schrieb damals: „Die Zehennägel rollen sich be- reits ein, so lang sind sie. Die Füße sind komplett verkrustet von Geschwüren. Dazu mischt sich intensiver Verwesungsgeruch. Dieser Mann sitzt imMaßnahmenvollzug in der Justizan- stalt Krems-Stein.“ Justizminister Wolfgang Brandstetter sagte im Falter: „Das ist eine Katastrophe, so etwas darf nicht passieren.“ Tatsächlich wurde im Juni 2014 eine Expertenkommission zusammengestellt, die dann im Jänner 2015 ihren „Bericht an den Bun- desminister für Justiz“ veröffentlichte. Es wurden 92 Empfehlungen für die Schaffung eines zeit- gemäßen und menschenrechtskonformen Maß- nahmenvollzugs erarbeitet, die bis heute auf ihre Umsetzung warten.

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