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32 Jahre ifs Schuldenberatung 60 3. Aus bisherigen Erfahrungen Neues entwickeln Über 30 Jahre Erfahrung mit Menschen, die teils durch Schicksal, teils durch Eigenverschulden in ihre missliche Finanzlage gekommen sind, ist ein kostbarer Schatz und könnte auch auf anderen Gebie- ten „verwertet“ werden. Mit dem „Betreuten Konto“ wurde ein Produkt geschaffen, das nicht direkt mit Schuldenbera- tung zu tun hat, aber auf diesen Erfahrungen basiert. Bereits ange- dacht sind darauf basierende Zahlungssysteme, die im Pflegebereich oder in der Altenarbeit einge- setzt werden könnten. Schuldenberatung wird ihre Rolle als „Kassandra“ auch zukünftig nicht loswerden. Wenn der Anteil der Mieten in den unteren Einkommensschichten bereits fünfzig oder mehr Prozent ausmacht, dann wird die Einmischung von Schuldenberatungen in den politischen Diskurs ganz dringend notwen- dig sein. Nicht parteipolitisch, aber mit seriösen Daten und Fakten. Dass dabei sinnvolle Ideen wie Erbschaftssteuern oder Vermögenssteuern dis- kutiert werden müssen, ist notwendig, zumal die Armutsgrenzen bereits in die untere Mittelschicht reichen. ○ 1. Die Klienten und Klientinnen werden nicht weniger Das Ausmaß der Überschuldung privater Haus- halte wird ganz wesentlich von der Finanzpolitik bestimmt. Die EZB pumpt seit der Finanzkrise im Jahr 2008 Billionen von Euro in Form von Anleihekäufen in den Geldmarkt. Damit und mit niedrigsten Leitzinssätzen sollen die Banken ange- halten werden, mehr Kredite zu verkaufen. Die ebenfalls eingeführten, strengeren Bonitätsprü- fungen (Basel IV) werden wenig Wirkung zeigen, da es dabei ja nur darum geht, dass eine Bank bei Kunden und Kundinnen mit geringer Bonität ein- fach mehr Eigenkapital vorweisen muss. Daher kann man eine einfache Gleichung aufstel- len: Mehr Kredite = Zunahme der Menschen mit Schuldenproblemen = mehr Klienten und Klien- tinnen bei den Schuldenberatungen. 2. Schuldenberatung durch KI (künstliche Intelligenz) Vor 13 Jahren hat die Schuldnerberatung Wien aufgrund von Personalknappheit eine computer- unterstützte Anmeldemöglichkeit geschaffen. Die Auswertung zeigt, dass damit und mit entsprechend weiterentwi- ckelten Programmen ein großer Teil der Beratung online abge- wickelt werden kann. Das unterstützt die Schuldenbe- raterinnen und Schuldenberater in ihrer täglichen Arbeit. Um diese Vorteile nutzen zu können, müssen aber interne Abläufe angepasst und verändert werden, um den hohen Qualitätsansprü- chen, die Schuldenberatung in Österreich hat, zu entsprechen. Eine ganz beson- dere Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang auch der Dachorganisation asb zu. Sie müsste diese Entwicklung österreichweit anregen und unterstützen. Zukünftige Entwicklungen Alexander Maly, der 30 Jahre lang maßgeblich am Aufbau der Schuldenbera- tung in Österreich beteiligt war, hat ein klares Bild der zukünftigen Entwick- lung vor Augen. „Wenn der Anteil der Mieten in den unteren Einkommensschichten bereits fünfzig oder mehr Prozent ausmacht, dann wird die Einmischung von Schuldenberatungen in den politischen Dis- kurs ganz dringend not- wendig sein.“ Alexander Maly Ehem. Geschäftsführer der Schuldnerberatung Wien Zur Person Alexander Maly gründete Ende der 1980er Jahre – damals als Mitarbeiter des Jugendamts der Stadt Wien – die Schuldnerberatung Wien. Ab 2005 übernahm er die Funktion des Geschäftsführers und entwi- ckelte bis zu seiner Pensionierung 2018 mit seinem Team zahlreiche Innovationen für verschuldete Menschen.

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